Rn 2
Nach § 1573 I kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.
I. Anspruchsvoraussetzungen.
Rn 3
Der Anspruch ist gegeben, wenn kein Anspruch nach §§ 1570, 1571 oder 1572 besteht, der Berechtigte trotz notwendiger Bemühungen keine angemessene Erwerbstätigkeit findet, die Bedürfnislage zu den maßgeblichen Einsatzzeitpunkten vorliegt und noch keine nachhaltige Unterhaltssicherung durch eine bereits ausgeübte angemessene Erwerbstätigkeit erfolgt.
1. Subsidiarität.
Rn 4
Bei Vorliegen der Voraussetzungen einer vorrangigen Norm (§§ 1570, 1571, 1572, 1575, 1576) besteht kein Anspruch, auch kein Teilanspruch, aus § 1573 I (BGH FamRZ 99, 708). Ein Anspruch nach § 1573 I besteht nicht, solange der Berechtigte eine angemessene Tätigkeit ausübt. Geht der Berechtigte einer angemessenen Teilzeitbeschäftigung, nicht jedoch einer zumutbaren Vollzeitbeschäftigung, nach, kann er über § 1573 I einen Anspruch hinsichtlich des durch die Teilzeitbeschäftigung noch nicht gedeckten vollen Unterhaltsbedarfs geltend machen. Bei einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit hat der Berechtigte sich grds unter Einsatz aller zumutbarer möglichen Mittel um eine vollschichtige Tätigkeit durch Ausweitung seiner Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber oder um eine vollschichtige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber zu bemühen. Genügen die Erwerbsbemühungen des unterhaltbegehrenden Ehegatten diesen Anforderungen nicht, ist ein fiktives Einkommen in Höhe eines realistischerweise erzielbaren Einkommens zuzurechnen (BVerfG FamRZ 21, 274; Brandbg FuR 21, 35; zur Beendigung der Fiktion BGH FamRZ 08, 872). Übt der Berechtigte eine vollschichtige, jedoch nicht angemessene Tätigkeit aus, kann er über § 1573 I einen Anspruch hinsichtlich der Differenz zwischen dem ›vollen Bedarf‹ (§ 1578 I) und den anrechenbaren Einkünften aus der nicht angemessenen Tätigkeit geltend machen. Die Verpflichtung, sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit zu bemühen (vgl Rdn 6), bleibt hiervon ungerührt.
2. Fehlende oder unangemessene Erwerbstätigkeit.
Rn 5
Der Anspruch setzt voraus, dass der geschiedene Ehegatte im Zeitpunkt der Scheidung nicht oder nur teilw in angemessener Weise erwerbstätig war (BGH FamRZ 85, 53).
3. Erwerbsobliegenheit.
Rn 6
Die Obliegenheit zur Arbeitssuche kann schon vor Rechtskraft der Scheidung beginnen. Der Zeitpunkt für den Beginn der Erwerbsobliegenheit (grundl BGH FamRZ 08, 2104; 87, 684) kann auch schon zu Zeiten der Kindesbetreuung einsetzen, wenn das Ende der Kindesbetreuung verlässlich absehbar ist. Andererseits kann der Zeitpunkt für den Beginn der Erwerbsobliegenheit hinausgeschoben sein, wenn der Verpflichtete einen Vertrauenstatbestand durch freiwillige Unterhaltszahlung bei erkennbar fehlender Erwerbsbemühung schafft (Karlsr FuR 05, 329). Anspruchsvoraussetzung ist nicht schon die Arbeitslosigkeit, sondern das Unvermögen des Ehegatten, mit zumutbarer Anstrengung eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden. Hieraus ist die Obliegenheit abzuleiten, sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit intensiv zu bemühen. Die inhaltlichen Voraussetzungen (BGH FamRZ 11, 1851; Kleffmann FuR 00, 454) sind vielschichtig. Die an eine ausreichende Bemühung um Arbeit zu stellenden Anforderungen sind nicht in allen Fällen gleich. Ob ein Arbeitsuchender eine Stelle finden kann (zur erforderlichen realen Beschäftigungschance grundl BGH FamRZ 12, 1040; 11, 1851), hängt einerseits von den Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt, andererseits aber auch von den persönlichen Voraussetzungen des Arbeitsuchenden ab, insb von seinem Alter, seiner Gesundheit, seiner Vorbildung, seinem bisherigen beruflichen Werdegang und seinen sonstigen persönlichen Voraussetzungen (BGH FuR 12, 85). Eine Meldung bei der Agentur für Arbeit ist stets nötig, aber allein nicht ausreichend (BGH FamRZ 12, 1040; 11, 1851). Regelmäßig sind auch intensive Privatinitiativen erforderlich. Hierzu zählen rechtzeitige Bewerbungen auf Stellenangebote in Zeitungen oder sonstigen Werbeträgern, aber auch iRd finanziell Zumutbaren die Aufgabe eigener Stellenannoncen (Dresd FF 00, 31). Die Bewerbung muss zielgerichtet (Bambg FamRZ 88, 725) sein, einen konkreten Bezug zur angebotenen Stelle haben (Hamm FamRZ 92, 63) und insgesamt einen ›werbenden Charakter‹ aufweisen. In zeitlicher Hinsicht muss bei vollschichtiger Erwerbsobliegenheit grds die gesamte Arbeitskraft der Stellensuche gewidmet werden (Karls FamRZ 02, 1566; Hamm FamRZ 96, 629). Die Bemühungen müssen nachhaltig, dh insb kontinuierlich und ohne zeitliche Lücken sein (BGH FamRZ 08, 2104).
Rn 6a
Bei einer teilschichtigen Erwerbstätigkeit hat der Berechtigte sich grds unter Einsatz aller zumutbaren Mittel um eine vollschichtige Ausweitung seiner Tätigkeit bei seinem bisherigen Arbeitgeber oder um eine vollschichtige Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber zu bemühen. Genügen die Erwerbsbemühungen des unterhaltsberechtigten Ehegatten nicht, ist ihm fiktives Einkommen in Höhe eines realistischerweise erzielbaren Einkommens zuzurechnen (Brandbg FamRZ 21, 35)...