Rn 15
Erzielt der unterhaltsberechtigte Ehegatte Einkünfte aus überobligatorischer Tätigkeit, sind diese Einkünfte um die üblichen Abzugsposten zu bereinigen (vgl Vor § 1577 Rn 45 ff). Hierzu zählen vornehmlich Steuern, Altersvorsorgeaufwendungen, Krankenvorsorgeaufwendungen, Erwerbsaufwand, vorrangige Unterhaltslasten, Verbindlichkeiten etc. Kinderbetreuungskosten sind im weitesten Sinne berufsbedingte Aufwendungen (BGH FamRZ 18, 23). Sie werden jedoch in den Leitlinien in Nr 10.3 gesondert abgehandelt und können deshalb neben (pauschalen) berufsbedingten Aufwendungen verlangt werden. Kinderbetreuungskosten als Abzugsposten beim Ehegattenunterhalt sind abzugrenzen vom Mehrbedarf des Kindes (BGH FamRZ 18, 23). Letzteres spielt va eine Rolle, wenn kein Ehegattenunterhalt geschuldet wird. Entstehen dem Gläubiger aufgrund seiner unzumutbaren Tätigkeit konkrete Aufwendungen für die Kinderbetreuung (Kinderhort, Kindermädchen etc), ist dieser konkrete Betreuungsaufwand neben ggf vorhandenen berufsbedingten Aufwendungen vorab in Abzug zu bringen (BGH FamRZ 05, 1154; 18, 23 [Tagesmutter]; KG FamRZ 06, 341 [Hortkosten]) für den Unterhaltsschuldner. Arg: erst dieser Aufwand ermöglicht die (überobligatorische) Erwerbstätigkeit trotz Kindesbetreuung. Die Kosten einer Fremdbetreuung sind auch dann in Abzug zu bringen, wenn die entsprechende Leistung, etwa von nahen Angehörigen, unentgeltlich erbracht wird. Derartige Leistungen sollen den Pflichtigen regelmäßig nicht entlasten und müssen unter dem Gesichtspunkt der freiwilligen Zuwendungen Dritter (vgl Vor § 1577 Rn 31) allein dem Berechtigten zugutekommen (BGH FamRZ 12, 1040; 01, 350). Kosten für einen Kindergarten stellen keinen berufsbedingten Aufwand dar (BGH FamRZ 08, 1152). Die für den Kindergartenbesuch anfallenden Kosten sind unabhängig davon, ob die Einrichtung halb- oder ganztags besucht wird, zum Bedarf des Kindes zu rechnen (BGH FamRZ 08, 1152; 07, 887; vgl iÜ Vor § 1577 Rn 50). Das Gleiche gilt für die Kosten eines Horts oder einer Schule (BGH FamRZ 18, 23).
Rn 16
Bei teilweiser Erwerbsobliegenheit sind der nach § 1577 II zu berücksichtigende Betrag und der auf überobligatorischer Tätigkeit beruhende Teil zu bestimmen (BGH FamRZ 03, 518). Überobligatorische Einkünfte des Unterhaltsgläubigers sind in einen unterhaltsrelevanten und einen nicht unterhaltsrelevanten Teil aufzuspalten. Nur der unterhaltsrelevante Teil ist iRd Additions-/Differenzmethode zu berücksichtigen, der nicht unterhaltsrelevante Teil bleibt bei der Unterhaltsermittlung unberücksichtigt (grundl BGH FamRZ 05, 1154; FamRZ 03, 518). Je größer die doppelte Last (etwa Erwerbstätigkeit neben Kindesbetreuung) ist, umso höher wird der nicht unterhaltsrelevante Betrag festzusetzen sein.
Kriterien für die Bemessung des anrechnungsfreien Betrages:
- Alter des betreuten Kindes bzw der betreuten Kinder, wenn und weil der betreuende Elternteil einen Teil seiner Berufstätigkeit während einer Zeit ausüben kann, in der das Kind/die Kinder anderweitig betreut ist/sind (Kindergarten, Kindertagesstätte, Kinderhort, Schule (vgl auch Saarbr NJW-RR 06, 869 [OLG Saarbrücken 17.08.2005 - 9 UF 187/04]).
- Vereinbarkeit der konkreten Arbeitszeiten unter Berücksichtigung erforderlicher berufsbedingter Fahrzeiten (BGH FamRZ 01, 350; KG FamRZ 06, 341).
- Freiwilligkeit der Erwerbsaufnahme bzw der Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit (BGH FamRZ 05, 442).
- Die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse (Hamm FamRZ 02, 1708), insb auch weitere Unterhaltspflichten, anrechnungsfreies Einkommen des Unterhaltsschuldners (Hambg FamRZ 05, 927).
- Mit der Kinderbetreuung verbundener Zeitaufwand (BGH FamRZ 01, 350).
- Aufwand der Betreuung des Kindes durch Verwandte oder Dritte (Hambg FamRZ 05, 927; KG FamRZ 06, 341).
- Mit der Erwerbstätigkeit neben der Kinderbetreuung verbundene sonstige besondere Erschwernisse (Hamm FamRZ 02, 1708).
- Mit der Kinderbetreuung verbundener Organisationsaufwand (Saarbr NJW-RR 06, 869 [OLG Saarbrücken 17.08.2005 - 9 UF 187/04]).
- Zeitweise anderweitige Beaufsichtigung des Kindes bzw der Kinder durch verfügbare Hilfen (KG FamRZ 06, 341 unter Hinweis auf BGH FamRZ 01, 350).
Der anrechnungsfreie Betrag hängt von der Erwerbsobliegenheit des berechtigten Ehegatten ab (vgl § 1570 Rn 6 ff). Eine völlige Anrechnungsfreiheit kommt jedenfalls nach Stärkung der wirtschaftlichen Eigenverantwortung geschiedener Eheleute im UÄndG kaum noch in Betracht.
Rn 17
Auch andere überobligationsmäßig erzielte Einkünfte, etwa Einkünfte aus Nebentätigkeiten neben Verrichtung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit, prägen die ehelichen Lebensverhältnisse. Zu prüfen ist, ob ein gewisser Teil dieser überobligationsmäßigen Einkünfte entspr §§ 1577 II anrechnungsfrei bleibt.