I. Maßstab.
Rn 3
Die Bedürftigkeit richtet sich allein nach unterhaltsrechtlichen Kriterien, nicht etwa nach sozialhilferechtlichen Maßstäben (BGH FamRZ 95, 437). Der nach §§ 1578, 1578b zu bemessene Bedarf bildet den Maßstab für die Bedürftigkeit. Bei anerkennungsfähigem Mehrbedarf besteht der volle Unterhalt aus Quotenunterhalt und ungedecktem Mehrbedarf. Ein in ausreichender Höhe nachhaltig gesichertes eigenes Einkommen lässt einen Unterhaltsanspruch dauerhaft entfallen (§ 1573 IV). Eine später durch Wegfall dieser Einkünfte einsetzende Bedürftigkeit kann daher nur dann noch einen Unterhaltsanspruch begründen, wenn zu diesem Zeitpunkt die Vorrausetzungen für einen Anspruch aus §§ 1570 ff unmittelbar oder lückenlos als Anschlusstatbestand gegeben sind (BGH FamRZ 87, 689). Umstr ist, inwieweit dies auch für einen Unterhaltsanspruch aus §§ 1571, 1572, 1573, 1575 gilt, wenn mit Ausnahme der Bedürftigkeit die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen zum Einsatzzeitpunkt gegeben waren und eine Bedürfnislage erst später eintritt. ZT werden die Anspruchsvoraussetzungen bejaht (München FamRZ 93, 564), zT verneint (FAKomm-FamR/Klein § 1577 Rz 4), zT wird eine differenzierte Betrachtung nach der jeweiligen Risikosphäre vorgeschlagen (NK-BGB/Schürmann § 1577 Rz 5).
Rn 4
Die Bedürftigkeit ist nach dem konkreten Unterhaltszeitraum zu beurteilen (zeitliche Kongruenz). Dies ist nach § 1585 I 2 der einzelne Monat (BGH FamRZ 82, 259). Zu einem späteren Zeitpunkt zufließende Mittel beseitigen mithin nicht rückwirkend die Bedürftigkeit. Rentennachzahlungen sind unterhaltsrechtlich zwar allein einem künftigen Zeitraum zuzuordnen (BGH FamRZ 85, 155). Die Rechte des Unterhaltsschuldners sind jedoch zu wahren. Hat der Schuldner vom Rentenverlauf seitens des Gläubigers Kenntnis, kann er eine Überzahlung abwenden, indem er dem Gläubiger bis zur Bewilligung der Rente den Unterhalt als zins- und tilgungsfreies Darlehen anbietet, verbunden mit der Verpflichtung, im Fall der Ablehnung des Rentenantrages auf die Rückzahlung des Darlehens zu verzichten, soweit es sich mit dem Unterhalt deckt, während es im Fall der Rentenbewilligung zurückzugewähren ist (BGH FamRZ 89, 718). Der Gläubiger ist verpflichtet, ein derartiges Kreditangebot anzunehmen (BGH FamRZ 92, 1152). Soweit der Eintritt des Rentenfalls nicht bekannt ist, kommt ein Erstattungsanspruch nach Treu und Glauben in Betracht. Seine Höhe orientiert sich nach dem Teil der Rentennachzahlung, um den sich der Unterhalt ermäßigt hätte, wenn die Rente während des fraglichen Zeitraums schon gezahlt worden wäre (BGH FamRZ 89, 718).
Rn 5
Die Bedürftigkeit des Berechtigten und sein Bedarf verringern sich nicht durch eine freiwillige Einschränkung seiner Lebensführung (BGH NJW 95, 1343). Kreditverpflichtungen erhöhen grds den Bedarf nicht (BGH FamRZ 07, 879). Unterhaltszahlungen dienen der Deckung des laufenden Lebensbedarfs, nicht der Vermögensbildung oder dem Abbau von Verbindlichkeiten (BGH NJW 98, 753 [BGH 22.10.1997 - XII ZR 12/96]). Dem Pflichtigen obliegt es nicht, durch eine Erhöhung des Unterhalts mittelbar für Verbindlichkeiten des geschiedenen Ehegatten einzustehen (BGH FamRZ 92, 423). Etwas anderes kann nur gelten für Aufwendungen iRd Erzielung von Einkünften (etwa Zurechnung eines Wohnwerts einerseits und Berücksichtigung der Zinslasten für die Wohnung andererseits), für Verbindlichkeiten, die bereits während der Ehe bestanden (›eheprägende Verbindlichkeiten‹, vgl BGH FamRZ 97, 806). Ob dies auch für Darlehensverbindlichkeiten, die der Unterhaltsgläubiger begründet hat, um seine Lebenshaltungskosten zu finanzieren, während der Schuldner Unterhaltsleistungen zu Unrecht verweigert hat, gelten kann, ist zweifelhaft (bejahend FAKomm-FamR/Klein § 1577 Rz 13, verneinend NK/Schürmann § 1577 Rz 10). Unterhaltsverpflichtungen, die der Berechtigte einem Dritten ggü hat, sind wie sonstige Verbindlichkeiten zu beurteilen, erhöhen die Bedürftigkeit mithin grds nicht (BGH FamRZ 85, 273). Auch Unterhaltsleistungen ggü Kindern aus früherer Ehe sind bei der Bemessung des Bedarfs und der Bedürftigkeit zu berücksichtigen (BGH FamRZ 87, 259; 91, 1163). Nach neuerer, allerdings umstrittener, Rspr des BGH gilt dies auch, wenn der Unterhaltsberechtigte gemeinsame Kinder betreut. Der BGH geht davon aus, dass der betreuende Elternteil neben der Kindesbetreuung restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt leistet. Von seinen Einkünften ist dem BGH zufolge deshalb der nach den gemeinsamen Einkünften der Elternteile bemessene Barunterhaltsbedarf des Kindes abzgl des hälftigen auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldes und abzgl des vom anderen Elternteil gleisteten Barunterhalts abzusetzen (BGH FamRZ 21, 1965; zust Frankf FamRZ 23, 45; abl und mit der Rspr des BGH nicht vereinbar Oldbg NJW 23, 2789; vgl auch Maaß NZFam 23, 49; Borth FamRZ 23, 405; Bruske FamRZ 23, 339; Born NZFam 23, 433; Borth FamRZ 23, 1112; Maaß FamRZ 23, 1011). Lebt der Berechtigte im Ausland, sind für seinen Bedarf die dortigen tatsächlichen Versor...