1. Kasuistik eheprägender Faktoren.
Rn 12
Für die Bestimmung des Bedarfs ist sämtliches Einkommen einschl sämtlicher geldwerter Vorteile, welches für die allg Lebensführung zur Verfügung stand, heranzuziehen (zu Einzelheiten der Einkommensermittlung vgl Vor § 1577 Rn 1 ff).
2. Einkommen aus Erwerbstätigkeit.
Rn 13
Das Hauptgewicht der prägenden Einkünfte liegt beim Einkommen aus Erwerbstätigkeit, seien es Einkünfte aus selbstständiger oder nichtselbstständiger Tätigkeit, regelmäßige oder unregelmäßige Einkünfte (zu Einzelheiten vgl Vor § 1577 Rn 1 ff).
Rn 14
Entscheidend ist stets, dass die Erwerbseinkünfte die ehelichen Lebensverhältnisse nachhaltig und dauerhaft geprägt haben. Einkünfte aus unzumutbarer Tätigkeit sieht der BGH nicht als prägend an (BGH FuR 05, 364; anders noch BGH FamRZ 03, 518).
3. Einkommen aus Vermögen.
Rn 15
Alle während der Ehe zugeflossenen Erträge aus vorhandenem Vermögen sind für die ehelichen Lebensverhältnisse prägend, unabhängig von der Herkunft des Vermögens (Erbschaft (BGH FamRZ 88, 1145; Hamm FamRZ 98, 620; Karlsr FamRZ 90, 51) oder Schmerzensgeld (BGH FamRZ 95, 869; 88, 1031; Saarbr FamRZ 03, 685; Karlsr FamRZ 02, 750).
4. Fiktive Einkünfte.
Rn 16
Fiktives Einkommen ist auf Seiten des Unterhaltsschuldners als Erwerbsersatzeinkommen prägend (BGH FamRZ 85, 374). Auf Seiten des Unterhaltsgläubigers ist fiktives Einkommen wegen Verstoßes gegen eine Erwerbsobliegenheit als Surrogat der Familienarbeit anzusehen und gleichfalls prägend in die Bedarfsbemessung einzubeziehen (BGH FamRZ 01, 986 = FuR 01, 306; BGH FamRZ 01, 1291 = FuR 01, 404). Ist Unterhalt ggü einem neuen Ehepartner bedarfsprägend zu berücksichtigen, darf dieser sich nicht auf die mit dem Unterhaltspflichtigen vereinbarte Rollenwahl berufen. Seine Erwerbsobliegenheit beurteilt sich danach als wäre er von dem pflichtigen Ehegatten geschieden. Macht allerdings der geschiedene Ehegatte Betreuungsunterhalt nach § 1570 II geltend, gilt die vereinbarte Rollenwahl für den Fall, dass in der neuen Ehe gemeinsame Kinder betreut werden. (BGH FuR 10, 394).
5. Haushaltsführung und Kindesbetreuung.
Rn 17
Haushaltsführung und Kindesbetreuung stellen wirtschaftlich gleichwertige Leistungen dar. Der Wert der Hausarbeit und/oder Kindesbetreuung wird mit dem Wert des späteren Erwerbseinkommens als Surrogat in Ansatz gebracht (BGH FamRZ 01, 986; BVerfG FamRZ 02, 527). Auf die Gründe für die Nichterwerbstätigkeit in der Ehe kommt es nicht an. Auch kommt es nicht auf den Umfang der Hausarbeit an. Es findet keine Monetarisierung des Werts der Hausarbeit statt (BVerfG FamRZ 02, 527).
Ein nachehelicher Einkommensrückgang prägt die ehelichen Lebensverhältnisse, sofern er nicht auf einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit beruht (BGH FamRZ 03, 590).
6. Haushaltsführung für Dritte.
Rn 18
Haushaltsführung für Dritte stellt gleichfalls ein Surrogat dar (anders Oldbg FamRZ 02, 1488). Es kommt nicht darauf an, für wen die Leistung erbracht wird, sondern nur darauf, ob sie anstelle der ertraglosen Hausarbeit/Kinderbetreuung getreten ist (BGH FamRZ 04, 1173 = FuR 04, 497; BGH FuR 04, 1170; 04, 500).
7. Renten/Pensionen.
Rn 19
Die Grundsätze der geänderten Rspr, wonach nach Trennung/Scheidung erzieltes Erwerbseinkommen des Unterhaltsgläubigers gleichsam als Surrogat des wirtschaftlichen Werts seiner bisherigen Familienarbeit bei der Unterhaltsbemessung im Wege der Additions- bzw Differenzmethode einbezogen wird, gelten auch, wenn der Unterhalt begehrende Ehegatte aus Altersgründen nach der Ehe keine Erwerbstätigkeit mehr aufnimmt, sondern eine Altersversorgung (Rente/Pension) bezieht. Auch diese Altersvorsorge ist als Surrogat in die Bedarfsberechnung einzustellen, und zwar insgesamt ohne Unterscheidung danach, ob die der Versorgung zugrunde liegenden Leistungen – insgesamt oder teilweise – vor oder während der Ehezeit erbracht wurden, und/oder ob sie auf den durchgeführten Versorgungsausgleich beruhen (BGH FuR 02, 26 = FamRZ 02, 88; anders noch BGH FamRZ 87, 459).
8. Wohnvorteil.
Rn 20
Haben Eheleute während der Ehe in einem im Allein- oder Miteigentum stehenden Haus bzw einer Eigentumswohnung gelebt, ist eine damit verbundene Ersparnis an Mietaufwendungen als Nutzung vorhandenen Vermögens prägender Bestandteil der ehelichen Lebensverhältnisse (BGH FamRZ 90, 283; BGH FamRZ 95, 869; zu weiteren Einzelheiten vgl Vor § 1577 Rn 19 ff). Der Vorteil ist beiden Ehegatten hälftig zuzurechnen. Die Höhe des Wohnvorteils richtet sich idR. ab dem Zeitpunkt, in dem eine Versöhnung der Eheleute nicht mehr zu erwarten ist, nach der objektiven Marktmiete (BGH FuR 08, 401, wobei der BGH dies von zwei Ereignissen abhängig macht, nämlich entweder die Zustellung des Scheidungsantrages oder die Vermögensauseinandersetzung der Eheleute), bis dahin nach der angemessenen Miete für eine den Wohnbedürfnisses des Wohnengebliebenen entsprechenden Wohnung, wobei auch zu berücksichtigen ist, ob er allein oder mit Kindern die eheliche Wohnung nutzt (BGH FuR 13, 389). Letztlich dürfte die Zurechnung der objektiven Miete aber nur bei einem Verstoß gegen die Verwertungsobliegenheit in Betracht kommen (so wohl BGH FamRZ 14, 923). Abzuziehen sind aufzubringende Zinsleistungen sowie weitere mit dem Grundbesitz verbunden...