I. Allgemeines.
Rn 1
Wenn der eheangemessene Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten ermittelt und auf einer weiteren Stufe der Unterhaltsberechnung seine Bedürftigkeit festgestellt, also geprüft worden ist, ob und inwieweit er in der Lage ist, den sich aus den ehelichen Lebensverhältnissen ergebenden Bedarf durch eigene Einkünfte sicherzustellen, ist auf der dritten Berechnungsstufe oder -ebene zu prüfen, ob die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten gegeben ist, dh ob er ohne Beeinträchtigung seines eigenen eheangemessenen Bedarfs bzw des notwendigen Selbstbehalts in der Lage ist, den noch ungedeckten Restbedarf durch Unterhaltszahlungen sicherzustellen.
Rn 2
§ 1581 enthält eine ähnliche Regelung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen wie § 1603, der für den Kindesunterhalt gilt. § 1581 befasst sich mit den Auswirkungen auf den Unterhaltsanspruch, wenn die Leistungsfähigkeit ganz oder teilweise fehlt.
Rn 3
Für die Berechnung des Trennungsunterhalts fehlt eine dem § 1581 entsprechende Regelung. Da der Unterhaltsverpflichtete auch für die Zahlung von Trennungsunterhalt leistungsfähig sein muss, ist eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift geboten (BGH FamRZ 86, 556).
II. Fehlen der Leistungsfähigkeit als Einwendung.
Rn 4
Die Berufung des Unterhaltsverpflichteten auf seine Leistungsunfähigkeit ist als Einwendung ausgestaltet. Daraus ergibt sich, dass der Unterhaltspflichtige die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung hat, dass er infolge eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit zu Unterhaltszahlungen ganz oder teilweise nicht in der Lage ist (BVerfG 85, 143; BGH FamRZ 88, 930). Da der Unterhalt des neuen Ehegatte die Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehe nicht prägt, aber uU bei der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen ist, muss der unterhaltspflichtige Ehegatte dessen Bedarf darlegen und notfalls beweisen. Damit der unterhaltsberechtigte geschiedene Ehegatte aber seinen Unterhalt berechnen kann und nicht ein unberechenbares Kostenrisiko im Falle eines Verfahrens eingehen muss, dürfte es gerechtfertigt sein, ihm ausnahmsweise einen Auskunftsanspruch über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des neuen Ehegatten gegen den unterhaltspflichtigen Ehegatten zuzubilligen. Dieser besteht allerdings dann nicht, wenn es auf dessen Bedürftigkeit nicht ankommt. Dies ist dann der Fall, wenn der neue Ehegatte wegen Nachrangs unberücksichtigt bleibt oder aber der unterhaltspflichtige Ehegatte verbindlich erklärt, auf eine Berücksichtigung des neuen Ehegatten zu verzichten.
III. Eheangemessener Bedarf als Grenze der Leistungsfähigkeit.
Rn 5
Gemäß § 1361 für den Trennungsunterhalt und gemäß § 1578 I für den nachehelichen Unterhalt bestimmt der eheangemessene Bedarf die Höhe des Unterhalts. Dies wirkt sich auch auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten aus. Dieser ist zu Unterhaltszahlungen an den Unterhaltsberechtigten nur dann uneingeschränkt verpflichtet, wenn sein eigener eheangemessener Bedarf nicht beeinträchtigt wird (BGH FamRZ 90, 260).
IV. Billigkeitsunterhalt nach § 1581.
Rn 6
Der in § 1581 genannte angemessene Unterhalt des Unterhaltsverpflichteten steht damit dem vollen eheangemessenen Unterhalt nach §§ 1578 I 1 bzw 1361 gleich (BGH FuR 12, 192).
Rn 7
Der eheangemessene Bedarf des Unterhaltspflichtigen beträgt damit bei einer Alleinverdienerehe und einem Erwerbstätigenbonus von 1/7, 4/7 und von 1/10 55 % seiner Einkünfte plus der Hälfte der Einkünfte, die nach dem reinen Halbteilungsgrundsatz in die Unterhaltsberechnung einzustellen sind. Bei einer Doppelverdienerehe beträgt der eheangemessene Bedarf des Unterhaltsverpflichteten 4/7 bzw 55 % seiner eigenen Einkünfte und 3/7 bzw 45 % der Einkünfte des Unterhaltsberechtigten, je nach Höhe des Erwerbstätigenbonus, sowie wiederum die Hälfte der nach dem Halbteilungsgrundsatz zu berücksichtigenden Rechnungsposten.
Rn 8
Dieser Vorschrift wurde durch die BGH-Rspr zum Wandel der ehelichen Lebensverhältnisse der Anwendungsbereich genommen. Im Grunde gab es keine Fälle von eingeschränkter Leistungsfähigkeit im Sinne der Vorschrift, weil die gesamten einkommenssenkenden Entwicklungen bereits die ehelichen Lebensverhältnisse prägten und deshalb schon auf der Bedarfsebene und nicht erst bei der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen waren. Dies hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 27.1.01 (FamRZ 11, 437) für die Berücksichtigung eines weiteren Ehegattenunterhalts missbilligt, aber im Übrigen hervorgehoben, dass auch unvorhergesehene einkommenssenkende Entwicklungen die ehelichen Lebensverhältnisse prägen, wenn sie nicht vorwerfbar sind und auch bei Fortbestand der Ehe zu berücksichtigen wären. Damit erlangt die Vorschrift ihren ursprünglichen Anwendungsbereich wieder zurück, wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte wieder verheiratet ist und den Unterhalt des neuen Ehegatten berücksichtigt wissen will.
Rn 9
Bsp: Monatliches bereinigtes Nettoeinkommen des Mannes 3.500 EUR.
Eheprägendes monatliches bereinigtes Nettoeinkommen der Frau 1.400 EUR
Zinseinkünfte 200,00 EUR
Wohnvorteil 600,00 EUR
Bedarf der Frau:
9/10 von 3.500,00 EUR |
3.150,00 EUR |
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+ 9/10 von 1.400,00 EUR |
1.260,00 EUR |
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