1. Anwendungsbereich.
Rn 22
Der Selbstbehalt bildet die unterste Opfergrenze für den eigenen angemessenen Bedarf des Unterhaltsverpflichteten. Dies bedeutet, dass er erst dann zu Unterhaltszahlungen in der Lage ist, wenn ihm mindestens dieser notwendige Selbstbehalt verbleibt (BGH FamRZ 90, 260). Ist diese Opfergrenze erreicht, muss der Unterhalt des Unterhaltsberechtigten entsprechend gekürzt werden. Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden, erfolgt die Kürzung proportional.
Rn 23
Berechnung:
Nettoeinkommen des Mannes |
1.800,00 EUR |
Unterhalt für einen erwerbsunfähigen Ehegatten |
|
Bedarfsberechnung |
1.800,00 EUR × 45 % = 810,00 EUR |
Verschärfter Mangelfall, weil der Selbstbehalt von 1.600,00 EUR nicht gewahrt ist
Anspruch der Frau: 200,00 EUR
2. Der Selbstbehalt des Ehegatten nach den Leitlinien der Oberlandesgerichte.
Rn 24
Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte sehen als Selbstbehalt für den unterhaltspflichtigen Ehegatten nahezu durchgängig 1.600,00 EUR vor. Eine Ausnahme bildet nur das OLG Rostock, das in Mangelfällen eine Herabsetzung auf den notwendigen Selbstbehalt von 1.2000,00 bzw 1.450,00 EUR zulässt. Abweichungen gibt es ferner insoweit, als einige Oberlandesgerichte einen geringeren Selbstbehalt vorsehen, wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht erwerbstätig ist. Für diesen Fall sehen die Oberlandesgerichte Celle, Braunschweig, Hamm, Karlsruhe, Stuttgart und der 2. Senat von Zweibrücken sowie das OLG Frankfurt und nunmehr auch OLG Düsseldorf einen geringeren Selbstbehalt von 1.475,00 EUR vor. Ob die übrigen Oberlandesgerichte an einem einheitlichen Selbstbehalt für erwerbstätige und nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige festhalten werden, erscheint im Hinblick auf die Entscheidung des BGH (NJW 20, 243 [BGH 16.10.2019 - XII ZB 341/17]) zweifelhaft.
3. Änderungen des Selbstbehalts.
Rn 25
Änderungen des notwendigen Selbstbehalts kommen dann in Betracht, wenn der Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen auf andere Weise sichergestellt ist, die in die Selbstbehaltsätze eingearbeiteten Mietaufwendungen von den tatsächlichen Mietkosten abweichen oder die Lebenshaltungskosten durch Zusammenleben mit einem neuen Partner gesenkt werden.
a) Sonstige Deckung der Lebenshaltungskosten.
Rn 26
Ist der Unterhaltspflichtige in einem Pflege- oder Altenheim untergebracht, wird der größte Teil des Lebensbedarfs durch Leistungen des Heimträgers gedeckt. In diesem Fall braucht ihm nicht der notwendige Selbstbehalt in vollem Umfange belassen zu werden. Es reicht vielmehr aus, wenn ihm von seinem Einkommen ein Betrag verbleibt, der seine restlichen Bedürfnisse deckt (Scholz in Wendl/Staudigl § 2 Rz 270).
b) Berücksichtigung von Mietkosten.
Rn 27
Die Leitlinien der meisten Oberlandesgerichte geben Auskunft über den Wohnkostenanteil, der in ihren Selbstbehaltsätzen enthalten ist. Dabei werden die Wohnkosten teilweise untergliedert nach Werten für Warm- und Kaltmiete, teilweise wird nur die Warmmiete ausgewiesen. Nicht berücksichtigt werden bei der Warmmiete bzw bei der Trennung von Kaltmiete und Mietnebenkosten die Kosten für den Allgemeinstrom. Diese werden idR vom Mieter direkt bezahlt und nicht als Nebenkosten behandelt.
Rn 28
Übersteigen die tatsächlichen Wohnkosten die in den Selbstbehaltsätzen ausgewiesenen Wohnkosten oder liegen sie darunter, besteht Veranlassung, den notwendigen Selbstbehalt unter Berücksichtigung dieses Umstandes zu überprüfen.
aa) Höhere Miete als die in den Selbstbehaltsätzen berücksichtigten Wohnkosten.
Rn 29
Sind die tatsächlichen Wohnkosten des unterhaltsverpflichteten Ehegatten höher als in den Selbstbehaltsätzen ausgewiesen, ist zunächst zu prüfen, ob dem Unterhaltsverpflichteten aufgrund der Mietbelastung ein Anspruch auf Wohngeld zusteht (Bambg FamRZ 93, 66). Maßgeblich ist dabei nicht das tatsächliche Wohngeld, sondern der Anspruch auf Wohngeld. Ein solcher Anspruch ist jedoch nach dem Wohngeldgesetz nur in den seltensten Fällen gegeben, weil die Unterhaltszahlungen, die das verfügbare Einkommen erheblich beeinträchtigen, in § 12a WoGG nur unzureichend berücksichtigt werden.
Rn 30
Als nächstes ist zu prüfen, ob die Überschreitung des Wohnkostenanteils durch den Unterhaltsverpflichteten vermeidbar ist (KG FamRZ 94, 1047). Der Unterhaltsverpflichtete ist gehalten, sich um eine preisgünstigere Wohnung zu bemühen. Er hat darzulegen und zu beweisen, dass er dieser Obliegenheit nachgekommen ist.
Rn 31
Bewohnt der Unterhaltsverpflichtete die Wohnung nicht allein, sondern mit anderen Personen, haben diese sich an den Mietkosten zu beteiligen. Bei Erwachsenen geschieht die Aufteilung idR nach Köpfen. Bei Kindern ist danach zu unterscheiden, ob ihnen Unterhalt gewährt wird. In die Tabellenbeträge nach der Düsseldorfer Tabelle ist ein Mietaufwand von 20 % eingearbeitet (KG FamRZ 94, 1047). Dies lässt es gerechtfertigt erscheinen, 20 % des Barunterhalts zur Deckung der Mietkosten zu berücksichtigen.
Bei Kindern, für die kein Unterhalt gezahlt wird, erscheint es angemessen, die Hälfte der auf einen Erwachsenen umzulegenden Mietkosten anzusetzen.
Letzte Voraussetzung ist, dass die danach berücksichtigungsfähigen Mietkosten den in die Selbstbehaltsätze eingearbeiteten Wohnkostenanteil erheblich überschreiten (BGH FamRZ 84, 1000).
Rn 32
Die Erhöhung des notwendigen Selbstbeha...