Gesetzestext
(1) Wegen eines Sonderbedarfs (§ 1613 Abs. 2) kann der Berechtigte Unterhalt für die Vergangenheit verlangen.
(2) Im Übrigen kann der Berechtigte für die Vergangenheit Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur entsprechend § 1613 Abs. 1 fordern.
(3) Für eine mehr als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit kann Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur verlangt werden, wenn anzunehmen ist, dass der Verpflichtete sich der Leistung absichtlich entzogen hat.
Rn 1
Grds kann Unterhalt für die Vergangenheit nicht verlangt werden (›praeteritum non vivitur‹). § 1585b enthält Ausnahmen von diesem Grundsatz. Nach § 1585b I kann Sonderbedarf für die Vergangenheit geltend gemacht werden, weil es oft aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, den Verpflichteten in Verzug zu setzen oder ihn gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Laufender Unterhalt kann gem § 1585b II ab Verzug oder Rechtshängigkeit verlangt werden, weil sich der Verpflichtete in diesen Fällen auf die Zahlungen einstellen konnte. Eine zeitliche Grenze von einem Jahr vor Rechtshängigkeit setzt III sowohl für Sonderbedarf als auch für laufenden Unterhalt (vgl jedoch auch Rn 5).
Rn 2
Auch der geschiedene Ehegatte kann neben dem laufenden Unterhalt unter bestimmten Voraussetzungen Sonderbedarf verlangen. Sonderbedarf ist ein unregelmäßiger, außergewöhnlich hoher Bedarf. Es muss sich um einen Bedarf handeln, der nicht mit Wahrscheinlichkeit voraussehbar war und demgemäß bei der Bemessung des laufenden Unterhalts nicht berücksichtigt werden konnte (BGH FamRZ 06, 612; FamRZ 01, 1603). Für mehr als ein Jahr zurückliegende Ansprüche bleibt es dagegen nach § 1613 II 1 bei der generellen Regelung nach §§ 1613 I, 1585b III.
Rn 3
Ein Unterhaltsgläubiger kann für die Vergangenheit ausnahmsweise nachehelichen Unterhalt oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen, wenn sich der Schuldner in Verzug (§ 286 I) befand (Schlesw FuR 09, 537) oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Verzug erfordert Mahnung nach Fälligkeit. Eine Zuvielforderung im Mahnschreiben schadet nicht. Verzug tritt dann nur in der geschuldeten Höhe ein. Verlangt der Gläubiger dagegen mit der Mahnung zu wenig, begründet dies keinen Verzug auf einen höheren als den begehrten Betrag (BGH FamRZ 04, 1177). Rechtshängigkeit des Unterhaltsanspruchs tritt mit förmlicher Zustellung des Antrags ein (§§ 253 I; 261 I ZPO), bei einer Unterhaltserhöhung ab Zustellung des entsprechenden Schriftsatzes oder der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung, § 261 II ZPO. Bei einem Stufenantrag tritt auch für den mit dem Auskunftsbegehren verbundenen unbezifferten Unterhaltsantrag bereits mit Zustellung des-Antrags Rechtshängigkeit des gesamten Verfahrens ein (BGH FamRZ 90, 283). Allein ein Verfahrenskostenhilfegesuch bewirkt hingg keine Rechtshängigkeit (BGH FamRZ 92, 920), steht jedoch einer verzugsbegründenden Mahnung gleich. Haben geschiedene Eheleute den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt vertraglich geregelt, kann der Gläubiger rückständigen Unterhalt grds auch für eine Zeit verlangen, in der der Schuldner nicht in Verzug war und der Anspruch nicht rechtshängig geworden ist. Für eine länger als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann jedoch auch der vertraglich geregelte Unterhalt nur unter den Voraussetzungen des § 1585b III verlangt werden (BGH FamRZ 89, 150).
§ 1585b II beseitigt Disparitäten zwischen Familien-, Trennungs-, Verwandten- und nachehelichem Unterhalt. Durch die Verweisung in § 1585b II auf § 1613 I sind die Voraussetzungen, nach denen Unterhalt für die Vergangenheit gefordert werden kann, vereinheitlicht. Erforderlich bleibt, dass die Auskunft nach Rechtskraft der Scheidung begehrt wird (arg: Nichtidentität von Trennungs- und nachehelichem Unterhalt; BGH FamRZ 92, 920). Altersvorsorgeunterhalt kann für die Vergangenheit geltend gemacht werden, auch wenn er nicht ausdrücklich angemahnt wurde. Es reicht für die Inanspruchnahme des Pflichtigen aus, dass Auskunft mit dem Ziel der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs begehrt wird (BGH FamRZ 07, 193; 07, 1532).
Auch im Abänderungsverfahren (§ 238 III 2 FamFG) kann rückständiger Unterhalt nach § 1585b II für die Zeit vor Anhängigkeit des Abänderungsantrags geltend gemacht werden.
Rn 4
§ 1585b III will den Berechtigten veranlassen, sich um eine zeitnahe Verwirklichung des Unterhaltsanspruchs zu bemühen (BGH FamRZ 18, 681; Köln FuR 17, 402; Zweibr FamRZ 16, 2110). Es handelt sich um einen gesetzlich geregelten Fall der Verwirkung. Für den Anspruch auf Freistellung von Steuernachteilen, die dem unterhaltsberechtigten Ehegatten infolge seiner Zustimmung zum begrenzten Realsplitting entstehen können, ist § 1585b III weder unmittelbar noch entspr anwendbar (BGH NJW 05, 2223 [BGH 11.05.2005 - XII ZR 108/02]). Der Schutz des Schuldners vor der Inanspruchnahme für eine Zeit, die ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegt, gilt sowohl für den laufenden Unterhalt als auch für den Sonderbedarf. Er gilt ...