Rn 6
Während in der Vergangenheit bei Eheverträgen nahezu völlige Vertragsfreiheit angenommen wurde, hat sich die Rspr insb aufgrund der Entscheidungen des BVerfG (FamRZ 01, 343) und des BGH (FamRZ 04, 601) stark gewandelt. Eheverträge unterliegen der Inhaltskontrolle zu zwei verschiedenen Zeitpunkten mit unterschiedlichen Prüfungskriterien und andersartigen Rechtsfolgen: Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist die Vereinbarung iRd Wirksamkeitskontrolle (vgl Rn 7) zu prüfen auf Sittenwidrigkeit gem § 138 mit der evtl Folge der gänzlichen Nichtigkeit (BGH FamRZ 18, 1445; 17, 884; 14, 629). Wird eine Unterhaltsvereinbarung für nichtig erachtet, hat die anzuordnende Rechtsfolge im Lichte der Regelungen des UändG und der damit herbeigeführten Änderungen (Stärkung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Eigenverantwortung, frühere Erwerbsobliegenheit etc) zu erfolgen (BGH FamRZ 11, 1377; Büte FuR 11, 121). Haben die Beteiligten eine lebenslängliche Unterhaltsverpflichtung in einem Ehevertrag vereinbart und ändert sich später die Rechtslage, etwa Einführung des § 1578b, soll sich der Pflichtige im Zweifel auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufen dürfen (BGH FamRZ 12, 525). Die richterliche Inhaltskontrolle kann sich nicht nur zugunsten, sondern auch zu Lasten des Unterhaltsberechtigten auswirken (BGH FamRZ 09, 198). Es geht um den Ausgleich ehebedingter, nicht scheidungsbedingter, Nachteile (BGH NJW 18, 2871; FamRZ 08, 582). Durch eine richterliche Vertragsanpassung darf der Ehegatte nicht bessergestellt werden, als er sich ohne die Ehe von seinem mit dieser einhergehenden Erwerbsverzicht stände (BGH NJW 18, 2871 [BGH 20.06.2018 - XII ZB 84/17]). Bei Scheitern der Lebensgemeinschaft der Parteien wird mit Hilfe der Ausübungskontrolle nach § 242 (vgl BGH FamRZ 20, 171; 20, 21; vgl zu Einzelheiten BornFF 21, 149; 21, 180; Wellenhofer NZFam 20, 645 und Rn 7) untersucht, ob die durch den Ehevertrag vereinbarten Rechtsfolgen nach dem Eintritt unerwarteter Veränderungen für den im Vertrag benachteiligten Ehepartner noch hinnehmbar erscheinen; andernfalls erfolgt eine richterliche Vertragsanpassung. Ziel beider Überprüfungen ist es, eine evident einseitige und nicht hinnehmbare Lastenverteilung zu korrigieren. Im Rahmen der Ausübungskontrolle, welche die Rechtswirksamkeit des Ehevertrags nicht infrage stellt, wird der Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen entsprechend den Grundsätzen des § 313 einer von den Eheleuten bei Vertragsschluss so nicht antizipierten Lebenswirklichkeit inhaltlich angepasst. Diese Anpassung kann, wenn auch nur in besonderen Sachverhaltskonstellationen, (vgl bereits BGH NZFam 14, 1132) auch in der Weise erfolgen, dass unter dem Gesichtspunkt einer Funktionsäquivalenz von Versorgungs- und Zugewinnausgleich die Ausübungskontrolle durch ein ›Hinübergreifen‹ in das andere Ausgleichssystem einen Zugewinnausgleich generiert, der bei klassischem Verständnis der Kernbereichslehre wegen der Kernbereichsferne des Güterrechts eigentlich nicht in Betracht kommen dürfte. Diese Rspr war zwar in der Praxis angesichts der ansonsten nicht zu schließenden Gerechtigkeitsdefizite wohlwollend aufgenommen worden, bedurfte aber noch der Bestätigung und Konkretisierung, da in der Leitentscheidung nur der von einem Hinübergreifen ausdrücklich ausgeschlossene Versorgungsausgleich geltend gemacht war und die innovative Begriffsbildung durch den BGH daher zu weiten Teilen außerhalb der tragenden Entscheidungsbegründung erfolgte (BGH FamRZ 18, 1415; Milzer NZFam 18, 897).
Die vom BVerfG und BGH entwickelten Grundsätze zur richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen sind auf Scheidungsvereinbarungen entspr anzuwenden (Celle FamRZ 07, 1567; 04, 1969; 1202; Borth FamRZ 04, 609), desgleichen auf nachehelich getroffene Vereinbarungen (Münch FamRZ 05, 215) und in Ausnahmefällen auf Trennungsvereinbarungen.
Rn 7
Unter welchen Voraussetzungen eine Vereinbarung, durch welche Ehegatten ihre unterhaltsrechtlichen Verhältnisse (oder ihre Vermögensangelegenheiten) für den Scheidungsfall abw von den gesetzlichen Vorschriften regeln, unwirksam ist (§ 138) oder eine Berufung auf alle oder einzelne vertragliche Regelungen unzulässig macht (§ 242), lässt sich nicht allg und für alle denkbaren Fälle beantworten (zu Einzelheiten vgl Kommentierung zu § 1408). Die Scheidungsfolgen sind grds disponibel (BGH FamRZ 07, 1310; 06, 1359; FamRZ 06, 1437; 05, 1449). Modifikationen des gesetzlichen Leitbildes der gleichen Teilhabe sind nicht ausgeschlossen (BVerfG FamRZ 11, 436). Jedoch darf die grds Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Dies wäre aber der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen...