Gesetzestext
(1) Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
(2) Ein minderjähriges Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.
A. Unterhaltsbedürftigkeit.
I. Minderjährige Kinder.
Rn 1
Minderjährige Kinder sind – bis auf seltene Ausnahmefälle – bedürftig, weil sie entweder eine Schule besuchen oder für einen Beruf ausgebildet werden und daher nicht in der Lage sind, sich selbst angemessen zu unterhalten.
II. Volljährige Kinder.
Rn 2
Volljährige Kinder sind unterhaltsbedürftig, wenn sie sich in einer Ausbildung befinden oder wegen Krankheit nicht in der Lage sind, ihren Unterhalt selbst sicherzustellen. Schwangerschaft oder Betreuung eines eigenen Kindes steht der Unterhaltsbedürftigkeit nicht entgegen (BGH FamRZ 85, 273). Vorrangig unterhaltsverpflichtet ist jedoch der Vater des Kindes des Volljährigen gem § 1615l. Der Volljährigenunterhalt kann jedoch über den Drei-Jahres-Zeitraum hinausgehen. Im Hinblick auf das Alter des Kindes ist die Mutter jedoch an einer Erwerbstätigkeit nicht gehindert. Beachtlich sind ausschl andere Gründe, die einer Erwerbstätigkeit entgegenstehen (Oldenburg, FamRZ 91, 1090; BGH FamRZ 85, 1245). Dies ist zB dann der Fall, wenn ein volljähriges Kind sein Studium danach fortsetzt. Die Unterhaltsbedürftigkeit wird in diesem Falle nicht von 1615l erfasst, da die Kindesbetreuung dafür nicht ursächlich ist. (BGH FamRZ 15, 1369; aA Nürnberg FuR 2010, 15). Arbeitslosigkeit begründet nur dann eine Unterhaltsverpflichtung, wenn dem Volljährigen ein Verstoß gegen eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit nicht vorzuwerfen ist (BGH FamRZ 87, 930; 85, 1245). Der Volljährige muss insoweit Arbeit jeder Art, auch berufsfremde Tätigkeiten aufnehmen. Absolventen eines freiwilligen sozialen Jahres sind idR nicht unterhaltsbedürftig, da freie Unterkunft, freie Verpflegung und Zahlung eines Taschengeldes für die Bedarfsdeckung ausreichen. Eine Teilzeitausbildung steht einer eingeschränkten Erwerbsobliegenheit nicht entgegen (Ddorf FuR 10, 585).
III. Eltern.
Rn 3
Die Unterhaltsbedürftigkeit von Eltern beruht weniger darauf, dass sie über keine ausreichende Altersversorgung verfügen, als vielmehr auf hohen Kosten eines Alters- oder Pflegeheims, dessen Kosten durch Leistungen der Sozialhilfe nicht gedeckt werden. Dieser Mehrbedarf ist ein unselbständiger Bestandteil des Unterhaltsanspruchs und führt ebenfalls zur Bedürftigkeit.
B. Bedarfsdeckende Einkünfte.
I. Schülerarbeit.
Rn 4
Bei Schülern sollten Einkünfte nicht angerechnet werden, wenn sie nur in geringem Umfange erzielt werden. Dies gilt insbes dann, wenn das Kind seine schulischen Pflichten erfüllt (Köln FamRZ 96, 1101).
II. Studentenarbeit.
Rn 5
Studenten haben ebenfalls keine Erwerbsobliegenheit, auch nicht während der Semesterferien. Erzielen sie Einkünfte, ist gem § 1577 II analog zu prüfen, ob ein Teil unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse und aufgrund sonstiger Billigkeitserwägungen anrechnungsfrei zu bleiben hat (Wendl/Dose/Klinkhammer § 2 Rz 88). Eine Anrechnung kommt nicht in Betracht, wenn die Erwerbstätigkeit deswegen aufgenommen wurde, weil der Unterhaltsverpflichtete keinen Unterhalt gezahlt hat (Hamm 97, 231).
III. Ausbildungsvergütung.
Rn 6
Ausbildungsvergütungen, Ausbildungsbeihilfen, Zuschüsse während eines Praktikums und ähnl Bezüge sind anrechenbare Einkünfte des Auszubildenden/Dose/Klinkhammer § 2 Rz 90). Ob die Ausbildungsvergütung um eine Ausbildungspauschale zu bereinigen ist, wird von den Oberlandesgerichten unterschiedlich beurteilt. Regelungen finden sich in den jeweiligen Leitlinien unter 10.2.3. Bei Minderjährigen ist die Ausbildungsvergütung zur Hälfte auf beide Elternteile aufzuteilen, weil sie auch dem Elternteil, der den Betreuungsunterhalt leistet, zugutekommen soll. Bei volljährigen Kindern ist sie demggü in voller Höhe auf den Bedarf anzurechnen (BGH FamRZ 88, 159; 80, 1109).
IV. Kindergeld.
Rn 7
Kindergeld ist gem § 1612b I und II nunmehr bedarfsdeckend anzurechnen.
V. Halbwaisenrente.
Rn 8
Die Halbwaisenrente ist als eigenes Einkommen des Kindes auf den Bedarf anzurechnen. Dadurch kommt sie dem überlebenden Elternteil in voller Höhe zugute, wenn das Kind bei Dritten lebt (BGH FamRZ 06, 1597; FamRZ 80, 1109; Stuttgart FamRZ 01, 1241). Lebt das Kind bei dem verbliebenen Elternteil, ist die Halbwaisenrente nur zur Hälfte anzurechnen (BGH FuR 09, 411).
VI. Rente wegen Körperbehinderung.
Rn 9
Gem § 1610a wird gesetzlich vermutet, dass ein Behinderter die wegen der Behinderung empfangenen Sozialleistungen auch tatsächlich für den mit der Behinderung verbundenen Mehrbedarf benötigt. Dafür spricht eine Vermutung, so dass der Unterhaltsverpflichtete darlegen und beweisen muss, dass diese Rente Einkommensfunktion hat.
VII. Anrechnung eines Versorgungsentgelts.
Rn 10
Lebt das volljährige Kind mit einem anderen Partner in einer nichtehelichen Gemeinschaft zusammen, kommt die Anrechnung eines Versorgungsentgelts entspr den Grundsätzen zum Ehegattenunterhalt in Betracht (BGH FamRZ 89, 487). Ist der neue Lebenspartner nicht leistungsfähig, können nur geringe Ersparnisse durch das Zusammenleben bedarfsdeckend berücksichtigt w...