Rn 1
Das Recht und die Pflicht zur elterlichen Sorge sind in Art 6 II 1 GG verfassungsrechtlich verankert. Demnach sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern. Dieses Individualgrundrecht, das jedem Elternteil einzeln zusteht, garantiert den Vorrang der Eltern, ihre Eigenständigkeit und Selbstverantwortlichkeit bei der Pflege und Erziehung der Kinder ggü staatlichen Eingriffen (BVerfGE 24, 1, 138; FamRZ 09, 1897; 10, 713; 22, 1690; EGMR FamRZ 21, 853 zur Zulässigkeit einer Impfpflicht). Zugleich normiert Art 6 II 1 GG die Pflicht der Eltern zur Pflege und Erziehung der Kinder als wesensbestimmender Bestandteil des Elternrechts, das deshalb treffender als Elternverantwortung bezeichnet werden kann (BVerfGE 24, 1, 143; 56, 363, 381; FamRZ 22, 1690; 23, 130: Pflicht zum Nachweis einer Masernimpfung verfassungsgemäß). Diese Pflichtenbindung ist mehr als eine bloße Schranke und unterscheidet das Elternrecht von allen anderen Grundrechten (BVerfGE 24, 1, 143; 56, 363, 381).
Rn 2
Dem Elternrecht steht das staatliche Wächteramt ggü, das in Art 6 II 2 GGseinen Ausdruck gefunden hat. Bei Versagen der Eltern ist der Staat nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen (BVerfGE 24, 1, 144; FamRZ 22, 1776). Diese staatliche Verpflichtung ist Ausfluss der Grundrechte des Kindes auf Wahrung seiner Menschenwürde (Art 1 I GG) und freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art 2 I Gg; BVerfGE 24, 1, 144). Dabei bestimmt das Wohl des Kindes und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Art und Ausmaß der staatlichen Maßnahmen. Für den Fall der Trennung des Kindes von seinen Eltern ist dies in Art 6 II GG besonders geregelt, der wiederum in § 1666a seinen Niederschlag gefunden hat.
Rn 3
Grundrechtsträger des durch Art 6 II 1 GG geschützten Elternrechts sind die leiblichen Eltern des Kindes, im Falle der Adoption die Adoptiveltern; ebenso der (nur) rechtliche Vater, der Elternverantwortung wahrnimmt (BVerfG FamRZ 08, 960). Auch die Väter nichtehelicher Kinder sind Träger des Elternrechts aus Art 6 II 1 GG, und zwar unabhängig davon, ob sie mit der Mutter des Kindes zusammenleben oder mit dieser gemeinsam Erziehungsaufgaben wahrnehmen (BVerfGE 92, 158). Doch ist der Gesetzgeber befugt, bei der Ausgestaltung der konkreten Rechte beider Elternteile die unterschiedlichen tatsächlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (BVerfGE 92, 158 [BVerfG 07.03.1995 - 1 BvR 790/91]). Der leibliche, aber nicht rechtliche Vater (sog biologischer Vater) bildet mit seinem Kind eine von Art 6 I GG geschützte Familie, wenn zwischen ihm und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht (BVerfG FamRZ 03, 816; s § 1685 Rn 3). Träger des Elternrechts nach Art 6 II 1 GG ist in diesen Fällen aber nur der rechtliche (Gilt-)Vater.