I.
Rn 1
Die elterliche Sorge enthält neben der Pflicht und dem Recht zur tatsächlichen Betreuung und Erziehung des Kindes, die rechtliche Befugnis das Kind nach außen hin zu vertreten. Diese in I 1 normierte gesetzliche Vertretung des Kindes im Außenverhältnis korrespondiert immer mit der Berechtigung zur tatsächlichen Sorge im Innenverhältnis. Da die gesetzliche Vertretungsmacht aus der elterlichen Sorge erwächst, besteht sie nur in dem Umfang, in dem der Elternteil auch Inhaber der elterlichen Sorge ist.
Rn 2
Die Vertretungsmacht der Eltern umfasst das Recht im Namen des Kindes alle Rechtshandlungen, insb Rechtsgeschäfte und Einwilligungen (in medizinische Maßnahmen) mit Wirkung für und gegen das Kind vorzunehmen. Es besteht aber keine Vermutung, dass die Eltern in Angelegenheiten, die das Kind betr, auch das Kind verpflichten wollen. Im Zweifel ist unter Beachtung des § 164 und der hierzu entwickelten Rechtsfiguren durch Auslegung zu ermitteln, ob die Eltern im Namen des Kindes oder im eigenen Namen gehandelt haben (Grüneberg/Götz § 1629 Rz 3).
Rn 3
Die Vertretungsmacht der Eltern ist verschiedentlich durch G beschränkt (vgl § 1629 II 1 und § 1631c); auch die Beschränkung durch gerichtliche Anordnung (vgl § 1629 II 3 und §§ 1666 ff) oder bei Zuwendung Dritter (§§ 1638f) ist möglich. Bei der Einwilligung in einen ärztlichen Heileingriff ist zu beachten, dass diese nicht mehr wirksam von den Eltern als gesetzliche Vertreter erklärt werden kann, wenn das Kind aufgrund seiner Verstandesreife die Tragweite des Eingriffs und der erteilten Einwilligung selbst erfassen kann (Hamm FamRZ 20, 340; Grüneberg/Götz § 1629 Rz 4; Spickhoff FamRZ 18, 412). Dies dürfte regelmäßig bei einem normal entwickelten Kind etwa ab dem 16. Lebensjahr der Fall sein. Nach Hamm (FamRZ 20, 340) bedarf eine Minderjährige auch zum Schwangerschaftsabbruch nicht der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter, wenn sie einwilligungsfähig ist. Demgegenüber soll nach Frankf (FamRZ 20, 336 m Anm Götz) bei ärztlichen Eingriffen schwererer Art mit nicht unbedeutenden Risiken (so etwa Zirkumzision) die Einwilligung des Minderjährigen nicht genügen und zusätzlich auch der Einwilligung (und zuvor der Aufklärung) der Sorgeberechtigten (›Co-Konsens‹) bedürfen.
Rn 4
IR ihrer Vertretungsmacht können die Eltern auch Dritten eine rechtsgeschäftliche Vollmacht zur Vertretung des Kindes erteilen. Dies ist sowohl in Bezug auf einzelne Angelegenheiten als auch in Form einer generellen Vollmacht möglich, soweit die Widerruflichkeit gewahrt ist und keine versteckte Sorgerechtsübertragung vorliegt. Dritter kann auch der andere Elternteil sein, unabhängig davon, ob er sorgeberechtigt ist (vgl auch Geiger/Kirsch FamRZ 09, 1879).
II.
Rn 5
Sofern und soweit beide Eltern Inhaber der gesetzlichen Vertretungsmacht sind, können sie gem I 2 Hs 1 das Kind nur gemeinsam aktiv vertreten. Deshalb ist eine Rechtshandlung nur dann wirksam, wenn sie beide Eltern vornehmen. Eine Bevollmächtigung, die im Einzelfall auch stillschweigend erfolgen kann, ist aber zulässig (BGH FamRZ 20, 1171); ebenso gelten die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht (BGH FamRZ 88, 1142, 1143). Handelt ein Elternteil ohne die erforderliche Mitwirkung des anderen Elternteils, kommt eine Haftung gem §§ 177 ff in Betracht. Dieses Prinzip der Gesamtvertretung gilt aber nicht bei passiver Stellvertretung. Insoweit genügt gem I 2 Hs 2 die Abgabe der Willenserklärung ggü einem Elternteil.
Rn 6
Die Einwilligung der Eltern in einen ärztlichen Eingriff bei ihrem Kind ist zwar kein Rechtsgeschäft, sondern Gestattung oder Ermächtigung zur Vornahme tatsächlicher Handlungen, die in den Rechtskreis des Gestattenden eingreifen, doch ist auch diese Einwilligung Ausübung der elterlichen Personensorge mit der Folge, dass sie wirksam nur im Einvernehmen beider Eltern erteilt werden kann (BGH FamRZ 88, 1142, 1143). In ›Routinefällen‹ wird der Arzt darauf vertrauen dürfen, dass der Elternteil, der mit dem Kind vorspricht, aufgrund einer allg Funktionsaufteilung zwischen den Eltern auf diesem Teilgebiet der Personensorge oder einer konkreten Absprache ermächtigt ist, für den Abwesenden die erforderliche Einwilligung in ärztliche Heileingriffe nach Beratung durch den Arzt mit zu erteilen. Geht es allerdings um schwierige und weitreichende Entscheidungen über die Behandlung des Kindes, die mit erheblichen Risiken verbunden sind, dann liegt eine Ermächtigung des einen Elternteils zur Einwilligung in ärztliche Eingriffe bei dem Kind durch den anderen nicht von vornherein nahe. Hier muss sich der Arzt Gewissheit verschaffen, dass der nicht erschienene Elternteil mit der vorgesehenen Behandlung des Kindes einverstanden ist (BGH FamRZ 88, 1142, 1143; NJW 10, 2430; München FamRZ 09, 2099; Frankf FamRZ 20, 336). Wird ein minderjähriges Kind von seinen Eltern in einer Arztpraxis zur medizinischen Behandlung vorgestellt, kommt der Behandlungsvertrag idR zwischen den Eltern und dem Behandelnden als Vertrag zugunsten des Kindes gem §§ 630a, 32...