a) Die Auslegungsregel.
Rn 33
Für unternehmensbezogene Rechtsgeschäfte hat die Rspr die Auslegungsregel (›im Zweifel‹; zur Beweislast s Rn 85) entwickelt, dass der Inhaber des Unternehmens als natürliche oder als juristische Person, in dessen Tätigkeitsbereich das rechtsgeschäftliche Handeln fällt, und nicht der für das Unternehmen Handelnde Vertragspartei werden soll (BGH NJW-RR 21, 1223 Rz 14; NJW 12, 3368 Rz 10; 95, 43; LAG Hamm jurisPR-ArbR 27/23 Anm 2). Das gilt auch, wenn der Vertragspartner den Vertreter für den Betriebsinhaber hält (BGHZ 62, 216, 221), dieser falsch bezeichnet ist oder der Vertragspartner aus sonstigen Gründen eine falsche Vorstellung über den Inhaber hat (BGH NJW 98, 2897 [BGH 18.05.1998 - II ZR 355/95]). Ein Irrtum über die Person des Vertragspartners kann allenfalls ein Anfechtungsrecht nach § 119 II begründen (Grüneberg/Ellenberger Rz 2). Die Grundsätze über unternehmensbezogene Geschäfte ändern nichts an dem Offenkundigkeitsprinzip. Ihre Anwendung setzt daher voraus, dass der Handelnde sein Auftreten für das Unternehmen hinreichend deutlich macht (BGH NJW-RR 21, 1223 Rz 14; NJW 00, 2985, 2984 [BGH 04.04.2000 - XI ZR 152/99]). Der Inhalt des Rechtsgeschäfts – ggf iVm dessen Begleitumständen (Ort des Vertragsschlusses, Zusätze zur Unterschrift) muss die eindeutige Auslegung ergeben, dass ein bestimmtes Unternehmen Vertragspartei werden soll (BGH NJW-RR 21, 1223 Rz 14). Hierfür genügt es, wenn die Leistung für den Betrieb des Unternehmens bestimmt ist (BGH NJW-RR 97, 527, 528 [BGH 11.12.1996 - IV ZR 284/95]) oder nur von dem Unternehmen erbracht werden kann (BGH NJW 12, 3368 [BGH 31.07.2012 - X ZR 154/11] Rz 10f). Verbleiben insoweit Zweifel, gilt der II zu entnehmende Auslegungsgrundsatz des Handelns im eigenen Namen (BGH NJW-RR 21, 1223 [BGH 10.06.2021 - III ZR 38/20] Rz 14; NJW 95, 43, 44 [BGH 13.10.1994 - IX ZR 25/94]). Existiert der Unternehmensträger nicht oder besaß der Vertreter keine Vollmacht, für den Unternehmensträger zu handeln, haftet der Vertreter nach § 179 (BGHZ 91, 148, 152). Vor Abschluss des Gesellschaftsvertrages wird die eine spätere GmbH-Tätigkeit vorbereitende Personenvereinigung (Vorgründungsgesellschaft) Vertragspartei, es sei denn, die Auslegung des von den Gründern eingegangenen Rechtsgeschäfts ergibt, dass ausschließlich die erst zu gründene GmbH berechtigt und verpflichtet werden soll mit der Folge, dass das Rechtsgeschäft der Genehmigung nach § 177 bedarf (BGH NJW 21, 2038 [BGH 15.04.2021 - III ZR 139/20] Rz 24).
b) Einzelfälle.
Rn 34
Die Grundsätze des unternehmensbezogenen Rechtsgeschäfts finden insb in folgenden Fällen Anwendung: Anmietung eines Wohnmobils (BGH NJW 12, 3368 Rz 9 ff), Reparaturauftrag für ein Kfz (BGH NJW 08, 1214 Rz 11; Köln VRS 89, 322, 323f), Anmietung von Geschäftsräumen (Brandbg NJW-RR 99, 1606, 1607), Architektenauftrag für ein Bauunternehmen, das Eigentümer des zu beplanenden Grundstücks ist (Köln NJW-RR 99, 1615f), Kündigung eines Arbeitsvertrages (BAG ZIP 96, 799, 800), Abschluss eines Versicherungsvertrages (BGH VersR 97, 477, 478). Handelt ein GmbH-Geschäftsführer, ist es eine Frage des Einzelfalles, ob er die Erklärung in eigenem Namen oder im Namen der GmbH abgibt (BGH NJW-RR 02, 822 [BGH 18.02.2002 - II ZR 358/99]; NJW 00, 2984, 2985 [BGH 04.04.2000 - XI ZR 152/99]).
c) Rechtsscheinhaftung.
Rn 35
UU trifft den Handelnden eine gesamtschuldnerisch neben die Haftung des Unternehmensinhabers tretende Rechtsscheinhaftung analog § 179. Anerkannt ist eine solche Haftung insb in Fällen, in denen der Handelnde in zurechenbarer Weise den Anschein erweckt, dass der Unternehmensträger unbeschränkt für die Verbindlichkeiten haftet, etwa wenn er als Vertreter für eine GmbH ohne den nach § 4 GmbHG vorgeschriebenen Formzusatz zeichnet (BGH NJW 12, 2871 Rz 9 ff) bzw bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung niederländischen Rechts den Rechtsformzusatz ›BV‹ weglässt (BGH WM 07, 833 Rz 8 ff; für die GmbH & Co KG: BGHZ 71, 354, 356). Für die Rechtsscheinhaftung genügt es nicht, dass bei mündlichen Verhandlungen (BGH NJW 96, 2645) oder im Emailverkehr (Schlesw OLGR 09, 309) der Formzusatz weggelassen wird. Auch kommt sie nicht in Betracht, wenn der Geschäftsgegner erwartet, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftungsmasse als Geschäftsgegner zu erhalten, in Wahrheit aber eine natürliche Person als Unternehmensträger haftet (BGH NJW 98, 2897; Kobl NJW-RR 04, 345, 346; aA Zweibr NZG 98, 939). Nach der Rspr des BGH trifft die Haftung ausschließlich den für die Gesellschaft auftretenden Vertreter (BGH WM 07, 833 Rz 14 ff mwN). Der Handelnde hat darzulegen und zu beweisen, dass sein Vertragsgegner die wahren Verhältnisse kannte oder kennen musste oder dass diese für ihn im konkreten Fall keine Rolle gespielt haben (BGH NJW 12, 1287 [BGH 29.02.2012 - XII ZB 609/10] Rz 27). Die gleichen Grundsätze finden Anwendung, wenn ein Geschäftsübergang nicht hinreichend kenntlich gemacht wird (Hamm NJW-RR 95, 418f [OLG Hamm 10.05.1994 - 29 U 193/93]). Die Rechtsscheinhaftung des Handelnden analog § 179 greift auch ...