Rn 70
In der Rspr des BGH ist seit langem anerkannt, dass der Vertretene als besondere Ausgestaltung des § 242 bereits unterhalb der Schwelle der Kollusion geschützt ist, wenn der Vollmachtsmissbrauch (zu dem Begriff s Rn 67) dem Geschäftsgegner bekannt oder wegen Evidenz des Missbrauchs ohne weitere Nachforschungen hätte bekannt sein müssen (BGH NZI 21, 197 [BGH 29.10.2020 - IX ZR 212/19] Rz 9; vgl BGH NJW 90, 384, 385 [BGH 03.10.1989 - XI ZR 154/88]: grob fahrlässige Unkenntnis). Das ist der Fall, wenn der Vertreter unter Überschreitung der ihm im Innenverhältnis gesetzten Schranken von der Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch macht, sodass beim Vertragspartner begründete Zweifel entstehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters ggü dem Vertretenen vorliegt (BGH NJW 17, 3373 Rz 20). An die Evidenz des Missbrauchstatbestandes sind hohe Anforderungen zu stellen. Notwendig ist eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs (BGH NJW 11, 66 [BGH 01.06.2010 - XI ZR 389/09] Rz 29). Diese ist insbes dann gegeben, wenn sich nach den gegebenen Umständen dem Geschäftsgegner geradezu aufdrängen muss, dass der Vertreter seine Vertretungsmacht missbraucht (BGH NJW 20, 2287 [BGH 27.02.2020 - 3 StR 327/19] Rz 20). Bloßes Kennenmüssen des Vertragspartners genügt nicht. Diesem obliegt grds keine allg Prüfungspflicht, ob und wieweit der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist, von einer nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzt Gebrauch zu machen (BGH NJW 17, 3373 [BGH 11.05.2017 - IX ZR 238/15] Rz 20). Maßgeblich ist eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalles (MüKo/Schubert Rz 223).
Rn 71
Nach der Rspr des BGH kommt es – abgesehen von den Kollusionsfällen – grds nicht darauf an, dass das Geschäft nachteilig für den Vertretenen ist (BGH NZI 21, 197 Rz 10; WM 20, 2287 Rz 9; zust Erman/Meier-Reimer/Finkenauer § 167 Rz 75; unklar BGHZ 50, 112, 114; BGH NJW 84, 1461, 1462; aA Soergel/Leptien § 177 Rz 17). Gegen dieses Erfordernis spricht, dass sich die Fallgruppe des evidenten Vollmachtmissbrauchs kaum noch von den Kollusionsfällen unterscheiden würde und dass die Schutzwürdigkeit des Vertretenen nur von solchen Umständen abhängen kann, die diesem selbst bekannt sind, nicht aber von der Willensrichtung des Vertreters (Bork Rz 1582). Bei der Mehrfachvertretung ergibt sich aber aus der Wertentscheidung des § 181 Hs 2, dass die Unwirksamkeit eines internen Beschränkungen widersprechenden Insichgeschäfts nur dann unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam ist, wenn es für den Vertretenen nachteilig ist (BGH NZI 21, 197 [BGH 29.10.2020 - IX ZR 212/19] Rz 10).