Rn 16
Einem Kreditinstitut ist das Wissen aller Mitarbeiter zuzurechnen, die es bei der Bearbeitung eines konkret in Rede stehenden Geschäfts vertreten oder daran bestimmungsgemäß mitgewirkt haben. Diese Voraussetzungen erfüllt insb der Kontobetreuer, der den Verdacht schöpft, dass der Kontoinhaber eingehende Gelder veruntreut (BGH NJW 08, 2245 Rz 18), der Kassenbeamte, der einen Scheck hereinnimmt (BGHZ 102, 316, 320), der Sachbearbeiter einer anderen Filiale derselben Bank, der den Scheck prüft und weiterbearbeitet (BGH NJW 93, 1066, 1067 [BGH 19.01.1993 - XI ZR 76/92]) und der Bankkassierer, dem die Zahlungseinstellung der künftigen Insolvenzschuldnerin bekannt ist (BGH NJW 84, 1953, 1954 [BGH 01.03.1984 - IX ZR 34/83]). Als Wissensvertreter anerkannt ist auch der Kontobevollmächtigte, dem der Kontoinhaber sein Girokonto zum alleinigen Gebrauch überlässt (BGH NJW 82, 1585, 1586), und derjenige, der das Konto eines anderen zwar ohne Kontovollmacht, aber mit der Erlaubnis des Kontoinhabers zum Einzug eines Schecks genutzt hat (BGH WM 00, 1539, 1541). Wissensvertreter sind ferner der vom Gläubiger mit der Durchsetzung einer Forderung gegen den späteren Insolvenzschuldner beauftragte Rechtsanwalt, der die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kennt (BGH WM 13, 180 Rz 26), der vom Versicherungsnehmer mit der Erfüllung seiner Aufklärungsobliegenheit beauftragte Angehörige (BGHZ 122, 388, 389), der vom Versicherer mit der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens beauftragte Hausarzt (Frankf NJW-RR 93, 676, 677 [OLG Frankfurt am Main 17.08.1992 - 27 U 48/91]), der Hintermann, der für den von ihm vorgeschobenen Strohmann auftritt (BGH NJW-RR 92, 589, 590 [BGH 06.12.1991 - V ZR 310/89]) und die Einkaufsabteilung eines Gebrauchtwagenhändlers (BGH NJW 96, 1205f [BGH 31.01.1996 - VIII ZR 297/94]). Der Gläubiger muss sich die Kenntnis eines Dritten von den für den Verjährungsbeginn gem § 199 I Nr 2 maßgebenden Umständen und dessen leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis hiervon analog I und mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242) insbes dann als eigenes Wissen zurechnen lassen, wenn er den Dritten (zB RA) mit der Durchsetzung einer Forderung oder der Aufklärung eines bestimmten Sachverhalts beauftragt hat (BGH ZIP 19, 35 Rz 13; NJW 14, 2861 Rz 16; WM 13, 155 Rz 19). Das Wissen des WEG-Verwalter kann den einzelnen Wohnungseigentümern demnach nur als eigene Kenntnis iSv § 199 I Nr 2 zugerechnet werden, wenn es sich um gemeinschaftsbezogene Ansprüche handelt oder wenn die Gemeinschaft Individualansprüche der Eigentümer an sich gezogen hat (BGH NJW 14, 2861 [BGH 04.07.2014 - V ZR 183/13] Rz 14 ff). Eine Wissenszurechnung kommt iRv § 199 I Nr 2 dann nicht in Betracht, wenn der betr Anspruch sich gegen den Vertreter richtet oder wenn er mit einem gegen diesen gerichteten Anspruch in einem engen Zusammenhang steht. Im Bereich der RA- oder StB-Haftung setzt eine Wissenszurechnung daher grds die Beauftragung eines neuen RA voraus (ZIP 19, 35 Rz 13f). Beim Überbau (§ 912) rechnet die Rspr dem Bauherrn den bösen Glauben des Architekten, nicht aber des Bauunternehmers zu (BGH NJW 77, 375). Einer Vertragspartei ist das Wissen eines von ihr nur zu Verhandlungen bevollmächtigten Verhandlungsführers oder -gehilfen (s § 164 Rn 23) analog I zuzurechnen (BGH NJW 20, 3312 [BGH 09.06.2020 - VIII ZR 315/19] Rz 17; NJW-RR 91, 439, 441). Das Gleiche gilt, wenn eine Vertragspartei die wesentlichen Vertragsverhandlungen vollständig einer Hilfsperson überlassen hat und erst bei der Beurkundung des Vertrages in Kontakt zu der anderen Vertragspartei getreten ist (BGH NJW 04, 2156, 2157; 92, 899, 900). Zur Wissenszurechnung beim Unternehmenskauf s Goldschmidt ZIP 05, 1305 ff.
Rn 17
Keine Wissensvertreter sind der lediglich intern wirkende Berater und der mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Aufgaben im privatrechtlichen Verkehr nicht betrauten Sachbearbeiter im Baurechtsamt (BGHZ 117, 104, 107). Auch rechtlich wie organisatorisch selbstständige Dritte sind nicht als Wissensvertreter anzusehen. Dem Verkäufer einer Immobilie ist daher das Wissen eines Hauswarts oder Hausverwalters, der nicht auf seine Veranlassung bei den Vertragsverhandlungen anwesend war (BGH NJW-RR 97, 270), ebenso wenig zuzurechnen wie dem Leasinggeber das Wissen des Lieferanten des Leasinggutes in Bezug auf die Unrichtigkeit einer Übernahmebestätigung des Leasingnehmers (BGH WM 05, 757, 759) oder den Einzugsstellen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung die Kenntnisse des auf deren Ersuchen die Vollstreckung betreibenden Hauptzollamtes über die Zahlungsunfähigkeit und den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners (BGH NZS 12, 581 Rz 4). Auch Notare (Köln NJW-RR 91, 46, 47f), Makler (BGH NJW 04, 2156, 2157) und Finanzierungsvermittler (Frankf WM 02, 1281, 1285, 2187) sind grds keine Wissensvertreter, sondern Dritte. Eine Wissenszurechnung analog I ist aber dann möglich, wenn der Dritte, zB ein Makler seine Tätigkeit nicht auf das für die Durchführung ...