Rn 23
Ein Teil der Rspr und Lehre hält trotz der geänderten Rspr zur Dogmatik der Wissenszurechnung in arbeitsteiligen Organisationen (s Rn 18 ff) an der Lehre von dem Organwissen einer juristischen Person fest und zieht die Grundsätze der Wissenszurechnung kraft Organisationspflicht nur ergänzend heran (BGH NJW 21, 1669 Rz 32, 36; WM 06, 194, 195 f; BGHZ 140, 54, 61; Bork Rz 1668 ff). Eine vordringende Ansicht will dagegen mit Hilfe der geänderten Dogmatik zur Wissenszurechnung die überkommene Lehre von dem Organwissen der juristischen Person überwinden, indem sie an die Stelle des formalistischen Lösungsansatzes der Organtheorie eine wertende Betrachtung zum Ausgangspunkt der Wissenszurechnung macht. Nach dieser Ansicht ist das Wissen des Organs nicht gleichzusetzen mit dem der juristischen Person. Die Zurechnung hat nicht wie nach der absoluten Wissenszurechnungstheorie automatisch zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen der relativen Wissenszurechnung nur dann, wenn der wissende Organwalter die juristische Person gerade bei der betreffenden Rechtshandlung, sei es auch nur als einer von mehreren Gesamtvertretern vertreten hat, oder daran in sonstiger Weise ähnl einem Wissensvertreter beteiligt war. Das Wissen derjenigen Organwalter, die am Abschluss eines Vertrages selbst nicht beteiligt waren, ist der juristischen Person nach dieser Ansicht dagegen nur unter den Voraussetzungen der Wissenszurechnung kraft Organisationspflicht (s Rn 18 ff) zuzurechnen (BGH WM 00, 2515, 2517; Staub/Habersack § 125 Rz 25; Nobbe Neues Schuldrecht, aaO, 121, 128 ff; MüKo/Schubert Rz 9; Buck-Heeb WM 16, 1469; offen lassend BGH NJW 04, 1868, 1869). Das gilt unabhängig von der Organisationsform auch dann, wenn der ursprüngliche Wissensträger mittlerweile aus der Gesellschaft ausgeschieden oder verstorben ist (MüKo/Schubert Rz 13; Staub/Habersack § 125 Rz 22; Medicus/Petersen AT 904c). Für diese Ansicht spricht der Grundsatz der verhaltensakzessorischen Wissenszurechnung, wonach nicht bloßes Wissen als solches, sondern wissengetragenes rechtserhebliches Verhalten zugerechnet wird (s hierzu Fassbender/Neuhaus WM 02, 1253, 1254f). Außerdem führt die begriffsjuristische, auf einer ›naturalistischen Anwendung der Organtheorie als der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit‹ (so Flume II/1 § 11 IV) beruhende absolute Wissenszurechnung zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung der juristischen ggü der natürlichen Person (Nobbe, aaO, 121, 132 ff).