1. Dogmatische Grundlagen.
Rn 18
Besondere Probleme bestehen, wenn sich das relevante Wissen infolge einer arbeitsteiligen Organisation auf verschiedene Personen verteilt. Nach hM darf der Geschäftsgegner durch eine organisationsbedingte ›Wissensaufspaltung‹ ggü dem Kontakt mit einer Einzelperson weder schlechter noch bessergestellt werden (›Gleichstellungsargument‹, s BGH MMR 21, 484 Rz 41; NJW 16, 3445 Rz 61; BGHZ 135, 202, 205 f; BGH NJW 07, 2989 Rz 14). Ausgehend von diesem Grundsatz hat der BGH die Wissenszurechnung in arbeitsteiligen Organisationen fortentwickelt. IE ist die dogmatische Herleitung der Wissensorganisationspflichten str (MüKo/Schubert § 166 Rz 43 ff; Buck-Heeb WM 16, 1469).
2. Anwendungsbereich.
Rn 19
Die ausdrücklich für den Bankbereich und die Versicherungswirtschaft entwickelten Grundsätze der Wissenszurechnung kraft Pflicht zur Wissensorganisation gelten auch für andere am Rechtsverkehr teilnehmenden Organisationen und damit auch für Behörden (BGHZ 190, 210 Rz 17f). Sie sind jedoch nur innerhalb der nach außen auftretenden Organisationseinheit anwendbar (BGHZ 190, 201 Rz 16, 18; 135, 202, 205 ff; zur Wissenszurechnung im Konzern s München BB 07, 14, 15; Drexl Neues Schuldrecht, aaO, S 85 ff). Auf die Organisationsform oder Rechtsfähigkeit der am Rechtsverkehr teilnehmenden Struktureinheit kommt es nicht an (BGH NJW 01, 359, 360). Die Zurechnung findet zu Lasten des Geschäftsherrn statt und rechtfertigt keine Schlechterstellung der Hilfsperson durch Zurechnung von Wissen des Geschäftsherrn (BGH MMR 21, 481 [BGH 21.01.2021 - I ZR 20/17]; NJW 03, 589, 590). Sie ist daher nicht geeignet, Wissen eines personenidentischen Organs einer anderen juristischen Person oder eines personenidentischen Mitglieds einer Gesamthandsgesellschaft außerhalb der Struktureinheit zu begründen, deren Aufgaben wahrzunehmen waren (BGH NJW 01, 359, 360 [BGH 13.10.2000 - V ZR 349/99]). Eine Wissenszurechnung kraft Organisationspflicht hat ferner bei rechtlich und organisatorisch selbstständigen Dritten zu unterbleiben (BGH NJW 03, 589, 590). Eine Wissenszurechnung zwischen verschiedenen Behörden, die demselben Rechtsträger angehören, ist demnach von weiteren Voraussetzungen abhängig (BGHZ 190, 201 Rz 16). Grds ist auch eine Wissenszusammenrechnung mehrerer rechtsgeschäftlicher Vertreter einer Einzelperson ausgeschlossen. Der als Einzelperson ohne Organisationspflichten auftretende Grundstücksverkäufer kann aber gehalten sein, den in seinem Namen mit den Kaufvertragsverhandlungen beauftragten Makler über Umstände zu informieren, die er dem Käufer zu offenbaren hat; hierbei hat er sich analog I das Wissen seines am Vertragsschluss selbst nicht unmittelbar beteiligten Wissensvertreters zurechnen zu lassen (BGH NJW-RR 04, 1196, 1197f [BGH 14.05.2004 - V ZR 120/03]).
3. Grundsätze der Wissenszurechnung kraft Organisationspflicht.
Rn 20
Nach stRspr des BGH muss muss jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation iRd ihr Zumutbaren sicherstellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen unverzüglich an die entscheidenden Personen weitergeleitet und von diesen zur Kenntnis genommen werden, und dass nach erkennbar anderswo innerhalb der Organisation vorhandenen und für den eigenen Bereich wesentlichen Informationen nachgefragt wird (BGH NJW-RR 21, 1068 [BGH 19.03.2021 - V ZR 158/19] Rz 20). Fehlt es an dem gebotenen Informationsaustausch, kann die Organisation sich analog II nicht auf Unkenntnis berufen (BGH MMR 21, 481 [BGH 21.01.2021 - I ZR 20/17] Rz 41). Voraussetzung für die Wissenszurechnung kraft Organisationspflicht, dass das Wissen bei ordnungsgemäßer Organisation aktenmäßig festgehalten, weitergegeben und im konkreten Fall abgefragt werden musste (BGH WM 00, 2515). Maßgeblich hierfür ist, dass unter den Umständen des konkreten Einzelfalls ein interner Informationsaustausch möglich und zumutbar gewesen wäre (BGHZ 140, 54, 62). Auf die konkret getroffenen Organisationsmaßnahmen soll es dagegen nicht ankommen (BGHZ 135, 202, 207). Der Organisation hierbei wird das Wissen hinsichtlich solcher Vorgänge zugerechnet, deren Relevanz für spätere Geschäftsvorgänge innerhalb des jeweiligen Organisationsbereichs dem Wissenden erkennbar ist und die deshalb bei sachgerechter Organisation dokumentiert und verfügbar gehalten oder an andere Personen innerhalb des Organisationsbereichs weitergegeben werden müssen (BGH NJW 01, 2535, 2536 [BGH 27.03.2001 - VI ZR 12/00]). Zur Zurechnung privat erlangten Sonderwissens s Rn 13. Darüber hinaus muss zur Nutzung des Wissens unter Berücksichtigung der geschäftlichen Bedeutung des Vorgangs auch Anlass bestanden haben (BGHZ 135, 202, 206f). Arglist kann nicht angenommen werden, falls die richtige Information bei der Speicherung schlicht vergessen wurde (BGH NJW 96, 1205, 1206 [BGH 31.01.1996 - VIII ZR 297/94]; s.a. Rn 12). Die Haftung einer juristischen Person aus §§ 826, 31 (analog) kann nicht durch die Zurechnung des fremden Wissens anderer Personen als der verfassungsmäßig berufenen Vertreter begründet werden (BGH WM 22, 87 Rz 24).
4. Einzelfälle.
Rn 21
Nach der Rspr des BGH sind einem ...