Gesetzestext
(1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
(2) 1Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters berufen. 2Dasselbe gilt von Umständen, die der Vollmachtgeber kennen musste, sofern das Kennenmüssen der Kenntnis gleichsteht.
A. Zweck und Bedeutung der Regelung.
Rn 1
§ 166 ist Ausfluss des Repräsentationsprinzips (§ 164 Rn 1), aber auch unabhängig von jeder Theorie Ausdruck des Gedankens, dass für den Abschluss und den Inhalt eines Rechtsgeschäfts die Person und Bewusstseinslage desjenigen maßgebend ist, der den rechtsgeschäftlichen Willen bildet (Medicus/Petersen AT Rz 899). I trägt dem Umstand, dass grds der Vertreter den rechtsgeschäftlichen Willen bildet und dem Verkehrsschutz Rechnung (BGH NJW 00, 2268 [BGH 02.05.2000 - XI ZR 150/99]). Von dem Grundsatz, dass es für den Inhalt und Wirksamkeit des Vertretergeschäfts auf die Person des Vertreters ankommt, macht II eine Ausn, falls der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vertretenen gehandelt hat.
B. Persönlicher Anwendungsbereich des Abs 1.
Rn 2
I gilt nicht nur für den rechtsgeschäftlichen, sondern entspr auch für den gesetzlichen Vertreter (BGH NJW 16, 3445 Rz 60; MDR 17, 34 Rz 12; BGHZ 38, 65, 66; einschränkend: NJW 17, 3516 Tz 27). Zur Zurechnung des Wissens von Organwaltern s Rn 22 f. I findet auch auf den Unterbevollmächtigten (BGH NJW 84, 1953, 1954 [BGH 01.03.1984 - IX ZR 34/83]) und den Vertreter ohne Vertretungsmacht Anwendung, sofern das Rechtsgeschäft nachträglich von dem Vertretenen gem § 177 I genehmigt wird (BGH NJW 10, 861 [BGH 16.12.2009 - XII ZR 146/07] Rz 22). Bei einer Rechtsscheinvollmacht gem §§ 171 ff soll I iRd § 199 I Nr 2 nicht anwendbar sein (BGH WM 07, 639 Rz 38). Zur analogen Anwendung des I auf den Wissensvertreter s Rn 13. Bei einem Insichgeschäft (§ 181) ist § 166 uneingeschränkt anwendbar (BGHZ 94, 232, 237; s.a. NJW 00, 1405, 1406). Nicht anwendbar ist § 166 auf den mittelbaren Stellvertreter (§ 164 Rn 2), den echten Treuhänder (§ 164 Rn 9) und den Vermögensverwalter (§ 164 Rn 14). Da der Handelnde in diesen Fällen selbst Vertragspartei ist, kommt es ohnehin auf seinen Willen und seine Kenntnisse an, ohne dass es einer Zurechnung bedarf (aA für eine Anwendung des II beim Kommissionsgeschäft nach § 383 HGB Neuner AT § 49 Rz 88). Weil der Bote keine eigene Erklärung abgibt, sondern nur die des Geschäftsherrn überbringt (s § 164 Rn 17), versteht es sich von selbst, dass bei der Botenschaft allein der Wille und das Wissen des Geschäftsherrn maßgeblich sind (Neuner AT § 49 Rn 87; BeckOKBGB/Schäfer Rz 6). Bei der Gesamtvertretung werden dem Vertretenen die Kenntnis und das Kennenmüssen eines Gesamtvertreters zugerechnet (BGH NJW 01, 359, 360; BGHZ 140, 54, 61; 62, 166, 173). Das gilt jedoch nicht bei der Prüfung, ob das von einem Gesamtvertreter – entgegen § 181 – vorgenommene Rechtsgeschäft von dem anderen analog § 177 I konkludent genehmigt wurde (BGH NJW 10, 861 [BGH 16.12.2009 - XII ZR 146/07] Rz 13f). Dagegen ist im Falle der Einzelvertretung der Willensmangel oder das Wissen eines Vertreters dem Vertretenen nur zuzurechnen, wenn dieser das Rechtsgeschäft selbst vornimmt oder wenn eine Pflicht zur ordnungsgemäßen Wissensorganisation (s Rn 18 ff) besteht (BGH NJW 01, 359, 360; BGHZ 140, 54, 61f). Soweit ein gesetzlicher Vertreter ohne die erforderliche Genehmigung des Vormundschaftsgerichts handelt (§§ 1643, 1821, 1822), ist seine Kenntnis dem Vertretenen nicht zuzurechnen (MüKo/Schubert Rz 7). Das Gleiche gilt, wenn ein Minderjähriger bei einem gem § 107 zustimmungsfreien Rechtsgeschäft selbst handelt (BGHZ 94, 232, 239f).
C. Die Zurechnung von Willensinhalten, Willensmängeln und Kenntnissen des Vertreters (Abs 1).
I. Vertragsauslegung.
Rn 3
Die Zurechnung des Vertreterhandelns nach I ist auch für die Auslegung eines Vertrages maßgeblich. Für den Inhalt sowohl der von dem Vertreter abgegebenen (§ 164 I 1) als auch der von ihm entgegengenommenen Erklärung (§ 164 III) kommt es auf die Willensrichtung bzw das Verständnis des Vertreters an (BGH NJW 00, 2272, 2273 [BGH 29.03.2000 - VIII ZR 81/99]).
II. Willensmängel.
Rn 4
I bestimmt, dass für Willensmängel iSd §§ 116 ff die Person des Vertreters maßgeblich ist. Für die Nichtigkeit einer unter einem geheimen Vorbehalt ggü dem Vertreter abgegebenen Erklärung nach § 116 2 kommt es dagegen sowohl auf die Kenntnis des Vertretenen als auch auf die des Vertreters an (BeckOKBGB/Schäfer Rz 11; aA Staud/Schilken Rz 12; Flume II § 20 1). Eine Erklärung, die der Vertreter im Einverständnis mit dem Vertragspartner abgegeben hat, ist gem § 117 I iVm I nichtig, es sei denn der Vertreter und der Vertragspartner haben kollusiv zum Nachteil des Vertretenen zusammengewirkt (BeckOKBGB/Schäfer Rz 12). Für eine Irrtumsanfechtung nach § 119 muss sich der Vertreter geirrt haben (Bork Rz 1655). Ein Anfechtungsrec...