Rn 61
II S 2 regelt unter welchen Voraussetzungen dem Antrag auf Übertragung der Alleinsorge oder der partiellen Alleinsorge stattzugeben ist. Dabei sind die Fallgruppen der Nr 1 und der Nr 2 zu unterscheiden.
1. Abs 1 Nr 1: Übertragung auf Grund Zustimmung der Mutter.
a)
Rn 62
Die Zustimmung ist formfrei. Es gelten die Ausführen zu I Nr 1 (s.o. Rn 9).
b)
Rn 63
Trotz Zustimmung der Mutter findet noch eine negative Kindeswohlprüfung statt. Denn anders als im Fall des I Nr 1 kommt es bei II Nr 1 zu einem vollständigen Austausch des Sorgeberechtigten (BTDrs 17/11048, 19). Freilich werden die Fälle selten sein, in denen trotz Zustimmung der Mutter eine Sorgerechtsübertragung dem Kindeswohl widerspricht. Andererseits bedarf es hierzu keiner Kindeswohlgefährdung iSd § 1666. Anhaltspunkte für einen Widerspruch zum kindeswohl können sich für das Gericht insb auf Grund der obligatorischen Anhörung des Jugendamts (§ 162 FamFG), der Eltern (§ 160 FamFG) und des Kindes (§ 159 FamFG) ergeben.
c)
Rn 64
Der Widerspruch des mindestens 14 Jahre alten Kindes beseitigt die Möglichkeit der Sorgerechtsübertragung gem § 1671 II Nr 2. Das bedeutet aber noch nicht, dass dem übereinstimmendem Willen der Eltern zur Sorgeregelung nicht stattzugeben wäre. Das Kind hat kein Vetorecht. Doch muss der Sorgerechtsantrag nunmehr die Voraussetzungen des § 1671 II Nr 2 erfüllen, insb unterliegt er der vollen (positiven) Kindeswohlprüfung. Dabei ist der entgegenstehende Wille des Kindes ein beachtlicher Umstand (s.o. Rn 49 ff). Im Übrigen gelten die Ausführungen zu I (s.o. Rn 14).
2. Abs 2 Nr 2: Übertragung aus Gründen des Kindeswohls.
Rn 65
Auch ohne Zustimmung der Mutter kann die elterliche Sorge auf Antrag gem § 1671 II Nr 2 ganz oder teilweise auf den Vater allein übertragen werden. Voraussetzung ist, dass dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Damit ist das Kindeswohl das zentrale Entscheidungskriterium. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, iÜ aber auch aus der allg Regel des § 1697a.
a) Erster Prüfungsschritt: Entspricht nicht die gemeinsame Sorge dem Wohl des Kindes am besten?
Rn 66
Eine Übertragung der elterlichen Sorge allein auf den Vater setzt zunächst voraus, dass eine gemeinsame Sorge der Eltern nicht in Betracht kommt (BTDrs 17/11048, 20). Auch wenn der Wortlaut des II Nr 2 nicht ganz dem des I Nr 2 entspricht, ist es naheliegend, auch hier vorrangig zu prüfen, ob nicht die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht. Denn die gerichtliche Übertragung der Alleinsorge auf den Vater greift schwerwiegend in das Elternrecht der Mutter ein (BTDrs 17/11048, 20). Ein Wechsel der elterlichen Sorge von der Mutter auf den Vater wird sich regelmäßig auf die bestehende Mutter-Kind-Beziehung auswirken und berührt das Bedürfnis des Kindes nach Stabilität und Kontinuität (BVerfG FamRZ 10, 1403). Ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge (s.o. Rn 18) besteht aber auch hier nicht. Für die Frage, ob nicht die gemeinsame Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspricht, gelten die Maßstäbe des I Nr 2 entsprechend (s.o. Rn 18–27; Celle FamRZ 14, 857).
b) Zweiter Prüfungsschritt: Entspricht die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten?
Rn 67
Auch wenn eine gemeinsame Sorge wegen der Blockadehaltung eines Elternteils nicht in Betracht kommt, ist bei der sodann vorzunehmenden Prüfung, ob die Alleinsorge dem Vater zugesprochen oder bei der Mutter belassen werden soll, danach zu beurteilen, was dem Kindeswohl am besten entspricht (BTDrs 17/11048, 20). Für diese umfassende Kindeswohlprüfung gelten die Maßstäbe des I Nr 2 entsprechend (s.o. Rn 28–55; vgl AG Ludwigslust FamRZ 14, 574).