Rn 8
I S 2 regelt unter welchen Voraussetzungen dem Antrag auf Übertragung der Alleinsorge oder der partiellen Alleinsorge stattzugeben ist. Dabei sind die Fallgruppen der Nr 1 und der Nr 2 zu unterscheiden.
1. Abs 1 Nr 1: Übertragung auf Grund Zustimmung des anderen Elternteils.
a)
Rn 9
Die Zustimmung ist formfrei. Sie kann sogar außergerichtlich erklärt werden, wenn sie sich auf einen konkreten Antrag bezieht und dem Gericht mitgeteilt wird (J/H/A/Lack § 1671 Rz 23), was jedoch praktisch ohne Belang ist. Sie muss unbedingt erklärt werden (Kobl FamRZ 16, 475). Die Zustimmung ist eine höchstpersönliche Willenserklärung, weshalb ein minderjähriger Elternteil der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters nicht bedarf (Staud/Coester § 1671 Rz 79); die Erklärung des Verfahrensbevollmächtigten ist unwirksam (Kobl FamRZ 16, 475). Da auf die elterliche Sorge nicht durch Willenserklärung verzichtet werden kann, ist die Zustimmung bis zur Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz ohne Begründung formlos widerruflich (Celle FamRZ 07, 756; Ddorf FamRZ 18, 512; AG Hannover FamRZ 01, 846, 848; Staud/Coester § 1671 Rz 81; Schwab FamRZ 98, 457, 461; FA-FamR/Maier Kap 4 Rz 209). Die Zustimmung kann auf die Übertragung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge beschränkt werden. Der Erfolg des Antrags iÜ richtet sich dann nach § 1671 II Nr 2 (vgl Nürnbg FamRZ 99, 673).
b)
Rn 10
Eine Kindeswohlprüfung findet iRd § 1671 I Nr 1 grds nicht statt (J/H/A/Lack § 1671 Rz 30). Stimmt der andere Elternteil dem Antrag auf Übertragung der Alleinsorge zu, muss das Gericht dem Antrag ohne Sachprüfung stattgeben. Eine Begründung des Antrags oder der Zustimmung ist nicht erforderlich und kann vom Gericht auch nicht verlangt werden. Auch eine Motivforschung ist dem Gericht verwehrt (Schwab FamRZ 98, 457, 461).
Rn 11
Von diesem Grundsatz gibt es allerdings eine Ausn: Ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die von den Eltern begehrte Sorgerechtsregelung das Wohl des Kindes gefährden könnte, ist das Gericht berechtigt und verpflichtet dies iRe Verfahrens gem §§ 1666, 1671 IV vAw aufzuklären. Wird dabei eine Kindeswohlgefährdung iSd § 1666 festgestellt, kann und muss das Gericht die elterliche Sorge abw von dem übereinstimmenden Vorschlag der Eltern regeln. Hierfür genügt es jedoch nicht, wenn der Elternvorschlag dem Wohl des Kindes nur widerspricht, ohne dass die Eingriffsschwelle des § 1666 bereits erreicht ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 1697a (aA Schwab FamRZ 98, 457, 461, da Wortlaut und Systematik des § 1671 eine solche Auslegung nicht zuließen).
Rn 12
Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung können sich für das Gericht insb auf Grund der Anhörung des Jugendamts (§ 162 FamFG), der Eltern (§ 160 FamFG) und des Kindes (§ 159 FamFG) ergeben, die auch im Falle des § 1671 I 2 Nr 1 obligatorisch sind.
c)
Rn 13
Der Widerspruch des mindestens 14 Jahre alten Kindes beseitigt die Möglichkeit der Sorgerechtsübertragung gem § 1671 I Nr 1. Das bedeutet aber noch nicht, dass die Sorge zwingend anders geregelt werden muss als die Eltern dies einvernehmlich wollen. Das Kind hat kein Vetorecht. Doch muss der Sorgerechtsantrag nunmehr die Voraussetzungen des § 1671 I Nr 2 erfüllen, insb unterliegt er der vollen Kindeswohlprüfung. Dabei ist der entgegenstehende Wille des Kindes ein beachtlicher Umstand (s.u. Rn 49 ff).
Rn 14
Der Widerspruch bedarf keiner Form. Er muss aber eindeutig als solcher erkennbar sein. Äußert das Kind lediglich seine Wünsche oder seine Unzufriedenheit über die Trennungssituation, kann darin noch kein Widerspruch gesehen werden (J/H/A/Lack § 1671 Rz 27). Das Gericht hat dies bei der Kindesanhörung gem § 159 FamFG näher aufzuklären. Wie die Zustimmung, ist auch der Widerspruch bis zur Entscheidung in der letzten Tatsachendistanz widerruflich. Das Kind kann auf sein Widerspruchsrecht nicht verzichten.
2. Abs 1 Nr 2: Übertragung aus Gründen des Kindeswohls.
Rn 15
Auch ohne Zustimmung des anderen Elternteils kann die elterliche Sorge auf Antrag gem § 1671 I Nr 2 ganz oder teilweise auf einen Elternteil allein übertragen werden. Voraussetzung ist, dass dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Damit ist das Kindeswohl das zentrale Entscheidungskriterium. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, iÜ aber auch aus der allg Regel des § 1697a (J/H/A/Lack § 1671 Rz 41). Entspricht eine geteilte Betreuung des Kindes durch beide Eltern (Wechselmodell) dem Kindeswohl am besten, ist die gemeinsame Sorge, insb das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht, beizubehalten, was aber nicht im Sorgerechtsverfahren angeordnet, sondern nur iR einer gerichtlichen Umgangsregelung sichergestellt werden kann (Frankf FamRZ 19, 976; 21, 948: auch Aufhebung; Dresd FamRZ 21, 691; ähnlich Bambg FamRZ 19, 979; Stuttg FamRZ 20, 107; offengelassen BGH FamRZ 17, 532; Karlsr FamRZ 21, 688; vgl BVerfG FamRZ 15, 1585). Eine sorgerechtliche Entscheidung zur Durchsetzung einer geteilten Betreuung kann nur dadurch ergehen, dass dem Elternteil, der ein vom anderen Elternteil abgelehntes Wechselmodell befürwortet, das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wir...