I. S 1: Wechselseitige Loyalitätspflicht der Eltern.
1. Grundzüge.
Rn 19
Die mit dem natürlichen Elternrecht verbundene
Elternverantwortung begründet die Pflicht der Eltern das Wohl des Kindes bestmöglichst zu fördern und nicht zu beeinträchtigen. Dem Kindeswohl entspricht es aber am besten, wenn die Eltern auch noch nach der Trennung auf der Elternebene einvernehmlich zusammenarbeiten und die Konflikte, die zur Trennung geführt haben, weder vor dem Kind noch auf dem Rücken des Kindes austragen. Dazu gehört insb auch, dass die Eltern wechselseitig das Recht des anderen zum Umgang mit dem Kind akzeptieren, unterstützen und fördern. Diese Selbstverständlichkeit wird durch II ausdrücklich hervorgehoben. Benötigt der Umgangsberechtigte zur Ausübung seines Rechts den Kinderreisepass, kann er dessen Herausgabe analog §§ 1632 I, 1684 II verlangen, doch kann die berechtigte Besorgnis der Entführung ins Ausland entgegenstehen (BGH FamRZ 19, 1056).
Rn 20
Über seinen Wortlaut hinaus verlangt das Wohlverhaltensgebot des II von jedem Elternteil auch eine aktive Förderung des Verhältnisses des jeweils anderen Elternteils zum Kind (Jena FamRZ 00, 47; Saarbr FamRZ 07, 927; 11, 1409; Naumbg FamRZ 09, 792, 793; Köln FamRZ 15, 1734; Staud/Rauscher § 1684 Rz 93; J/H/A/Rake § 1684 Rz 11; Grüneberg/Götz § 1684 Rz 5). Sinnvollerweise lässt sich das Gebot zu loyalem Verhalten nicht auf Unterlassungspflichten reduzieren. Denn es macht keinen Unterschied, ob ein Elternteil durch aktive Handlungen das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil stört oder ob er dies dadurch tut, dass er gebotene Handlungen unterlässt. Es ist grds Aufgabe des sorgeberechtigten Elternteils, das Kind behutsam und positiv auf den Kontakt mit dem anderen Elternteil vorzubereiten (Bambg FamRZ 95, 428; Frankf FamRZ 88, 754, 755). Sollte er hierzu nicht in der Lage sein, kann dies Anlass zur Überprüfung seiner Erziehungsfähigkeit gem § 1696 I geben (Frankf FamRZ 88, 754, 755). Zur Erziehungsaufgabe gehört auch, auf das Kind mit dem Ziel einzuwirken, psychische Widerstände gegen den Umgang mit dem anderen Elternteil abzubauen und eine positive Einstellung zu gewinnen (Jena FamRZ 00, 47). Wohlverhalten des sorgeberechtigten Elternteils bedeutet auch, dass er die Übergabe des Kindes so gestaltet, dass es nicht in einen Loyalitätskonflikt gestürzt wird. Dazu gehört insb, dass der Elternteil durch aktive Handlungen und ermunternde Worte dem Kind zu verstehen gibt, dass es den Besuchskontakt mit dem anderen Elternteil nicht missbilligt, sondern ebenfalls wünscht (vgl Brandbg FamRZ 96, 1092, 1093). Umgekehrt muss sich Umgangberechtigter außerhalb der festgelegten Zeiten des Kontaktes zum Kind enthalten (KG FamRZ 15, 940 mAnm Spangenberg FamRZ 15, 1726).
2. Auswanderung.
Rn 21
Grds steht die Wohlverhaltensklausel des II einer Auswanderung des betreuenden Elternteils mit dem Kind ebensowenig entgegen wie § 1626 III (BGH FamRZ 10, 1060, 1062; aA Oldbg FamRZ 80, 78). Dies gilt erst recht für einen Umzug innerhalb Deutschlands, der die Entfernung zum umgangsberechtigten Elternteil erheblich vergrößert (vgl BGH FamRZ 87, 356, 358; 90, 392, 393; Karlsr FamRZ 90, 1094; Hambg FamRZ 03, 946; triftige Gründe verlangt OLG Nürnbg FamRZ 10, 135). Die Auswanderung kann aber uU Veranlassung zu einer Änderung der Sorgerechtsregelung gem § 1696 I im Interesse des Kindes geben. Dabei ist eine umfassende Abwägung aller im Einzelfall betroffenen Kindeswohlgesichtspunkte vorzunehmen (BGH FamRZ 10, 1060, 1062; 87, 356, 358; Köln FamRZ 11, 490; Hamm FamRZ 11, 1151; Stuttg FamRZ 23, 702). Auf die Motive des Elternteils für seinen Auswanderungsentschluss kommt es grds nicht an; auch nicht darauf, ob er triftige Gründe hat (BGH FamRZ 10, 1060, 1062; 11, 796, 799; Frankf FamRZ 14, 323; ähnlich Nürnbg FamRZ 13, 553; J/H/A/Rake § 1684 Rz 14; aA Oldbg FamRZ 80, 78, 79; Nürnbg FamRZ 00, 1603, 1604; Zweibr NJW-RR 04, 1588; Köln FamRZ 06, 1625; München FamRZ 09, 794 mit Anm Dollinger mwN; FamRZ 09, 1600, 1601; Kobl FamRZ 10, 1572). Erfolgt die Auswanderung, um das Umgangsrecht zu vereiteln, steht aber die Bindungstoleranz und damit die Erziehungseignung des Sorgeberechtigten in Frage (BGH FamRZ 10, 1060, 1062; 11, 796, 799). Eine Sorgerechtsänderung liegt dann nahe (Staud/Rauscher § 1684 Rz 73: regelmäßig unausweichlich; aA Karlsr FamRZ 78, 201; J/H/A/Rake § 1684 Rz 17: nicht zwingend). In jedem Fall schließt die allgemeine Handlungsfreiheit es aus, dass auch der Verbleib des betreuenden Elternteils im Inland als tatsächliche Alternative in Betracht kommt (BGH FamRZ 10, 1060, 1062). Vielmehr muss für die Kindeswohlüberlegungen die Auswanderung zugrunde gelegt werden (BGH FamRZ 10, 1060, 1062).
II. S 2: Loyalitätspflicht zwischen Eltern und Obhutspersonen.
Rn 22
Befindet sich das Kind in der Obhut (tatsächliche Betreuung) anderer Personen, wie etwa der Großeltern, Pflegeeltern, des Vormunds oder Pflegers, so haben die Eltern in gleicher Weise die Pflicht zum Wohlverhalten ggü diesen. Aber auch die Obhutspersonen trifft diese Pflicht ggü den Eltern.
III. Abs 3 S 2–6: Anordnungen und Sanktionen.
Rn 23
Der Verletzung oder drohenden Verletzung der Wohlverhaltenspflicht gem II kann das FamG durch A...