Rn 47
Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des – grds bestehenden (Frankf FamRZ 19, 37) – Umgangsrechts (zur Abgrenzung zur Regelung Schlesw FamRZ 16, 1788) setzt gem IV 1 immer voraus, dass dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Soll dies für längere Zeit oder auf Dauer geschehen, so ist gem IV 2 erforderlich, dass andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre (BVerfG FamRZ 13, 361; 15, 1093, 1094 mAnm Fischer FamRZ 15, 1169; Jena FamRZ 00, 47; Schlesw FamRZ 00, 48, 49; Frankf FamRZ 2016, 68: unabhängig von Einvernehmen; J/H/A/Rake § 1684 Rz 55; vgl Salgo FamRZ 13, 343 zur Rspr des BVerfG); gem Art 31 Istanbul Konvention muss dabei auch die eigene Betroffenheit der Mutter als Opfer häuslicher Gewalt berücksichtigt werden (EGMR FamRZ 23, 277 mAnm Meysen; KG FamRZ 23, 131 mAnm Kischkel). Je gewichtiger der zu erwartende Schaden für das Kind, desto geringere Anforderungen müssen an den Grad der Wahrscheinlichkeit gestellt werden, mit der auf eine drohende oder erfolgte Verletzung geschlossen werden kann und desto weniger belastbar muss die Tatsachengrundlage sein, von der auf die Gefährdung des Kindeswohls geschlossen wird (BVerfG FamRZ 23, 49; 525). Bereits vor Inkrafttreten des KindRG war es in stRspr anerkannt, dass der völlige oder zeitweilige Ausschluss des Umgangs nur angeordnet werden darf, wenn dies nach den Umständen des Falles unumgänglich ist, um eine Gefährdung der körperlichen oder seelischen Entwicklung des Kindes abzuwenden, und diese Gefahr nicht auf andere Weise ausreichend sicher abgewehrt werden kann (BGH FamRZ 84, 1084; 88, 711; vgl BVerfG FamRZ 71, 412, 424; 95, 86, 87; 08, 246). Zudem können Kontaktaufnahme- und Näherungsverbote gem IV ausgesprochen werden (Frankf FamRZ 13, 1237). Vor dem völligen Ausschluss ist stets zu prüfen, ob nicht die bloße Beschränkung des Umgangsrechts oder dessen sachgerechte Ausgestaltung ausreichend ist, etwa durch Begleitung des Umgangs, die Anordnung der Umgangspflegschaft (BVerfG FamRZ 09, 399, 400) oder Beschränkung auf seltene Kontakte (Hamm FamRZ 16, 1778: Kind lebt in Pflegefamilie ohne Rückkehrperspektive). Bei staatlicher Inobhutnahme sind an jegliche weiteren Beschränkungen, insb des Sorge- oder Umgangsrechts strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG FamRZ 13, 361; 23, 438; Karlsr FamRZ 08, 1554). Aus Art 8 I EMRK folgt, dass Beschränkung und Ausschluss des Umgangsrechts mindestens einmal jährlich überprüft werden müssen (EuGHMR FamRZ 11, 1484 mit Anm Wendenburg; 18, 350). Ein Ausschluss ist nicht erforderlich, wenn der Umgangsberechtigte sein Umgangsrecht ohnehin nicht ausüben will (Frankf FamRZ 16, 479).
Rn 48
Die für einen Eingriff gem IV 2 erforderliche Kindeswohlgefährdung entspricht derjenigen des § 1666 (Staud/Rauscher § 1684 Rz 268; Grüneberg/Götz § 1684 Rz 24). Für die Eingriffsschwelle des IV 1 gilt dagegen der Maßstab des § 1696. Demnach sind für eine Einschränkung oder einen Ausschluss des Umgangsrechts von kürzerer Dauer triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe erforderlich aber auch ausreichend (J/H/A/Rake § 1684 Rz 57; Staud/Rauscher § 1684 Rz 269). Dabei weist das Wort ›soweit‹ in IV 1 auf den stets zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hin, weshalb ebenso wie bei IV 2 ein bestimmter Eingriff immer nur erfolgen darf, wenn keine weniger einschneidenden Maßnahmen für das zu erreichende Ziel zur Verfügung stehen (Staud/Rauscher § 1684 Rz 272).
Rn 49
Wegen der unterschiedlich hohen Eingriffsschwelle ist von Bedeutung, welche Zeiträume als ›längere Zeit‹ iSd IV 2 anzusehen sind. Dabei wird zum einen auf das altersgemäße Zeitempfinden des Kindes (J/H/A/Rake § 1684 Rz 54; s § 1632 Rn 7) und zum anderen auf die Häufigkeit des bisherigen Umgangs abzustellen sein. Insb aber erfordert es Sinn und Zweck der unterschiedlichen Eingriffsschwellen bei der zeitlichen Einordnung auch die Schwere des Eingriffs heranzuziehen (Nürnb FamRZ 17, 298, 300; Staud/Rauscher § 1684 Rz 267). Wird das bisher 14-tägig ausgeübte Umgangsrecht ausgeschlossen, so wird man auch bei einem älteren Kind bereits dann von einer längeren Zeit sprechen müssen, wenn der Umgang mehr als zweimal entfallen soll, was etwa einem Monat entspricht; bei einem jüngeren Kind kommt auch ein kürzerer Zeitraum in Betracht; im Einzelfall können auch 2 bis 3 Monate noch kurzfristig sein (Nürnb FamRZ 17, 298, 300). Dagegen kann bei einer weniger einschneidenden Maßnahme, wie etwa dem Verbot mit dem Kind ins Ausland zu fahren (wegen Entführungsgefahr), ein Zeitraum von einem halben Jahr noch als kurz angesehen werden. Ein Zeitraum über einem halben Jahr dürfte aber in jedem Fall eine ›längere Zeit‹ sein.
Rn 50
Wann eine Regelung bereits eine Einschränkung des Umgangsrechts iSd IV darstellt oder noch eine auf III 1 beruhende nähere konkrete Ausgestaltung des Umgangs ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden.
Rn 51
Es kann auch lediglich der Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht – und nicht gleich das Umgangsrecht selbst – eingeschränkt oder aus...