Gesetzestext
(1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.
(2) 1Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. 2Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet.
(3) 1Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. 2Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflicht anhalten. 3Wird die Pflicht nach Absatz 2 dauerhaft oder wiederholt erheblich verletzt, kann das Familiengericht auch eine Pflegschaft für die Durchführung des Umgangs anordnen (Umgangspflegschaft). 4Die Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. 5Die Anordnung ist zu befristen. 6Für den Ersatz von Aufwendungen und die Vergütung des Umgangspflegers gilt § 277 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend.
(4) 1Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. 2Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. 3Das Familiengericht kann insb anordnen, daß der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. 4Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt.
A. Abs 1: Umgangsrecht und Umgangspflicht.
I. Umgangsrecht des Kindes und Umgangspflicht der Eltern.
Rn 1
Bei der Ausübung und Ausgestaltung des Umgangsrechts ist zentraler Maßstab und oberste Richtschnur das Wohl des Kindes, dem im Konfliktfall der Vorrang vor den Elterninteressen zukommt (BVerfG FamRZ 99, 85, 86). Zum Wohl des Kindes gehört idR der Umgang mit beiden Elternteilen, § 1626 III 1. Denn für die Entwicklung des Kindes ist es von besonderer Wichtigkeit, dass es durch ungestörten persönlichen Umgang mit dem Elternteil, bei dem es nicht in Obhut ist, Gelegenheit erhält, sich ein eigenständiges, auf persönlichen Erfahrungen beruhendes Bild von diesem und dessen Ansichten zu machen (Köln FamRZ 98, 1463; 10, 1747). Ebenso ist anerkannt, dass es für eine gedeihliche seelische Entwicklung eines Kindes und die psychische Verarbeitung einer Familienauflösung in aller Regel bedeutsam ist, nicht nur einen sorgenden (und sorgeberechtigten) Elternteil als Bindungspartner zu haben, sondern auch den anderen Elternteil nicht faktisch zu verlieren, vielmehr die Beziehung zu ihm so gut wie möglich aufrechtzuerhalten (Celle FamRZ 98, 1458, 1459; 90, 1026, 1027; Hamm FamRZ 00, 45; Bambg FamRZ 00, 46, 47; Köln FamRZ 12, 1885). Dies gilt selbst dann, wenn das Kind wegen seines geringen Alters die Trennung gar nicht bewusst miterlebt und vielleicht in dem neuen Partner des Elternteils, bei dem es lebt, einen Ersatz gefunden hat oder finden könnte, weil die Erfahrung in den Adoptionsfällen lehrt, dass spätestens im jugendlichen Alter die Frage nach der Herkunft und nach der Person des leiblichen Elternteils große Bedeutung für die Identifikation und Selbstfindung des Kindes erlangt. Unabhängig davon, wie sich das Verhältnis zwischen dem Kind und dem Elternteil, bei dem es sich nicht (mehr) aufhält, entwickeln wird, sind beide für immer schicksalhaft miteinander verbunden, so dass dem Kind Gelegenheit gegeben werden muss auch diesen Elternteil kennen zu lernen, um zu begreifen, wo seine Wurzeln sind (KG FamRZ 03, 948, 949).
Rn 2
Daneben sind Entwicklungen denkbar, die es notwendig machen, dass der bisher nicht sorgeberechtigte Elternteil zur Übernahme der elterlichen Sorge oder Obhut verpflichtet ist, sei es dass der andere Elternteil stirbt (§ 1680 I und II) oder dass er aus anderen Gründen an einer weiteren Ausübung der elterlichen Sorge gehindert ist (§§ 1678 II, 1696 I; vgl auch Frankf FamRZ 88, 754, 755). In einem solchen Fall wird ein in der Vergangenheit wahrgenommenes Umgangsrecht die Umstellung des Kindes auf die veränderten Verhältnisse idR erleichtern (BVerfGE 64, 180, 189 = FamRZ 83, 872, 874 [BVerfG 31.05.1983 - 1 BvL 11/80]; BGH FamRZ 84, 778, 779).
Rn 3
Das Kind hat einen klagbaren und ausnahmsweise auch vollstreckbaren Anspruch auf Umgang (vgl Köln FamRZ 01, 1023; 02, 979; München FamRZ 05, 2010; Frankf FamRZ 21, 432), wenn dem auch in erster Linie nur Appellcharakter zukommt (Staud/Rauscher § 1684 Rz 59; vgl aber Brandbg FamRZ 05, 293, aufgehoben durch BVerfG FamRZ 08, 845). Doch dient ein mit Zwangsmitteln gegen einen umgangsunwilligen Elternteil durchgesetzter Umgang idR nicht dem Kindeswohl (BVerfG FamRZ 08, 845, 850 ff; 794; AG Celle FamRZ 10, 1681). Davon kann nicht in gleiche...