Gesetzestext
(1) 1Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. 2Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. 3Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. 4Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. 5§ 1629 Abs. 1 Satz 4 und § 1684 Abs. 2 Satz 1 gelten entsprechend.
(2) Das Familiengericht kann die Befugnisse nach Absatz 1 und Satz 2 und 4 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.
A. Anwendungsbereich und Gesetzeszweck.
Rn 1
Die Vorschrift gilt ausschl für Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht und die iSv § 1567 getrennt voneinander leben. Soweit die gemeinsame elterliche Sorge nur für einen Teilbereich besteht, ist § 1687 insoweit beschränkt anwendbar. Unerheblich ist, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder waren.
Rn 2
Grds gilt auch bei getrennt lebenden Eltern § 1627, wonach sie ihre elterliche Sorge im gegenseitigen Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben haben und bei Meinungsverschiedenheiten versuchen müssen, sich zu einigen. Da dies aber für untergeordnete Angelegenheiten des täglichen Lebens unnötige Reibungspunkte schaffen würde, gibt § 1687 I 2 einem Elternteil insoweit die alleinige Entscheidungsbefugnis. Dies ist eine wichtige Ergänzung und Hilfe zu einer erfolgreichen und praktikablen Handhabung der gemeinsamen Sorge bei getrennt lebenden Eltern (vgl BTDrs 13/4899, 107).
B. Abs 1: Stufensystem der Befugnisse.
I. S 1: Gegenseitiges Einvernehmen bei Entscheidungen von erheblicher Bedeutung.
1. Entscheidungen von erheblicher Bedeutung.
Rn 3
I 1 stellt klar, dass für Entscheidungen in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind weiterhin das gegenseitige Einvernehmen der Eltern erforderlich ist (vgl § 1627). Eine definitive Beschreibung, welche Angelegenheiten das sind, ist nicht möglich (Grüneberg/Götz § 1687 Rz 4). Im Umkehrschluss folgt aber aus I 2 und 3, dass es keine Angelegenheiten des täglichen Lebens sind, die idR häufig vorkommen und keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Dabei stehen Angelegenheiten gem 1 und 2 in einem ›Entweder-Oder-Verhältnis‹, das keine Zwischenbereiche zulässt (Schwab FamRZ 98, 457, 468). Angelegenheiten gem I 1 sind bspw Grundsatzentscheidungen auf den Gebieten der tatsächlichen Betreuung, der Bestimmung des Aufenthalts, der schulischen und religiösen Erziehung, der beruflichen Ausbildung oder der medizinischen Versorgung des Kindes (BTDrs 13/4899, 107). Dieser nicht abschließenden Aufzählung sind insb noch die Angelegenheiten des Umgangs, der Status- und Namensfragen sowie der Vermögenssorge einschl der Geltendmachung von Unterhalt hinzuzufügen, sofern grds Fragen betroffen sind (s.u. Rn 7).
2. Einvernehmen.
Rn 4
Das Einvernehmen der Eltern kann für den konkreten Einzelfall, aber auch vorweg für ein bestimmtes Bündel von Angelegenheiten erklärt werden. Im letzteren Fall sind aber Entscheidungen auf Grund sich neu ergebender Umstände nicht mehr vom ursprünglichen Einvernehmen gedeckt. Das Einvernehmen kann auch stillschweigend erteilt werden. Im Umfang des Einvernehmens erhält ein Elternteil auch die Ermächtigung zur Alleinentscheidung einschl der alleinigen Vertretungsmacht (§ 1629 I 3), sofern dies im Hinblick auf die zu regelnde Angelegenheit notwendig ist. Wenn kein Einvernehmen hergestellt werden kann, ist nach hM gem § 1628 zu verfahren (s aber § 1628 Rn 2). Demnach kann jeder Elternteil das FamG anrufen, das dann einem die Entscheidungsbefugnis überträgt. Daneben kann ein Elternteil die fehlende Übereinstimmung zum Anlass nehmen gem § 1671 II Nr 2 einen Antrag auf Übertragung der Alleinsorge für den betr Teilbereich zu stellen.
II. S 2 und 3: Alleinentscheidungsbefugnis in Alltagsangelegenheiten.
1. Gewöhnlicher Aufenthalt.
Rn 5
Alleinentscheidungsbefugt nach I 2 kann nur der Elternteil sein, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält. Dem G liegt der Regelfall des Residenzmodells zu Grunde, bei dem das Kind überwiegend bei dem betreuenden Elternteil lebt und zu dem anderen Elternteil Umgangskontakte mit mehr oder weniger langen Aufenthalten unterhält. Beim ›Wechsel-‹ oder ›Pendelmodell‹, bei dem das Kind mal beim einen, mal beim anderen Elternteil seinen Lebensmittelpunkt und damit seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wechselt mit diesem auch die Befugnis zur Entscheidung in Alltagsangelegenheiten (Staud/Salgo § 1687 Rz 15).
2. Entscheidungen des täglichen Lebens.
Rn 6
Was Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind, versucht I 3 näher zu beschreiben. Demnach weisen diese regelmäßig zwei Merkmale auf...