Gesetzestext
(1) 1Lebt ein Kind für längere Zeit in Familienpflege, so ist die Pflegeperson berechtigt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheiden sowie den Inhaber der elterlichen Sorge in solchen Angelegenheiten zu vertreten. 2Sie ist befugt, den Arbeitsverdienst des Kindes zu verwalten sowie Unterhalts-, Versicherungs-, Versorgungs- und sonstige Sozialleistungen für das Kind geltend zu machen und zu verwalten. 3§ 1629 Abs. 1 Satz 4 gilt entsprechend.
(2) Der Pflegeperson steht eine Person gleich, die im Rahmen der Hilfe nach den §§ 34, 35 und 35a Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Achten Buches Sozialgesetzbuch die Erziehung und Betreuung eines Kindes übernommen hat.
(3) 1Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn der Inhaber der elterlichen Sorge etwas anderes erklärt. 2Das Familiengericht kann die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.
(4) Für eine Person, bei der sich das Kind auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung nach § 1632 Abs. 4 oder § 1682 aufhält, gelten die Absätze 1 und 3 mit der Maßgabe, dass die genannten Befugnisse nur das Familiengericht einschränken oder ausschließen kann.
A. Abs 1: Alleinentscheidungsbefugnis von Pflegepersonen.
I. Anwendungsbereich.
Rn 1
Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist eröffnet, wenn ein Kind für längere Zeit in Familienpflege lebt. Damit ist die Vollzeitpflege gem § 33 SGB VIII sowie die auf Grund einer Pflegeerlaubnis gem § 44 I SGB VIII gewährte regelmäßige Betreuung und Unterbringung des Kindes außerhalb der Familie gemeint.
II. Umfang der Befugnis.
1. Alleinentscheidungsbefugnis und Vertretungsmacht.
Rn 2
Gem S 1 ist die Pflegeperson befugt in Angelegenheiten des täglichen Lebens allein zu entscheiden. Dies entspricht der Regelung der Alleinentscheidungsbefugnis des betreuenden Elternteils bei gemeinsamer Sorge gem § 1687 I 2 (s § 1687 Rn 5 ff). Anders geregelt ist aber das Recht, das Kind in diesen Angelegenheiten nach außen zu vertreten. Die Pflegeperson hat keine direkte Vertretungsmacht für das Kind, sondern nur eine mittelbare, indem es den Inhaber der elterlichen Sorge vertreten kann.
2. Vermögensangelegenheiten.
Rn 3
Darüber hinaus ist die Pflegeperson gem S 2 befugt, den Arbeitsverdienst des Kindes zu verwalten sowie die genannten Leistungen geltend zu machen und zu verwalten. Unterhaltsansprüche kann die Pflegeperson aber nicht gegen die Eltern geltend machen, wenn diese sorgeberechtigt sind, weil sie nur ein vom Inhaber der elterlichen Sorge abgeleitetes Vertretungsrecht hat (vgl Grüneberg/Götz § 1688 Rz 4).
3. Notvertretungsrecht.
Rn 4
IÜ steht der Pflegeperson auch das Notvertretungsrecht gem § 1629 I 4 zu (s § 1629 Rn 9).
4. Übertragung zur Ausübung.
Rn 5
Unabhängig von § 1688 kann der Sorgerechtsinhaber Teile der elterlichen Sorge und der gesetzlichen Vertretung zur Ausübung auf die Pflegeperson übertragen, sofern sich dies noch iRd Zulässigen hält (s § 1626 Rn 4).
B. Abs 2: Erweiterter Anwendungsbereich.
Rn 6
II erweitert den Anwendungsbereich des I auf Personen, die zwar keine Pflegepersonen iSd SGB VIII sind, aber das Kind iRe Heimerziehung oder einer sonstigen betreuten Wohnform gem § 34 SGB VIII, einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung gem § 35 SGB VIII oder der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche gem § 35a SGB VIII erziehen und betreuen.
C. Abs 3: Vorrang des Sorgerechtsinhabers und Eingriffsbefugnis des FamG.
I. S 1: Beschränkung durch Sorgerechtsinhaber.
Rn 7
S 1 stellt die Befugnisse der Pflegeperson und des ihr gleichgestellten Erziehers und Betreuers uneingeschränkt zur Disposition des Inhabers der elterlichen Sorge. In dem Umfang, in dem dieser etwas anderes erklärt, entfällt deren Alleinentscheidungsbefugnis. Diese Beschränkung stellt jedoch eine Ausn dar, so dass der Sorgerechtsinhaber hierfür die Feststellungslast trägt.
II. S 2: Gerichtliche Beschränkung.
Rn 8
S 2 gibt dem FamG die Ermächtigung, in die Alleinentscheidungsbefugnis der Pflegepersonen und der diesen gleichgestellten Personen einzugreifen, wenn das Wohl des Kindes dies erfordert. Die Regelung entspricht § 1687 II (s § 1687 Rn 14).
D. Abs 4: Befugnisse bei Verbleibensanordnung.
Rn 9
IV erweitert den Anwendungsbereich der I bis III auf Personen, bei denen sich das Kind auf Grund einer Verbleibensanordnung gem § 1632 IV oder § 1682 aufhält. Da in diesem Fall zwischen der Bezugsperson, bei der sich das Kind aufhält, und dem Inhaber der elterlichen Sorge Streit besteht, ist die Anwendbarkeit des III 1 ausgeschlossen. IV will sicherstellen, dass derjenige, der das Kind zu dessen Wohle noch eine gewisse Zeit betreuen soll, hierfür auch mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet ist.