1. Allgemeines.
Rn 1
Der mit Inkrafttreten des FGG-RG am 1.9.09 neu gestaltete § 1696 enthält die materiell-rechtliche Eingriffsbefugnis zur Änderung von sorge- und umgangsrechtlichen Entscheidungen sowie von gerichtlich gebilligten Vergleichen iSd § 156 II FamFG. Die verfahrensrechtlichen Regelungen wurden in § 166 FamFG übernommen. Inhaltlich neu ist lediglich, dass nunmehr auch gerichtlich gebilligte Vergleiche der Abänderung nach § 1696 unterliegen. Die Generalnorm des I 1 tritt ggü den Spezialvorschriften des I 2 und II zurück. Die Anwendung des I 1 setzt voraus, dass eine Entscheidung des FamG oder ein von diesem gerichtlich gebilligter Vergleich auf dem Gebiet der elterlichen Sorge oder des Umgangsrechts bereits vorliegt. Ohne einen solchen Titel kann eine Abänderung gem § 1696 I 1 nicht erfolgen. Deshalb findet die Vorschrift keine Anwendung, wenn eine privatrechtliche Vereinbarung der Eltern oder ein kraft Gesetzes bestehendes Sorgerechtsverhältnis abgeändert werden soll (Staud/Coester § 1696 Rz 35f). Abänderbar sind auch ausländische Entscheidungen, die im Inland anerkennungsfähig sind (Hamm FamRZ 15, 346; Nürnbg FamRZ 21, 600, 606). Hauptanwendungsfälle sind die Abänderung von gerichtlichen Umgangsanordnungen oder -vergleichen (vgl Frankf FamRZ 19, 206; KG FamRZ 19, 363 zu Abänderung Wechselmodell; 23, 606); Privatvergleiche nicht Jena FamRZ 14, 859) sowie von Sorgeentscheidungen gem § 1671 (vgl Kobl FamRZ 19, 216). Dagegen unterliegt die auf Grund gemeinsamer Sorgeerklärung gem § 1626a I Nr 1 (Schwab FamRZ 98, 457, 471) oder Heirat gem § 1626a I Nr 2 bestehende gemeinsame elterliche Sorge ebenso wenig der Abänderung gem § 1696 wie die gem § 1626a III bestehende Alleinsorge der unverheirateten Mutter. Die Zurückweisung eines Antrags gem § 1626a II stellt eine gerichtliche Entscheidung iSd Abs 1 S 1 dar (Bambg FamRZ 22, 1780; KG FamRZ 11, 122). Kein Fall der Abänderung ist die Entscheidung zum Umgang – auch zur Anordnung eines paritätischen Wechselmodells – bei vorausgegangener Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, da dieser keine Bindungswirkung zukommt (BGH FamRZ 20, 255; Brandbg FamRZ 20, 1655).
Rn 2
[nicht besetzt]
Rn 3
Dass die gemeinsame Sorge, die nach neuem Recht trotz Trennung und Scheidung fortbesteht, keiner Abänderung nach § 1696 I zugänglich ist, versteht sich von selbst, da eine gerichtliche Entscheidung gerade fehlt. Aber auch wenn ein Antrag eines Elternteils gem § 1671 II zurückgewiesen wurde, gilt nichts anderes (Oldbg FamRZ 19, 807; ähnl bei Ablehnung des Umgangsrechtsantrages Hamm EzFamR aktuell 97, 7; im Erg ebenso Staud/Coester § 1696 Rz 35, der § 1671 II Nr 2 – wie alle strengeren Maßstäbe – als lex specials ansieht; aA KG FamRZ 11, 122, 123: Maßstab ist zunächst § 1696; Brandbg FamRZ 14, 1861), weil auch hier die gemeinsame Sorge nicht durch die gerichtliche Entscheidung begründet wurde, sondern lediglich fortbesteht. Auch ergäben sich dadurch unnötige Probleme bei der Frage, nach welchem Maßstab der nunmehrige Antrag des damaligen Antragsgegners zu beurteilen wäre. Würde man für diesen auch § 1696 heranziehen, wäre er durch den ursprünglich unbegründeten Antrag des anderen Elternteils benachteiligt; würde man aber § 1671 nur auf diesen Elternteil anwenden ergäben sich unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe für das gleiche Sorgerechtsverhältnis.
2. Vorrang des Rechtsmittels.
Rn 4
Die Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung gem § 1696 kommt erst in Betracht, wenn sie rechtskräftig ist. Solange die Möglichkeit besteht dagegen mit Rechtsmitteln vorzugehen, scheidet die Anwendung von § 1696 aus. Doch steht den Beteiligten die uneingeschränkte Dispositionsbefugnis darüber zu, ob sie gegen eine Entscheidung des FamG ein Rechtsmittel einlegen oder sie ein bereits eingelegtes Rechtsmittel durchführen; diese Entschließungsfreiheit wird auch durch § 1696 I nicht beeinträchtigt (BGH FamRZ 99, 1585, 1586). Deshalb können die Parteien auch außergerichtlich durch Vertrag den Verzicht auf ein bereits eingelegtes Rechtsmittel vereinbaren (BGH FamRZ 99, 1585, 1586).
Rn 5
Ein Vergleich kann nur auf Antrag eines Elternteils oder unter den Voraussetzungen des § 1666 abgeändert werden. Denn er beruht auf einer einverständlichen Entscheidung der Eltern (AmtlBegr BTDrs 16/6308, 346).
Rn 6
Gegenüber Maßnahmen gem § 1666 ist wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Abänderung gem § 1696 vorrangig, wenn die Gefahr auch dadurch abgewendet werden kann. Wegen des höheren Prüfungsmaßstabes hat aber § 1666 in den Fällen Vorrang, in denen es nicht darum geht, die getroffene Sorgeregelung wegen veränderter Umstände abzuändern, sondern bei Gefährdung des Kindeswohls gerichtlich einzuschreiten (BVerfG FamRZ 09, 1472, 1474). IÜ gehen Sonderregelungen, die einer Veränderung der Umstände bereits Rechnung tragen, der Anwendung des § 1696 vor, was durch I 2 ausdrücklich klargestellt wird (AmtlBegr BTDrs 16/6308, 346; eingehend Staud/Coester § 1696 Rz 10 ff).