Gesetzestext
Wird die Vollmacht durch Erklärung gegenüber einem Dritten erteilt, so bleibt sie diesem gegenüber in Kraft, bis ihm das Erlöschen von dem Vollmachtgeber angezeigt wird.
A. Normzweck, Systematik und dogmatische Grundlagen der §§ 170–173.
Rn 1
Die §§ 170–173 schützen das Vertrauen des gutgläubigen (§ 173) Vertragspartners in den Bestand einer Außenvollmacht (§ 170) und einer kundgegebenen Innenvollmacht (§§ 171 I, 172 I). IGgs zur Außenvollmacht begründet die Vollmachtserteilung bei einer internen Vollmacht selbst noch keinen Vertrauenstatbestand. § 171 knüpft deshalb an die Kundgabe der Vollmacht nach außen durch Mitteilung an einen Dritten oder öffentliche Bekanntgabe an. § 172 stellt die Aushändigung einer Vollmachtsurkunde in den rechtlichen Folgen der Vollmachtskundgabe durch Mitteilung gleich (BGH WM 08, 1266 Rz 19). Die §§ 170 ff normieren nach hM eine Rechtsscheinhaftung (BeckOKBGB/Schäfer Rz 2). Nach aA beruht die Haftung in den Fällen der §§ 170 ff (Rechtsgeschäftstheorie; Flume II § 49 2, § 51 9) auf rechtsgeschäftlichen Handlungen, die nur durch gegenläufige Rechtsgeschäfte beseitigt werden können. Gegen diese Ansicht spricht die für eine Rechtsscheinhaftung typische Struktur und Systematik der §§ 170 ff (vgl Bork Rz 1522). Die Rechtsnatur der Rechtscheinvollmacht ist str. Entgegen der teilw vertretenen Ansicht, dass die ursprüngliche Vollmacht aufgrund des Rechtsscheins als entspr gesetzliche Vertretungsmacht fortwirkt (BeckOKBGB/Schäfer Rz 7; § 171 Rn 6), verschafft die Rechtsscheinhaftung nach hM kraft Gesetzes eine vollmachtsgleiche Vertretungsmacht (Staud/Schilken § 171 Rz 2). Nach zutreffender Ansicht handelt es sich hierbei nicht um eine echte Vertretungsmacht. Die Rechtsscheinvollmacht führt vielmehr als Reflexwirkung des Vertrauensschutzes nur zu einem Einwendungsausschluss, aufgrund dessen der Vertretene sich im Verhältnis zum Vertragspartner auf das Fehlen der Vertretungsmacht nicht berufen kann. Der Vertragspartner kann auf den Einwendungsausschluss verzichten und stattdessen den Vertreter aus § 179 in Anspruch nehmen (Bork Rz 1546 f; str s § 167 Rn 49).
B. Tatbestandsvoraussetzungen des § 170.
I. Nachträgliches Erlöschen einer wirksam erteilten Außenvollmacht.
Rn 2
§ 170 ist nur anwendbar, wenn eine wirksam erteilte Außenvollmacht nachträglich erloschen ist. Der Vertragspartner muss Kenntnis von der externen Bevollmächtigung genommen haben; der Zugang der Vollmachtserklärung genügt dagegen nicht, um einen Vertrauenstatbestand zu begründen (Staud/Schilken Rz 2). Auf die unwirksame, dh auch auf die mit Wirkung ex tunc (§ 142 I) angefochtene Vollmacht ist § 170 nach hM weder direkt noch indirekt anwendbar. Insoweit richtet sich der Vertrauensschutz vielmehr ausschließlich nach §§ 104 ff, 116 ff, 122 (Bork Rz 1519) und nach den Regeln über die Duldungs- und die Anscheinsvollmacht (§ 167 Rn 37 ff). § 170 gilt aber auch dann, wenn die Außenvollmacht eingeschränkt werden soll (Staud/Schilken Rz 3).
II. Schutzwürdigkeit des Vertragspartners.
Rn 3
Auf den Fortbestand der Vollmacht kann nur der gutgläubige Vertragspartner vertrauen, s § 173. In der Insolvenz des Vollmachtgebers ist der Vertragspartner trotz Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 170, 173 nicht schutzwürdig. Denn wenn der Vollmachtgeber gem § 80 I InsO nicht mehr über sein Vermögen verfügen kann, gilt das erst recht für seinen Vertreter (BeckOKBGB/Schäfer Rz 6).
III. Erlöschensanzeige iSv § 170.
Rn 4
Der Vertragspartner kann sich auf den Vertrauensschutz nach § 170 nicht mehr berufen, sobald ihm das Erlöschen der Vollmacht angezeigt wurde. Die Erlöschensanzeige ist nach zutreffender Ansicht eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf welche die Vorschriften über Willenserklärungen (§§ 104 ff) entspr Anwendung finden (MüKo/Schubert Rz 11; Flume II § 51 9). Der Zugang der Anzeige genügt; auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an (Staud/Schilken Rz 7).
C. Beweislast.
Rn 5
Derjenige, der sich auf das Erlöschen der Außenvollmacht beruft, muss den Wegfall des Rechtsscheins in Form einer wirksamen Erlöschensanzeige oder die tatsächlichen Voraussetzungen der Bösgläubigkeit des Vertragspartners beweisen (Baumgärtel/Laumen/Prütting/Prütting Hdb der Beweislast 5. Aufl 23 Bd 2 § 170 Rz 1; BeckOKBGB/Schäfer Rz 1).
D. Duldungs- und Anscheinsvollmacht.
Rn 6
S § 167 Rn 37 ff.