1. Echte Vollmachtsurkunde.
Rn 2
Vollmachtsurkunde ist ein gem § 126 von dem Vollmachtgeber unterzeichnetes oder mit einem notariell beglaubigten Handzeichen des Vollmachtgebers versehenes Schriftstück, in dem der Vollmachtgeber erklärt, dass er einem anderen Vollmacht erteilt und das sowohl die Person des Bevollmächtigten als auch den Umfang seiner Vertretungsmacht bezeichnet (Staud/Schilken Rz 1). Die Urkunde muss echt sein, das heißt von der aus ihr als Aussteller hervorgehenden Person stammen (BeckOKBGB/Schäfer Rz 4).
2. Aushändigung.
Rn 3
Für die Aushändigung der Vollmachtsurkunde genügt es, wenn diese mit dem Willen des Vollmachtgebers in den Verkehr gelangt. Ausreichend ist es somit, wenn der Vollmachtgeber bei der Errichtung der notariellen Vollmachtsurkunde bestimmt, dass dem Vertreter eine Ausfertigung erteilt wird (Karlsr ZIP 05, 1633, 1634). Die Aushändigung der Urkunde muss willentlich und zum Zwecke des Gebrauchmachens geschehen. Der Schutz des § 172 gilt daher nicht für abhanden gekommene Urkunden (BGHZ 65, 13, 14f). Die Aushändigung der Vollmachtsurkunde ist wie die Vollmachtskundgabe iSd § 171 eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, auf welche die Vorschriften über Willenserklärungen (§§ 104 ff) entspr Anwendung finden (BeckOKBGB/Schäfer Rz 5). Die Ausführungen zu § 171 Rn 2 gelten entspr.
3. Vorlage.
Rn 4
Die Vollmachtsurkunde ist iSd § 171 vorgelegt, wenn sie der sinnlichen Wahrnehmung des Vertragspartners unmittelbar zugänglich gemacht wird (BGHZ 76, 76, 78). Für die Vorlage durch den Vertreter reicht es aus, wenn ein Dritter die Urkunde mit Wissen und Wollen des Vertreters vorlegt (Karlsr ZIP 05, 1633, 1634). Die Urkunde muss spätestens bei Abschluss Vertretergeschäfts (BGH WM 08, 1266 Rz 18f), der bei in Abwesenheit abgegebenen Willenserklärungen erst mit deren Zugang beim anderen Teil (§ 130) vorliegt (BGH NJW 12, 3294 [BGH 17.07.2012 - XI ZR 198/11] Rz 37 ff), im Original, dh in Urschrift oder bei einer notariell beurkundeten Vollmacht in Ausfertigung (§ 47 BeurkG) vorgelegen haben (BGH Urt v 20.3.07 – XI ZR 362/06 Rz 13) eine Abschrift, Kopie oder Mitteilung per Telefax (BGH WM 17, 2256 Rz 26) genügt nicht. Eine vom Vollmachtgeber mittels eines Durchschreibesatzes (›Blaupause‹) erstellte Vollmacht ist aber als Originalunterlage iSd § 172 anzusehen, wenn der Vollmachtgeber mit ihr eine gleichwertige Urschrift und nicht nur eine Abschrift herstellen wollte (für die Durchschrift eines Zeichnungsscheins BGH WM 07, 108 Rz 25). Eine Bezugnahme auf die bei Gericht oder einem Notar hinterlegte Vollmachtsurkunde genügt hingegen idR nicht (BGHZ 102, 60, 65). Einer Vorlage der Vollmachtsurkunde steht es jedoch gleich, wenn der Vertragspartner zur Einsichtnahme ermächtigt wird und Einsicht nimmt (Staud/Schilken Rz 3) oder wenn die Vollmachtsurkunde aus Anlass eines früheren Geschäfts vorgelegt worden ist (BGH WM 05, 1598, 1599). Eine bloße Bezugnahme auf die Vollmacht ist ferner ausreichend, wenn die Vollmacht dem Notar bei der Beurkundung eines notariellen Vertrages vorlag, dieser das Vorliegen der Vollmacht ausdrücklich in seine Verhandlungsniederschrift aufgenommen und deren Ausfertigung zusammen mit einer Abschrift der Vollmacht dem Vertragspartner zugeleitet hat (BGH WM 07, 110 Rz 25; 06, 1060 Rz 30). Das Gleiche gilt, wenn die Vollmacht von dem Notar selbst beurkundet wurde und jederzeit bei ihm zugänglich ist (BGHZ 102, 60, 65). Es genügt die Vorlage der in einem notariellen Vertragsangebot enthaltenen Vollmacht; der Vorlage einer Ausfertigung der notariell beurkundeten Annahme des Vertragsangebotes bedarf es nicht (BGH WM 07, 440 Rz 18). Für die Anwendung des § 172 ist weder eine Kenntnisnahme des Vertragspartners von dem Urkundeninhalt noch der Nachweis erforderlich, dass der Vertragspartner durch den Rechtsschein des Urkundenbesitzes zum Geschäftsabschluss veranlasst wurde (BGH WM 06, 1060 Rz 30).