I. Antragsverfahren.
Rn 3
Das Ersetzungsverfahren setzt stets einen Antrag des Kindes voraus. Die Regelungen des § 1746 geltend entspr. Dies bedeutet, dass mit Vollendung des 14. Lebensjahres das Kind selbst entscheidet, ob es den Antrag stellt, der gesetzliche Vertreter jedoch zustimmen muss. Da gerade in Fällen der Ersetzung häufig ein Interessenkonflikt bestehen wird, muss in diesen Fällen ein Verfahrensbeistand (§§ 158 III Nr 1, § 192 S 2 FamFG) für das Kind bestellt werden. Die Bestellung muss speziell für diesen Fall erfolgen, denn Pflegschaften allgemein erstrecken sich auf diese Fallgestaltung nicht (Stuttg FamRZ 04, 542).
Rn 3a
Die Ersetzung der Zustimmung strahlt zwar in das Adoptionsverfahren aus und ist eine der vielen Voraussetzungen für eine wirksame Annahme, jedoch ist das Ersetzungsverfahren ein eigenständiges Verfahren (§§ 186 Nr 2, 198 I FamFG). Dies ergibt sich aus der Auflistung in § 186 Nr 1 und 2 FamFG, welche zwischen Annahme- und Ersetzungsverfahren unterscheidet. Die örtliche Zuständigkeit kann daher mit der des Annahmegerichtes auseinanderfallen. Der Beschl muss begründet werden, da er rechtsmittelfähig ist und erst mit Rechtskraft Wirkung entfalten kann. Erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit ersetzt der Beschl die Willenserklärung des Elternteils, dessen Zustimmung oder Einwilligung erforderlich ist (§ 198 I FamFG).
II. Anhaltende gröbliche Pflichtverletzung (Abs 1).
Rn 4
Eine Ersetzung ist nur dann zulässig, wenn der Elternteil seine ggü dem Kind bestehenden Pflichten gröblich und anhaltend verletzt. Liegen die Voraussetzungen nach § 1666 vor, werden diese grds auch für die Ersetzung anzunehmen sein. Gröblich ist eine Pflichtverletzung stets dann, wenn Grundbedürfnisse des Kindes gefährdet werden. Neben der objektiven Pflichtverletzung bedarf es auch der Feststellung, dass subjektiv ein Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit besteht, denn der Elternteil muss das Unrecht seiner Handlungsweise erkennen können (BayObLG FamRZ 99, 1688). So kann selbst eine über mehrere Jahre fehlende Sorge um das Kind nicht als ausgeprägte und langandauernde Pflichtverletzung einzuordnen sein, wenn das Verhalten des Elternteils bspw auf einer Suchterkrankung oder psychischen Erkrankung beruht (Kobl Beschl v 8.4.21 – 13 UF 86/21, juris, Rz 17). Im Einzelfall genügt auch ein einmaliger Vorgang, jedoch muss er so schwerwiegend sein, dass es nicht mehr verantwortet werden kann, das Kind wieder der Obhut des seine Pflichten verletzenden Elternteils anzuvertrauen.
Rn 5
Von einer besonders schweren Pflichtverletzung iSd § 1748 I 2 ist auszugehen, wenn das Fehlverhalten im Verhältnis zum Kind einem kriminellen Vergehen gleichkommt. Die Art und Schwere der Pflichtverletzung, die Persönlichkeit des Elternteils, die Gefahr zukünftiger Pflichtverletzungen und die Bindungstendenz müssen bei der Prognose, ob das Kind dauerhaft nicht mehr in die Obhut des Elternteils gegeben werden kann, Berücksichtigung finden. Von einer besonders schweren Pflichtverletzung ist bspw im Fall der Tötung der Mutter eines fast einjährigen Kindes durch einen schuldfähigen Kindesvater auszugehen. Im Falle einer besonders schweren Pflichtverletzung nach § 1748 I 2 ist zudem nicht zu prüfen, ob das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde (Brandbg FamRZ 07, 2006–2007).
Rn 5a
Außer in Fällen einer besonders schweren Pflichtverletzung bedarf eine Ersetzung weiterhin noch der Feststellung, dass das Unterbleiben der Annahme für das Kind zu unverhältnismäßigen Nachteilen führen würde. Kann diese Feststellung nicht erfolgen, sind andere Maßnahmen im Interesse des Kindes zu ergreifen, eine Ersetzung kommt dann jedoch nicht in Betracht. Das Jugendamt muss den Elternteil nicht nur über die Hilfemöglichkeiten des SGB VIII belehren, sondern auch darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Ersetzung der Einwilligung möglich ist. Damit soll erreicht werden, dass dem Elternteil bewusst wird, dass er objektiv gegen grds Kindesinteressen verstößt. In der Belehrung ist auch darauf hinzuweisen, dass erst nach Ablauf von 3 Monaten eine Ersetzung zulässig ist. Damit wird dem Elternteil Gelegenheit gegeben, sein Verhalten zu überdenken und zu ändern.
Rn 5b
Nach der Intention des Gesetzgebers ist jedenfalls von einem unverhältnismäßigen Nachteil auszugehen, wenn das anzunehmende Kind ohne Adoption nicht in einer Familie, sondern in einem Heim aufwachsen müsste (BTDrs 7/421, 5). Besonderen Schwierigkeiten begegnet dagegen die Feststellung eines unverhältnismäßigen Nachteils bei Unterbleiben einer Adoption, wenn auch ohne die Adoption der Verbleib des Anzunehmenden in einer funktionierenden Pflegefamilie nicht gefährdet ist. Einerseits ist die bloße Erklärung der Pflegeeltern, auch ohne Adoption das Kind in der Familie zu pflegen, jedenfalls nicht ausreichend, um einen unverhältnismäßigen Nachteil zu verneinen, auch wenn diese Position ggü Dritten, insb den Eltern, mglw durch eine Verbleibensanordnung nach § 1632 IV gesichert werden kann (BGH NJW-RR 86, 802, 803 [BGH 05.02.1986 - IVb ZB 1/86]). Andererse...