Gesetzestext
(1) 1Mit der Annahme erlöschen das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten. 2Ansprüche des Kindes, die bis zur Annahme entstanden sind, insbesondere auf Renten, Waisengeld und andere entsprechende wiederkehrende Leistungen, werden durch die Annahme nicht berührt; dies gilt nicht für Unterhaltsansprüche.
(2) Nimmt ein Ehegatte das Kind seines Ehegatten an, so tritt das Erlöschen nur im Verhältnis zu dem anderen Elternteil und dessen Verwandten ein.
Rn 1
Mit dem Entstehen der neuen Verwandtschaftsverhältnisse erlöschen grds auch die korrespondierenden Verwandtschaftsverhältnisse zu der bisherigen Familie. Schon mit der Einwilligung der Eltern wird deren Rechtssituation beschränkt (§ 1751), jedoch erlöschen alle Rechte erst mit der wirksamen Annahme. Diese Regelung ist weder verfassungswidrig noch konventionswidrig (BGH MDR 17, 399 [BGH 08.02.2017 - XII ZB 586/15]). Da das Kind durch die Adoption die rechtliche Stellung erhält, die es mit der Geburt in diesem sozialen Umfeld erworben hätte, erlöschen jedoch nur die Rechtsbeziehungen, die in einem Verhältnis zur Adoption stehen. Das Erlöschen der Verwandtschaftsverhältnisse nach § 1755 hindert jedoch nicht eine spätere ›Rückadoption‹ des leiblichen Elternteils (Grziwotz NJW 23, 663, 664).
Rn 2
Im Fall der Stiefkindadoption ist das Erlöschen der Verwandtschaftsverhältnisse des angenommenen Kindes auf den Elternteil einschließlich seiner Verwandtschaft beschränkt, der nicht mit dem Annehmenden verheiratet ist.
Rn 3
Erworbene Ansprüche des Kindes auf Rente, Waisengeld und andere wiederkehrende Leistungen bleiben erhalten. Sinn der Regelung ist, dass durch die Adoption das Wohl des Kindes gefördert werden soll, was mit einem solchen Anspruchsverlust nicht zu vereinbaren wäre. Insb verliert das Kind keine Rechte, soweit es diese schon vor der Annahme erworben hat, behält also auch eine angefallene Erbschaft. Während der Anspruch auf laufenden Unterhalt gg die bisherigen Verwandten erlischt, behält das angenommene Kind Ansprüche auf rückständigen Unterhalt gg die bisherigen Verwandten mangels Erwerbs eines Äquivalentes gegen die neuen Verwandten (BGH NJW 81, 2298 [BGH 08.07.1981 - IVb ZR 597/80]).
Rn 4
Das Umgangsrecht der leiblichen Eltern mit dem adoptierten Kind, das schon nach der Erteilung der Einwilligung nach § 1751 I 1 ruht, erlischt endgültig. Dies betrifft allerdings nur das Umgangsrecht nach § 1684 und nicht ein vom Elternrecht unabhängiges Umgangsrecht aus § 1685 II, 1686a I Nr 1 (BGH NJW 21, 2801, 2805 [BGH 16.06.2021 - XII ZB 58/20]). Es erlöschen auch die Umgangsrechte mit leiblichen Großeltern (Celle, Beschl v 18.5.04 – 21 UF 67/04, juris) oder Geschwistern (Dresd JAmt 12, 37) gem § 1685 I, da auch zwischen ihnen und dem angenommenen Kind das Verwandtschaftsverhältnis endet. Ob für biologische Großeltern als enge Bezugspersonen ein Umgangsrecht nach § 1685 II infrage kommt, hängt von der sozial-familiären Beziehung, dh der Übernahme tatsächlicher Verantwortung für das angenommene Kind, ab (Keuter NZFam 21, 816, 819).
Rn 5
Nach Auffassung des OLG Celle schließt jedoch eine Minderjährigenadoption nicht die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft eines potenziellen leiblichen Vater aus, wenn er selbst im Adoptionsverfahren nicht beteiligt wurde. Die Entscheidungsformel im Vaterschaftsfeststellungsverfahren muss jedoch dem bereits durch die Adoption begründeten Eltern-Kind-Verhältnis Rechnung tragen, da eine doppelte rechtliche Vaterschaft nicht möglich ist und die rechtlichen Beziehungen des angenommenen Kindes zu seinen Adoptiveltern unbeeinflusst von einer möglichen Feststellung der Vaterschaft bleiben (Celle FamRZ 21, 285; 22, 1792).
Rn 6
Obwohl nach § 1755 I 1 das Eltern-Kind-Verhältnis erlischt, bleibt der Auskunftsanspruch des angenommenen Kindes gegen seine leibliche Mutter über die Identität seines leiblichen Vaters aus § 1618a erhalten, da es sich um einen bereits vor der Adoption entstandenen, noch nicht abgewickelten Anspruch des Kindes handelt (BGH FamRZ 22, 633, 635).