Gesetzestext
(1) Die Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Ohne die Genehmigung darf die Maßnahme nur durchgeführt werden, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.
(2) Die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.
(3) Die Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist zu erteilen, wenn die Einwilligung, die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betreuten entspricht.
(4) Eine Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer und behandelndem Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder Widerruf der Einwilligung dem nach § 1827 festgestellten Willen des Betreuten entspricht.
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nach Maßgabe des § 1820 Absatz 2 Nummer 1 für einen Bevollmächtigten entsprechend.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 1829 entspricht unter Anpassung der Verweisungen und Vornahme kleinerer redaktioneller Korrekturen § 1904 I–IV aF. V aF ist jetzt in § 1820 II Nr 1 enthalten (BTDrs 19/24445, 260).
Die Norm dient dem Schutz des Betroffenen vor medizinischen Behandlungen, die mit einer besonderen Gefahr für sein Leben verbunden sind oder durch die er zumindest einen länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleiden kann. Da jeder ärztliche Eingriff rechtstechnisch eine Körperverletzung darstellt, ist er grds nur gerechtfertigt, wenn eine Einwilligung des Patienten vorliegt. Wer selbst noch einwilligungsfähig ist, entscheidet selbst, auch wenn ein Betreuer bestellt ist. Für diese Entscheidung kommt es nur darauf an, dass der Betroffene die natürliche Fähigkeit besitzt, die Bedeutung und die Gefahr der konkret zur Entscheidung stehenden Behandlung zu erkennen (Hamm BtPrax 97, 162, 163), Geschäftsfähigkeit ist nicht erforderlich. Fehlt es an der natürlichen Einsichtsfähigkeit des Betreuten und liegt auch keine wirksame vorab erteilte Einwilligung des Betreuten in Form einer Patientenverfügung vor (BGH FamRZ 19, 236; 19, 307), so kann der Betreuer entscheiden (BGH NJW 03, 1588, 1589). Nur dann kommt ein Genehmigungserfordernis nach § 1829 in Betracht, wenn es sich zusätzlich um eine besonders gefährliche medizinische Behandlung handelt. Wird der Arzt ohne die Einwilligung tätig, kann unabhängig vom Behandlungserfolg eine Straftat (§ 223) und eine unerlaubte Handlung vorliegen (§ 823).
B. Voraussetzung für die Anwendung des § 1829.
Rn 2
Zunächst muss ein Betreuer/Bevollmächtigter handeln, dem der Aufgabenkreis der ärztlichen Behandlung oder Heilbehandlung (ggf mit Beschränkung auf einen bestimmten ärztlichen Bereich) übertragen wurde. Beim Bevollmächtigten müssen die in I 1 genannten Maßnahmen ausdrücklich von der schriftlich erteilten Vollmacht umfasst werden (V). Hierzu muss aus der Vollmacht auch deutlich werden, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden Schadens verbunden sein kann (BGH BtPrax 16, 187 [BGH 06.07.2016 - XII ZB 61/16]). Ggf kann es auch zu der Genehmigung einer Behandlung gegen den Willen des Betreuten kommen. Allerdings wird diese Möglichkeit dadurch eingeschränkt, dass auch in Bezug auf medizinische Maßnahmen, der auch sonst das Betreuungsrecht bestimmende Grundsatz des Vorrangs des Willens des Betroffenen, zu beachten ist (§ 1821 II 1). Der Betreuer hat dabei auch den mutmaßlichen Willen des Betreuten zu berücksichtigen. Dies gilt auch, wenn der Betreute einen der Sache nach gebotenen medizinischen Eingriff ablehnt (Staud/Bienwald § 1904 aF Rz 23; BGH FamRZ 16, 1671). Der Betreuer darf in diesem Fall nur vom Willen des Betroffenen abweichen, wenn das Wohl des Betreuten dies verlangt oder die Befolgung seines Willens für ihn unzumutbar ist. Hat der Betroffene seinen Willen in einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht niedergelegt (vgl § 1827 Rn 2), so bindet diese den Betreuer/Bevollmächtigten (Roth JZ 04, 494) u das BtG (BGH BtPrax 14, 268). Zur grds Bindungswirkung einer Patientenverfügung für Ärzte, Angehörige und Betreuer vgl nunmehr § 1827.
Rn 3
Zu den durch das BtG zu genehmigenden ärztlichen Maßnahmen zählen die Untersuchung des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe (I 1). Diese Aufzählung umfasst alle denkbaren medizinischen Maßnahmen mit Ausnahme der Organspende, die nicht genehmigungsfähig ist (Deinert BtPrax 98, 60).
Eine zwangsweise Durchsetzung des genehmigten Eingriffs gegen den Willen des Betreut...