Prof. Dr. Maximilian Zimmer
Gesetzestext
(1) Erbe kann nur werden, wer zur Zeit des Erbfalls lebt.
(2) Wer zur Zeit des Erbfalls noch nicht lebte, aber bereits gezeugt war, gilt als vor dem Erbfall geboren.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Unmittelbarkeit des Erbfalls (§ 1922 Rn 1) setzt voraus, dass Erblasser und Erbe wenigstens kurzzeitig gleichzeitig am Leben gewesen sein müssen (vgl § 1922 Rn 3). Die Erbfähigkeit ergibt sich aus der allgemeinen Rechtsfähigkeit; daher endet sie mit dem Tod. Ausgeschlossen sind demnach diejenigen, die vor dem Erblasser gestorben sind und nach dem Erbfall geboren werden. Eine Ausnahme gilt für den nasciturus, der zwar vor dem Erbfall gezeugt, aber erst nach dem Erbfall lebend geboren wird, ebenso bei bedingter Erbeinsetzung (§ 2074) und bei der Einsetzung als Nacherbe (§ 2108).
Rn 2
Von der Erbfähigkeit zu unterscheiden ist das gesetzliche Verbot unter bestimmten Voraussetzungen Erbe zu werden. So sind etwa die an der Beurkundung einer Verfügung von Todes wegen mitwirkenden Notare, Dolmetscher und zugezogenen Vertrauenspersonen für die Zuwendungen, die durch die beurkundete Verfügung erfolgen soll, relativ erbunwürdig, §§ 7, 16 III, 24 II mit 27 BeurkG (Grüneberg/Weidlich § 1923 Rz 1).
Rn 3
IÜ sind Zuwendungen von Heimbewohnern an Beschäftigte oder Träger dieses Heimes wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot in § 14 HeimG oder landesrechtlichen Wohn- und Betreuungsgesetzen unter bestimmten Voraussetzungen nach § 134 unwirksam (BGH NJW 90, 1603 [BGH 09.02.1990 - V ZR 139/88]; NJW 12, 155 [BGH 26.10.2011 - IV ZB 33/10]; § 134 Rn 47; München FamRZ 21, 1841). Der beurkundende Notar hat, zur Vermeidung einer Amtspflichtverletzung, auf die mögliche Unwirksamkeit einer solchen Verfügung hinzuweisen (München ZEV 96, 145).
Rn 4
Die Beschränkungen des HeimG gelten auch für betreute Wohngemeinschaften (KG ZEV 18, 526), jedoch nicht für Heime, die sich außerhalb Deutschlands befinden (Oldbg FamRZ 99, 1313), mangels Heimeigenschaft nicht für Betreuungen innerhalb der Familie (BayObLG NJW-RR 98, 729) und für die Pflege in der eigenen Wohnung, etwa durch einen ambulanten Pflegedienst (Ddorf NJW 01, 1504 [BGH 08.02.2001 - III ZR 45/00]). Auch auf das Verhältnis zwischen Betreuer und Betreutem ist § 14 HeimG nicht entspr anwendbar (BayObLG NJW 98, 2369 [BayObLG 18.12.1997 - 1Z BR 73/97]). Überhaupt ist § 14 HeimG restriktiv auszulegen, da es sich um einen Eingriff in die Testierfreiheit handelt. In seltenen Fällen kann hier aber die Erbeinsetzung nach § 138 nichtig sein (München FGPrax 15, 178 [OLG München 12.05.2015 - 31 Wx 81/15]).
Rn 4a
Besonderheiten ergeben sich aus dem BtOG; § 30 I BtOG untersagt einem beruflichen Betreuer (19 II BtOG), von dem von ihm Betreuten Geld oder geldwerte Leistungen anzunehmen. Dies gilt auch für Zuwendungen iR einer Verfügung von Todes wegen (vgl Celle NJW 21, 1681 [OLG Celle 07.01.2021 - 6 U 22/20]). Die Regelung enthält also eine dem § 14 Abs 5 HeimG angelehnte Bestimmung, um missbräuchlichem eigennützigen Handeln des beruflich tätigen Betreuers entgegenzuwirken. Damit sind derartige Verfügungen zugunsten von Berufsbetreuern zwar wirksam, es besteht jedoch eine Pflicht zur Ausschlagung (Nürnbg ZEV 23, 821 [OLG Nürnberg 19.07.2023 - 15 Wx 988/23], vgl jedoch Celle ZEV 24, 175 [OLG Celle 09.01.2024 - 6 W 175/23]).
B. Erbfähigkeit natürlicher Personen.
Rn 5
Der Erbe ist erbfähig, wenn er den Erblasser überlebt, wenn auch nur um eine Sekunde. Nach § 1942 I ist ihm der Nachlass angefallen und mit dem Ausschlagungsrecht auf den Erbes-Erben übergegangen, § 1952 I (MüKo/Leipold § 1923 Rz 6). Im Falle des gleichzeitigen Versterbens (§ 1922 Rn 2) mit dem Erblasser fehlt es an der Erbenstellung, seine Berufung zum Erben wird unwirksam. Der Nachlass geht auf den Nächstberufenen über (Grüneberg/Weidlich § 1923 Rz 2). Entspr gilt bei einem vor dem 1.4.98 wirksam zustande gekommenen vorzeitigen Erbausgleich, der Ausschlagung, dem Erbverzicht und der Erbunwürdigkeit. Zulässig und gebräuchlich sind letztwillige Verfügungen idR von Eheleuten für den Fall des ›gleichzeitigen Versterbens‹ (Keim, ZEV 05, 10). Bei derartigen sog ›Katastrophenklauseln‹ handelt es sich um bedingte Erbeinsetzungen (§§ 2074, 2075), der letztversterbende Ehepartner ist bei seinem kurzzeitigen Nachversterben durch Bedingungseintritt nicht mehr Erbe.
Rn 6
Auch der Verschollene ist, sofern er den Erbfall erlebt hat, erbfähig. Für ihn gilt die widerlegbare Lebensvermutung nach § 10 VerschG (RGZ 60, 198), die mit dem in § 9 III, IV VerschG genannten Zeitpunkt endet. Die Lebensvermutung wird nicht durch eine Todesvermutung ersetzt; vielmehr tritt der allgemeine Zustand der Ungewissheit über Leben und Tod ein (BayObLG FamRZ 92, 1206). Entspr gilt nach § 9 I VerschG, wenn der Verschollene für einen vor dem Erbfall liegenden Zeitpunkt für tot erklärt wird.
C. Beweislast für die Erbfähigkeit.
Rn 7
Das Nachlassgericht hat, wenn es auf den genauen Todeszeitpunkt beim Tod mehrerer Personen ankommt, diesen vAw zu ermitteln, § 2358. Daher ist weder die Feststellung eines Überlappens noch der Annahme des gleichzeitigen Versterbens ausreichend (Hamm NJW...