1. Legaldefinition des Anspruchs.
Rn 4
Die §§ 194 ff gelten für alle Ansprüche des BGB und überhaupt des Privatrechts, soweit die Verjährung dort nicht gesondert geregelt ist. Bei sonstigen Ansprüchen kommt eine Analogie in Betracht (§ 195 Rn 4). Doch sind mit Rücksicht auf den formalen Charakter des Verjährungsrechts an die Rechtfertigung einer über den Wortlaut der Vorschriften hinausgehenden Anwendung insb bei Sondervorschriften besonders strenge Anforderungen zu stellen (BGHZ 156, 232, 244; BAG NJW 15, 3598 Rz 20). § 194 I definiert den materiell-rechtlichen Begriff des Anspruchs. Unter dem Begriff des Tuns versteht das Gesetz jede denkbare aktive Handlung, wie bspw eine Zahlung, Sachherausgabe, Erbringung von Dienstleistungen, Abgabe einer Willenserklärung uä. Unterlassen ist dem ggü jedes denkbare Nichthandeln einschl des Duldens rechtlicher oder tatsächlicher Einwirkungen. Stehen einem Berechtigten mehrere selbstständige Ansprüche auf dieselbe Leistung zu, die alle erlöschen, wenn auch nur einer erfüllt wird (sog Anspruchskonkurrenz), so verjährt grds jeder Anspruch selbstständig. Verjährt jedoch ein Vertragsanspruch schnell, so verjähren konkurrierende Ansprüche gleich schnell, wenn sonst der Zweck der vertraglichen Verjährungsfrist vereitelt würde (zum Ganzen § 195 Rn 10).
2. Verjährbarkeit.
Rn 5
Der Verjährung unterworfen ist nicht ein Rechtsverhältnis als solches, sondern nur der daraus resultierende materiell-rechtliche Anspruch, nicht der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgebehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch. Ein Streitgegenstand (vgl BGHZ 194, 314 Rz 18f) kann daher mehrere materiell-rechtliche Ansprüche umfassen, die grds jew eigenständiger Verjährung unterliegen (BGH 22.10.13 – XI ZR 57/12 Rz 27; § 204 Rn 6). Bei einem Dauerschuldverhältnis (zur Dauerhandlung § 199 Rn 6) verjährt grds nicht das Schuldverhältnis als solches, sondern nur die daraus resultierenden Ansprüche (BGH 22.4.16 – V ZR 189/15 Rz 35: zur Durchfahrtsberechtigung). Handelt es sich jedoch um eine in die Zukunft gerichtete Dauerverpflichtung (zB auf Mangelbeseitigung, § 535 I 2, oder ordnungsmäßige Verwaltung), erschöpft sich diese Pflicht nicht in einer einmaligen Handlung und kann sie während des Bestehens des Vertragsverhältnisses schon begrifflich nicht verjähren, denn sie entsteht während dieses Zeitraums gleichsam ständig neu (BGH aaO Rz 36: zur Gestattungspflicht; BGH 17.2.10 – VIII ZR 104/09 Rz 17). Für Leibrenten und ähnliche Rechtsverhältnisse ist in der Rspr anerkannt, dass auch das Stammrecht (Gesamtanspruch) selbstständig verjähren kann (BGH NJW 19, 1874 [BGH 03.04.2019 - IV ZR 90/18] Rz 15, 23; ferner RGZ 136, 432; BGH NJW 73, 1685 [BGH 17.04.1973 - X ZR 59/69]; Stuttg 3.4.14 – 7 U 228/13; aA Jena 29.3.18 – 4 U 392/17). Eine auf Feststellung einer Leistungspflicht gerichtete Klage muss abgewiesen werden, wenn der in Betracht kommende Anspruch nach materiellem Recht verjährt ist, jedoch nicht die auf Feststellung eines anderweitigen Rechtsverhältnisses oder einer Rechtslage, die nicht auf einem Anspruch iSv § 194 I beruht (BGH 2.12.10 – IX ZR 247/09 Rz 12: zum Antrag, den Rechtsgrund eines Anspruchs als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung festzustellen; 30.9.13 – IX ZA 17/12 Rz 5). Auch ggü unklagbaren Ansprüchen kann die Verjährungseinrede erhoben werden, so dass sich Eingehen auf die Sache selbst erübrigt (Rn 3).
3. Abgrenzung.
Rn 6
Andere Rechte und Rechtsstellungen, die nicht Anspruch sind, verjähren grds nicht. Gestaltungsrechte, die dem Berechtigten einseitig die Befugnis geben, ein Recht zu begründen, aufzuheben oder zu ändern, bspw Kündigung, Anfechtung, Widerruf, Aufrechnung und Anfechtung unterliegen nicht der Verjährung. IdR bestehen Ausschlussfristen. Im Extremfall kommt Verwirkung in Betracht (Rn 10, BGH NJW 02, 669 [BGH 18.10.2001 - I ZR 91/99]). Um die Verjährungsfristen zur Ausübung von Mängelrechten nicht auszuhöhlen, bestimmt § 218, dass das gesetzliche Rücktrittsrecht als Gestaltungsrecht (vgl § 349) dann nicht ausgeübt werden kann, wenn der Anspruch auf Leistung oder Nacherfüllung (zB §§ 437 Nr 1, 439 I, §§ 634 Nr 1, 635) verjährt ist (§ 438 Rn 23 ff, § 634a Rn 12). Die Ansprüche, die sich aus der Ausübung von Gestaltungsrechten ergeben, verjähren jedoch (BGH 29.4.15 – VIII ZR 180/14 Rz 32; zu 438 IV BGH NJW 07, 674 [BGH 15.11.2006 - VIII ZR 3/06] Rz 35 ff: der aus erklärtem Rücktritt entstandene Anspruch gem § 346 I verjährt nach §§ 195, 199). Auch absolute Rechte (zB Eigentum, Persönlichkeitsrecht, Urheberrecht) sind keine Ansprüche. Die Verletzung dieser gegen jedermann wirkenden Rechte kann Ansprüche (zB aus §§ 985, 823 I, 812 I 1 Alt 2, 1004 I) auslösen, die ihrerseits der Verjährung unterliegen (zB § 197 I Nr 1; s.a. Rn 8); durch die Verjährung des Herausgabeanspruchs aus § 985 fallen dann dauerhaft Eigentum und Besitz auseinander. Nach hM ist auch das Recht zum Besitz (anders als der Besitz selbst) eine nicht verjährbare dauerhafte Befugnis, sodass bei einem Kaufvertrag, bei dem der Besitz übertragen wurde,...