1. Primärleistungsanspruch.
Rn 2
§ 196 erfasst Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück (§§ 873 I, 925 I), von Miteigentum (§§ 1008 ff), von Wohnungs- und Teileigentum sowie von Erbbaurechten (§ 11 I ErbbauRG), ferner Ansprüche auf Verfügung bzgl beschränkter dinglicher Rechte wie Dienstbarkeit (BGH 12.12.14 – V ZR 109/14 Rz 18; §§ 1018, 1090), Nießbrauch (§§ 1030, 1048), Vorkaufsrecht (§ 1094), Reallast (§ 1105), Hypothek (§ 1113), Grund- (§ 1191) und Rentenschuld (§ 1199) sowie landesrechtliche Rechte wie bspw Abbaurechte oder Rechte aus Altenteilsverträgen. Erfasst ist auch, wenn ein Sicherungsgeber aus Sicherungsvertrag einen Anspruch auf Rückgewähr einer Grundschuld hat (§ 1192 Rn 16), diesen aber nicht geltend macht, um das Grundpfandrecht für einen erneuten Kredit als Sicherheit verwenden zu können (str): Die Praxis begegnet mit Vereinbarung der Verjährungsfrist auf die Maximalfrist des § 202. Keine Rolle spielt der Rechtsgrund (Vertrag o G), auf den sich der Anspruch auf dingliche Rechtsänderung stützt (Rn 3; Brandbg 14.2.13 – 5 U 32/12: zu § 116 SachenRBerG). Insb ist eine Gegenleistung trotz Hs 2 nicht Voraussetzung, sodass insb auch Ansprüche aus einem Schenkungsversprechen in den Anwendungsbereich der Norm fallen. Auch für einen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung aus Vermächtnis gilt § 196 (MüKo/Grothe Rz 5), ebenso bei wegen Störung der Geschäftsgrundlage vorzunehmender Vertragsanpassung einer Grundstücksschenkung (BGH 3.12.14 – XII ZB 181/13 Rz 35; 16.12.15 – XII ZB 516/14 Rz 20). Nicht erfasst ist das Ausübungsrecht des Wiederkaufs, das nach § 462 verfristen kann (BGH 24.5.12 – IX ZR 175/11 Rz 25).
2. Sekundärleistungsansprüche.
Rn 3
§ 196 stellt allein auf den Inhalt, nicht auf den Grund des Anspruchs ab (BGH NJW-RR 08, 824 [BGH 25.01.2008 - V ZR 118/07] Rz 20). Daher ist § 196 auch auf Sekundäransprüche anwendbar, soweit sich diese auf dingliche Rechtsänderung an einem Grundstück oder grundstücksgleichem Recht oder auf einen wahlweise an Stelle eines solchen tretenden Geldleistungsanspruch beziehen (vgl BGH NJW 10, 297 [BGH 29.10.2009 - V ZR 54/09] Rz 7: zum Bereicherungsanspruch aus einem nichtigen Vertrag über die Verschaffung von Rechten an einem Grundstück oder einem Anspruch aus einer nichtigen Vereinbarung über die Rückabwicklung eines solchen Rechtsgeschäfts; BGH NJW 11, 218 Rz 19 f: zum auf Herausgabe eines Grundstücks gerichteten Schenkungsrückforderungsanspruchs gem § 528). § 196 gilt auch für einen (auf Geld gerichteten) Wertersatzanspruch als Äquivalent für den Erfüllungsanspruch, wenn die Rückgabe des dinglichen Rechts nicht möglich ist (BGH NJW 11, 218 [BGH 22.04.2010 - Xa ZR 73/07] Rz 27 f: zum Ersatzanspruch nach § 818 II, wenn Herausgabe des geschenkten Miteigentumsanteils unmöglich ist), da beide Ansprüche auf demselben Lebenssachverhalt beruhen und dasselbe wirtschaftliche Interesse verfolgen.
3. Teleologische Reduktion.
Rn 4
Grds findet die lange Verjährungsfrist unabhängig von der Frage Anwendung, ob im Einzelfall eines der vom Gesetzgeber erkannten Verzögerungsprobleme bei der Erfüllung eines der in § 196 genannten Ansprüche eintritt oder nicht. Keine Anwendung findet § 196 allerdings dort, wo die vom Gesetzgeber erkannten Risiken schon per se nicht eintreten können, zB wenn die Rechtsänderung ohne Verfügung einhergeht (bspw Anwachsung) oder ein Mitwirken anderer Stellen als Schuldner und Gläubiger zur Herbeiführung der dinglichen Rechtsänderung nicht erforderlich ist wie beim Anspruch auf Abtretung einer Briefgrundschuld nach § 1154 I.
4. Analoge Anwendung.
Rn 5
§ 196 ist analog anwendbar, wenn Besitzansprüche parallel zu einem der in § 196 genannten Ansprüche (zB aus Kaufvertrag gem § 433 I 1) bestehen, wenn das geschuldete dingliche Recht selbst einen Besitzanspruch vermittelt (BGH NJW 21, 2510 [BGH 29.01.2021 - V ZR 139/19] Rz 27). Ansonsten würde der Inhaber eines Anspruchs auf Einräumung eines ein Besitzrecht konstituierenden dinglichen Rechts auf die Verjährung seines schuldrechtlichen Besitzanspruchs verwiesen, um ihn alsdann nach Verwirklichung der dinglichen Rechtsänderung zur erneuten Klage aus dem dinglichen Recht (vgl §§ 985, 197 I Nr 1d) zu zwingen.