Prof. Dr. Maximilian Zimmer
I. Anlegen von Siegeln.
Rn 13
Das Anlegen von Siegeln kommt in Betracht bei der Versiegelung der Wohnung des Erblassers, wenn sich Nachlassgegenstände an verschiedenen Orten befinden und eine Inbesitznahme infolge der räumlichen Entfernung nicht schnell genug möglich ist.
Rn 14
Der Rechtspfleger beim Nachlassgericht ist für die Anordnung der Siegelung zuständig. Sie kann vAw oder auf Antrag erfolgen und wird entweder vom Rechtspfleger selbst vorgenommen oder auf Organe übertragen. Bei Bedarf kann sie, wenn die Siegelung behindert wird, aufgrund einer Anordnung des Nachlassgerichts mit Gewaltmitteln nach § 35 FamFG erzwungen werden (NK-BGB/Krug § 1960 Rz 25).
Rn 15
Der Anspruch auf Siegelung entfällt, wenn der Erbe bekannt ist und den Nachlass in Besitz hat. Gegen die Aufhebung der Siegelung steht dem Erben kein Beschwerderecht zu.
II. Hinterlegung.
Rn 16
Wurden bei der Siegelung Geld, Wertpapiere oder andere Kostbarkeiten gefunden, kommt eine Hinterlegung nach der HinterlegungsO iVm § 30 RPflG in Betracht. Der die Siegelung durchführende Beamte oder das zur Hinterlegung ermächtigte Nachlassgericht (Hamm FamRZ 15, 274) hat diese Gegenstände sofort zu verzeichnen und in die amtliche Verwahrung zu bringen.
III. Nachlassverzeichnis.
Rn 17
Das Nachlassgericht kann auch die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses anordnen, das bei der Fortführung eines Betriebes die Aktiva und Passiva zum Stichtag feststellt (BayObLGZ 14, 524), weil bis zur Feststellung des wirklichen Erben Veränderungen des Nachlasses unvermeidbar sind. Dieses Verzeichnis darf nicht verwechselt werden mit dem Nachlassverzeichnis nach §§ 2314 I 1, 260 bzw §§ 1993 ff, da es lediglich der Nachlasssicherung dient, wofür eine Aufstellung über die im Nachlass vorhandenen Aktiva genügt (MüKo/Leipold § 1960 Rz 24), was aber die Aufnahme von vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten nicht ausschließt.
IV. Kontensperrung.
Rn 18
Zur Sicherung des Nachlasses kann das Nachlassgericht eine Kontensperrung veranlassen (KG Rpfleger 82, 184), um das Risiko des Missbrauchs von transmortalen Vollmachten zu begrenzen und einen unkontrollierten Geldabfluss zu vermeiden. Dabei hat es insb Rechte Dritter zu berücksichtigen, wenn diese nach dem Erbfall Rechte am Nachlassvermögen erworben haben (KG RPfleger 82, 184). Allerdings kann das Gericht den Beteiligten einen bestimmten Geldbetrag überlassen, welcher der Fortführung des Geschäftsbetriebs, des Haushalts oder der Erfüllung dringender Nachlassverbindlichkeiten wie zB Beerdigungskosten dient, und die Überlassung mit der Auflage verbinden, später mit den Erben abzurechnen.
V. Nachlasspfleger.
Rn 19
Die Nachlasspflegschaft ist die praktisch bedeutsamste Maßnahme iRd Nachlassfürsorge. Das Nachlassgericht legt bei einem Sicherungsbedürfnis den Wirkungskreis des Pflegers nach den jeweiligen Anforderungen des Einzelfalls fest; ansonsten vertritt der Nachlasspfleger unbeschränkt (München FGPrax 20, 247 [OLG München 27.07.2020 - 34 Wx 212/20]). Zu den Aufgaben des Vertreters (= Personenpflegers, BGH NJW 83, 226 [BGH 06.10.1982 - IVa ZR 166/81]; München ZEV 18, 704 [OLG München 16.08.2018 - 31 Wx 145/18]) gehört neben der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses auch die Verwaltung, ggf auch die Versilberung des Nachlasses und die Erbenermittlung (KG NJW 71, 565 [KG Berlin 13.11.1970 - 1 W 7814/70]). Eine nur vorläufige Nachlasspflegschaft darf das Nachlassgericht nicht anordnen (Grüneberg/Weidlich § 1960 Rz 3). Ein Sicherungsbedürfnis wird nicht immer durch Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beseitigt (Stuttg ZEV 12, 549; Rn 44), es kann insoweit bestehen, als insolvenzfreies Vermögen vorhanden ist.
Rn 20
Bei der Nachlasspflegschaft handelt es sich rechtlich um einen speziellen Fall der sonstigen Pflegschaft für unbekannte Beteiligte nach § 1882 mit der Folge, dass die Vorschriften über die Betreuung gem § 1888 I Anwendung finden, soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt (krit. Zimmermann, ZEV 22, 585)t. Daneben finden aber auch die §§ 271 bis 341 FamFG Anwendung.
1. Bestellung eines Nachlasspflegers.
Rn 21
Die Bestellung des Nachlasspflegers erfolgt, ebenso wie die Beauftragung seiner Verpflichtung durch das Nachlassgericht (Stuttg FamRZ 11, 846); sie ist ein mitwirkungsbedürftiger, rechtsbegründender Hoheitsakt bei der der Nachlasspfleger zu treuer und gewissenhafter Führung der Nachlasspflegschaft verpflichtet wird. Der Nachlasspfleger erhält eine Bestallungsurkunde nach Maßgabe des ihm übertragenen Aufgabenkreises (Erbenermittlung, Nachlasssicherung usw), die nicht auf die gerichtliche Vertretung der Erben beschränkbar ist, sondern auch die außergerichtliche Vertretung umfassen muss (München FamRZ 14, 968). Das Nachlassgericht kann nach § 1817 mehrere Pfleger bestellen und sie mit unterschiedlichen Wirkungskreisen betrauen (Oldbg FGPrax 98, 108). Haben mehrere Nachlasspfleger verschiedene Aufgabenkreise, ist grds jeder für seinen Bereich allein zuständig und vertritt den unbekannten Erben insoweit allein. Vertreten die übrigen Nachlasspfleger in einer Frage, die nicht in ihren Wirkungskreis fällt, eine andere Rechtsauffassung, berechtigt sie das ...