Prof. Dr. Maximilian Zimmer
Rn 19
Die Nachlasspflegschaft ist die praktisch bedeutsamste Maßnahme iRd Nachlassfürsorge. Das Nachlassgericht legt bei einem Sicherungsbedürfnis den Wirkungskreis des Pflegers nach den jeweiligen Anforderungen des Einzelfalls fest; ansonsten vertritt der Nachlasspfleger unbeschränkt (München FGPrax 20, 247 [OLG München 27.07.2020 - 34 Wx 212/20]). Zu den Aufgaben des Vertreters (= Personenpflegers, BGH NJW 83, 226 [BGH 06.10.1982 - IVa ZR 166/81]; München ZEV 18, 704 [OLG München 16.08.2018 - 31 Wx 145/18]) gehört neben der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses auch die Verwaltung, ggf auch die Versilberung des Nachlasses und die Erbenermittlung (KG NJW 71, 565 [KG Berlin 13.11.1970 - 1 W 7814/70]). Eine nur vorläufige Nachlasspflegschaft darf das Nachlassgericht nicht anordnen (Grüneberg/Weidlich § 1960 Rz 3). Ein Sicherungsbedürfnis wird nicht immer durch Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beseitigt (Stuttg ZEV 12, 549; Rn 44), es kann insoweit bestehen, als insolvenzfreies Vermögen vorhanden ist.
Rn 20
Bei der Nachlasspflegschaft handelt es sich rechtlich um einen speziellen Fall der sonstigen Pflegschaft für unbekannte Beteiligte nach § 1882 mit der Folge, dass die Vorschriften über die Betreuung gem § 1888 I Anwendung finden, soweit sich aus den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt (krit. Zimmermann, ZEV 22, 585)t. Daneben finden aber auch die §§ 271 bis 341 FamFG Anwendung.
1. Bestellung eines Nachlasspflegers.
Rn 21
Die Bestellung des Nachlasspflegers erfolgt, ebenso wie die Beauftragung seiner Verpflichtung durch das Nachlassgericht (Stuttg FamRZ 11, 846); sie ist ein mitwirkungsbedürftiger, rechtsbegründender Hoheitsakt bei der der Nachlasspfleger zu treuer und gewissenhafter Führung der Nachlasspflegschaft verpflichtet wird. Der Nachlasspfleger erhält eine Bestallungsurkunde nach Maßgabe des ihm übertragenen Aufgabenkreises (Erbenermittlung, Nachlasssicherung usw), die nicht auf die gerichtliche Vertretung der Erben beschränkbar ist, sondern auch die außergerichtliche Vertretung umfassen muss (München FamRZ 14, 968). Das Nachlassgericht kann nach § 1817 mehrere Pfleger bestellen und sie mit unterschiedlichen Wirkungskreisen betrauen (Oldbg FGPrax 98, 108). Haben mehrere Nachlasspfleger verschiedene Aufgabenkreise, ist grds jeder für seinen Bereich allein zuständig und vertritt den unbekannten Erben insoweit allein. Vertreten die übrigen Nachlasspfleger in einer Frage, die nicht in ihren Wirkungskreis fällt, eine andere Rechtsauffassung, berechtigt sie das nicht dazu, den zuständigen Nachlasspfleger bei der Wahrnehmung der ihm zugewiesenen Aufgaben zu behindern (München ErbR 11, 189). Lagen die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlasspflegschaft nicht vor, ist die Bestellung des Nachlasspflegers dennoch wirksam (BGHZ 49, 1); die Anordnung ist aber unverzüglich aufzuheben.
Rn 22
Die Auswahl nimmt das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen vor. Ein Benennungsrecht existiert nicht. Maßgebend ist allein die Eignung des Nachlasspflegers (MüKo/Leipold § 1960 Rz 36). Bedenken an der Eignung bestehen bei der Bestellung eines Nachlassgläubigers (BayObLG FamRZ 93, 241). IÜ dürfen keine in den § 1784 genannten Gründe entgegenstehen. Die Auswahlentscheidung des Nachlassgerichts ist in vollem Umfang gerichtlich nachprüfbar (BGH NJW-RR 92, 967). Gegen die zu begründende Entscheidung (Köln ErbR 11, 94) ist die Beschwerde statthaft, wobei nur der Erbenanwärter (LG Heidelberg NJW 55, 469) und der ausgewählte Pfleger (BayObLG NJW-RR 92, 967 [BayObLG 23.03.1992 - 1 Z BR 31/92]), nicht aber der Testamentsvollstrecker (KG Berlin OLGE 40, 133) beschwerdeberechtigt sind. Nach § 1819 ist der Ausgewählte zur Übernahme des Amtes verpflichtet.
Rn 23
Der Nachlasspfleger wird mit der Bestellung zum gesetzlichen Vertreter des/der Erben (BGH NJW 83, 226 [BGH 06.10.1982 - IVa ZR 166/81]). Sein Wirkungskreis umfasst allg die Sicherung, Verwaltung und Erhaltung des Nachlasses sowie die Ermittlung der unbekannten Erben (Köln FamRZ 67, 58). Durch die Anordnung der Nachlasspflegschaft verliert der Erbe weder seine Fähigkeit, Verpflichtungen einzugehen noch seine Verfügungsbefugnis (Bremen FamRZ 12, 1826). Bei widersprechenden Verfügungen gilt die zeitlich frühere.
Rn 24
Die Vertretungsmacht des Nachlasspflegers erfasst, wenn das Nachlassgericht den Wirkungskreis nicht eingeschränkt hat, alle Nachlassangelegenheiten; insb findet eine Einschränkung unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit nicht statt (Karlsr Rpfleger 18. 396). Allerdings kann die Verwaltungsbefugnis des Pflegers nicht weiter gehen als die des von ihm vertretenen Erben (MüKo/Leipold § 1960 Rz 40), dabei ist auch § 181 zu beachten (zur Ausschlagung einer in den Nachlass fallenden Erbschaft vgl § 1952 Rn 1). Eine Ausn gilt für die Rechtsgeschäfte, die einer gerichtlichen Genehmigung bedürfen. Der Aufgabenkreis der Verwaltung des Nachlasses umfasst insbes auch die Veräußerung von Nachlassgegenständen, ohne dass eine besondere Befugnis hierzu erteilt sein muss.
Rn 25
Das Nachlassger...