Prof. Dr. Maximilian Zimmer
Gesetzestext
Die Berichtigung einer Nachlassverbindlichkeit durch den Erben müssen die Nachlassgläubiger als für Rechnung des Nachlasses erfolgt gelten lassen, wenn der Erbe den Umständen nach annehmen durfte, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreiche.
A. Allgemeines.
Rn 1
Darf der Erbe davon ausgehen, dass der Nachlass zur Befriedigung aller Verbindlichkeiten ausreicht, kann er die Nachlassgläubiger, nach seinem Belieben befriedigen. Ggü Nachlassgläubigern, die sich erst später beim Erben melden, macht er sich wegen der vorherigen Befriedigung anderer Nachlassgläubiger nicht schadensersatzpflichtig.
Rn 2
Nach § 2013 I 1 gilt § 1979 nicht, wenn der Erbe im Zeitpunkt der Nachlassabsonderung unbeschränkt haftet. Haftet er nur einzelnen Gläubigern ggü unbeschränkbar, ist § 1979 anwendbar (§ 2013 II).
Rn 3
§ 1979 gilt nach § 1985 II auch für den Nachlassverwalter und in den Fällen, in denen der Erbe die Unzulänglichkeitseinrede nach den §§ 1991, 1990, 1992 erhebt (Soergel/Magnus § 1979 Rz 10).
B. Nachlassverbindlichkeiten.
Rn 4
Vor Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten hat der Erbe zunächst sorgfältig zu prüfen, ob der Nachlass überschuldet ist (BGH NJW 85, 140 [BGH 11.07.1984 - IVa ZR 23/83]). Zu diesem Zweck hat er den Nachlass zu sichten, Unterlagen durchzuarbeiten, Rücksprache zu halten und auf dieser Grundlage eine Bewertung des aktiven und passiven Nachlasses vorzunehmen (Grüneberg/Weidlich § 1979 Rz 2). Auf das objektive Ausreichen des Nachlasses für die Erfüllung sämtlicher Verbindlichkeiten kommt es nicht an, sondern auf die begründete Überzeugung des Erben (Soergel/Magnus § 1979 Rz 2).
Rn 5
Er ist aber nicht verpflichtet, bei der Tilgung den konkreten Interessen der Gläubiger zu entsprechen.
Rn 6
Weil der Erbe zur Feststellung des Aktiv- und Passivbestandes des Nachlasses die ihm zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen hat, muss er bei unbekannten Nachlassverbindlichkeiten das Aufgebotsverfahren beantragen, § 1980 II (NK-BGB/Krug § 2279 Rz 6) oder sich der Inventarerrichtung bedienen. Das Wissen eines Testamentsvollstreckers über die Überschuldung des Nachlasses ist ihm nicht zuzurechnen (NK-BGB/Krug § 2279 Rz 8).
C. Rechtsfolgen.
Rn 7
Liegen die Voraussetzungen des § 1979 vor, dh durfte der Erbe von der Zulänglichkeit des Nachlasses ausgehen, sind die rechtlichen Wirkungen der Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten davon abhängig, ob der Erbe hierzu berechtigt war: Hat der Erbe berechtigt aus dem Nachlass geleistet, müssen die Nachlassgläubiger dies gegen sich gelten lassen. Der Nachlass bleibt reduziert und es droht auch keine Ersatzforderung nach § 1978.
Rn 8
Nach § 1978 III hat der Erbe, wenn er aus seinem Eigenvermögen Nachlassverbindlichkeiten tilgt, Anspruch auf Aufwendungsersatz in der Höhe, in der er Gläubiger befriedigt hat (MüKo/Küpper § 1979 Rz 4). Diesen Anspruch kann der Erbe gegen den Nachlassverwalter geltend machen.
Rn 9
Hatte der Erbe Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von der Unzulänglichkeit des Nachlasses, ist er ersatzpflichtig (Erman/Horn § 1979 Rz 4; Herzog ErbR 2013, 70, 76). Im Nachlassinsolvenzverfahren tritt der Erbe gem § 326 II InsO an die Stelle des befriedigten Gläubigers, wenn er den von ihm aufgewendeten Betrag an den Nachlass zurückbezahlt hat (Ddorf ZEV 00, 236). Insoweit erlangt er auch die Stellung eines absonderungsberechtigten Insolvenzgläubigers (RGZ 55, 158).
Rn 10
Allerdings bleibt die Erfüllungswirkung der Leistung erhalten; Herausgabe- und Bereicherungsansprüche der übrigen Nachlassgläubiger bestehen nicht (RG JW 08, 487).
Rn 11
Da es sich bei der Frage der Ersatzpflicht des Erben um eine Eigenverbindlichkeit handelt, muss diese Frage im Prozess geklärt werden, wobei die Regelungen der §§ 780 ff ZPO keine Anwendung finden.
D. Anfechtung.
Rn 12
Eine unter Verletzung von § 1979 erfolgte Befriedigung einer Nachlassverbindlichkeit ist zwar wirksam, kann aber nur vom Nachlassverwalter bzw Insolvenzverwalter ggü dem Befriedigten nach §§ 130 ff, 322 InsO angefochten werden (MüKo/Küpper § 1979 Rz 8).