a) Tatsachenkenntnis.
Rn 13
Gemeint ist die Kenntnis jener Tatsachen, aus denen der Anspruch herzuleiten ist (BGH NZI 23, 872 [BGH 27.07.2023 - IX ZR 138/21] Rz 16). Sie ist vorhanden, wenn der Gläubiger auf Grund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie ihm zumutbar ist (BGH 31.1.14 – III ZR 84/13; NJW 19, 2162 [BGH 19.03.2019 - XI ZR 95/17] Rz 35). Risikolos muss eine solche Klage nicht sein (BGHZ 181, 199 Rz 34; zu Pflichtteilsansprüchen BGH NJW 13, 1086 [BGH 16.01.2013 - IV ZR 232/12] Rz 11; zu einem Vorprozess BGH NJW 22, 3347 [BGH 19.05.2022 - VII ZR 149/21] Rz 30). Sicherer Gewissheit bedarf es nicht. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit genügt Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände (Rn 14) und bedarf es grds nicht auch der zutreffenden rechtlichen Würdigung (BGH NJW 15, 1948 [BGH 13.01.2015 - XI ZR 303/12] Rz 19 f; 14, 3713 Rz 35, 49: zu § 812; BAG NZA 13, 785 [BAG 13.03.2013 - 5 AZR 424/12] Rz 24: zum Anspruch des Leiharbeiters auf gleiches Entgelt). So kommt es zB bei einem Anspruch aus § 823 nicht darauf an, dass der Geschädigte die Rechtswidrigkeit des Geschehens, das Verschulden des Schädigers und den in Betracht kommenden Kausalverlauf richtig einschätzt (BGH NJW 13, 1801 Rz 27). In Fällen des Schadensersatzes wegen unzureichender Aufklärung über eine Rückvergütung muss der Geschädigte insb nicht deren konkrete Höhe oder die Aufklärungspflicht des Schädigers kennen, wenn nicht der Schädigende konkrete, jedoch fehlerhafte Angaben zur Höhe der Rückvergütung machte (BGH 23.9.14 – XI ZR 215/13 Rz 34; NJW 13, 1801 [BGH 26.02.2013 - XI ZR 498/11] Rz 28–30; zur Rückvergütung nach Kündigung eines Lebensversicherungsvertrags s BGH NJW 11, 73 [BGH 14.07.2010 - IV ZR 208/09] Rz 22; zum Anspruch aus § 19 I BNot BGH 11.9.14 – III ZR 217/13 Rz 15). Nur ausnahmsweise kann Rechtsunkenntnis den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung – erst spätere Unübersichtlichkeit ist irrelevant – eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage besteht, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag: Dann fehlt es an der Zumutbarkeit einer Klageerhebung (zum Ganzen BGH NJW 19, 2162 Rz 27; 17, 2986 Rz 94; 15, 1948 Rz 38, 42; 14, 3713 Rz 35, 44, 54: Zumutbarkeit bejaht bzgl Rückforderungsansprüchen wegen zu Unrecht geforderter Bearbeitungsentgelte für Kreditverträge ab 2011 (zu Bauspardarlehen BGH NJW 19, 2162 [BGH 19.03.2019 - XI ZR 95/17] Rz 34); BGH r+s 22, 462 Rz 46 ff; 30 Rz 44: je bejaht bei formeller Unwirksamkeit einer Beitragserhöhung; BGH MDR 22, 696 [BGH 21.02.2022 - VIa ZR 8/21] Rz 37; 97 Rz 13; 13.6.22 – VIa ZR 488/21 Rz 15: je bejaht zu Schadensersatzansprüchen gegen Fahrzeughersteller im Dieselfall Ende 2015 bzw 2016 (s Rn 17); BGH 23.7.15 – III ZR 196/14 Rz 16: bejaht bei Erteilung einer günstigen Auskunft vor Abschluss des auf Grundlage der Auskunft betriebenen verwaltungsrechtlichen Verfahrens; BGH 7.11.14 – V ZR 309/12 Rz 15: abgelehnt wenn Anspruch von derselben Vorfrage abhängig ist, wie ein bereits rechtshängiger Anspruch; BGH NJW 13, 1077 [BGH 26.09.2012 - VIII ZR 279/11] Rz 47 f; 13, 991 Rz 48 f: abgelehnt bzgl Preiserhöhungsklauseln; BGH NJW 21, 2647 [BGH 18.05.2021 - II ZR 41/20] Rz 13: abgelehnt für die Klage auf Abfindungsanspruch des aus der GbR ausgeschiedenen Gesellschafters während eines Rechtsstreits über den Ausschluss; BGH NJW 14, 3092 [BGH 22.07.2014 - KZR 13/13] Rz 22 ff: zur nach § 315 III 1 unverbindlichen Bestimmung von Netznutzungsentgelten; 21.2.18 – IV ZR 304/16: zum Rückabwicklungsanspruch nach Rücktritt gem §§ 5a, 8 VVG aF; zu Warenterminoptionsgeschäften bejaht BGH NJW 94, 3092, 3093 [BGH 20.09.1994 - VI ZR 336/93]). Zumutbar ist die Klageerhebung, sobald sie erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist. Das Verkennen von Anspruchsgrundlagen (BGH NJW 60, 380, 381 [BGH 20.10.1959 - VI ZR 166/58]), eine günstige Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH 16.12.15 – XII ZB 516/14 Rz 34), unterschiedliche Instanzrechtsprechung (Kobl 24.2.12 – 3 U 687/11 Rz 119 ff; BGH NJW-RR 09, 547 [BGH 23.09.2008 - XI ZR 262/07] Rz 15) und ähnliches hindert, anders als ein Irrtum über die den Anspruch begründenden Tatsachen (deutlich BGH NJW 11, 2570 [BGH 01.06.2011 - VIII ZR 91/10] Rz 24; 12, 3569 Rz 15), Tatsachenkenntnis nicht (zum noch nicht abgeschlossenen Rechtsstreit BGH NJW 15, 1007 Rz 15).
b) Anspruchsbegründende Umstände.
Rn 14
Erforderlich ist die Kenntnis der einen Anspruch begründenden Umstände (BGH NJW 10, 1195 [BGH 14.01.2010 - VII ZR 213/07] Rz 13), dh derjenigen Tatsachen, die zusammen den Tatbestand eines gesetzlichen Anspruchstatbestandes ausfüllen, zB im Fall der §§ 171f Unkenntnis, dass Ausfertigung der notariellen Vollmachtsurkunde nicht vorlag (BGH NJW-RR 09, 547 [BGH 23.09.2008 - XI ZR 262/07] Rz 24), bei einem Anspruch aus § 839 die Kenntnis, dass anderweitige Ersatz...