Prof. Dr. Maximilian Zimmer
Gesetzestext
(1) 1Ist die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich oder wird aus diesem Grund die Nachlassverwaltung aufgehoben oder das Insolvenzverfahren eingestellt, so kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht. 2Der Erbe ist in diesem Falle verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben.
(2) Das Recht des Erben wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gläubiger nach dem Eintritt des Erbfalls im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung ein Pfandrecht oder eine Hypothek oder im Wege der einstweiligen Verfügung eine Vormerkung erlangt hat.
A. Allgemeines.
Rn 1
Ein aufwendiges Verfahren der Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenz ist sinnlos, wenn keine die Kosten des Verfahrens (§§ 1988 II, 207 InsO) deckende Masse vorhanden ist. Der Erbe die gleiche Wirkung durch Einrede herbeiführen. Als Folge muss er aber den Gläubigern den Nachlass zum Zwecke der Zwangsvollstreckung herausgeben. Der zunächst unbeschränkt haftende Erbe muss damit die Verfahrenskosten nicht vorschießen, um die Haftungsbeschränkung herbeizuführen.
Rn 2
Die Einrede steht dem Erben nur ggü denjenigen Nachlassgläubigern (auch ggü der Finanzverwaltung dazu ausf Dusch DStR 2013, 844) zu, denen ggü er nicht nach § 2013 I S 1 unbeschränkt haftet. Die Einrede wird wie folgt unterteilt: Mit der Dürftigkeitseinrede kann der Erbe, wenn der Nachlass zwar unzureichend, aber nicht überschuldet ist, den Zugriff der Nachlassgläubiger auf das Eigenvermögen des Erben abwehren (hM; Grüneberg/Weidlich § 1990 Rz 1). Die Unzulänglichkeitseinrede wird erhoben, wenn der dürftige Nachlass darüber hinaus auch überschuldet ist und somit eine vollständige Befriedigung aus dem Nachlass nicht möglich ist, wobei sich dies erst nach der Herausgabe des Nachlasses (I 2) in der Zwangsvollstreckung ergibt (MüKo/Küpper § 1990 Rz 11). Die Nachlassgläubiger sind dann auf den Nachlassrest verwiesen (Soergel/Magnus § 1990 Rz 2). Sind im Nachlass keinerlei Aktiva (mehr) vorhanden und bestehen auch keine Ersatzforderungen gegen den Erben nach §§ 1978, 1979, 1991 I, ist die Erschöpfungseinrede zu erheben. Liegen diese Voraussetzungen vor, wird schon die Klage des Nachlassgläubigers mangels Haftungsmasse abgewiesen. Allerdings darf das Prozessgericht ohne Prüfung der Erschöpfung des Nachlasses nach freiem Ermessen dem beklagten Erben auf seine Dürftigkeitseinrede hin die Haftungsbeschränkung vorbehalten oder die behauptete Erschöpfung des Nachlasses materiell prüfen, sofern nicht die Dürftigkeit des Nachlasses bereits feststeht (Ddorf FamRZ 10, 496). Die erstmals im Berufungsverfahren erhobene Einrede der Dürftigkeit ist unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 II 1 Nr. 1–3 ZPO auch dann zuzulassen, wenn die Dürftigkeit des Nachlasses streitig ist, sofern das Berufungsgericht den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung ausspricht, ohne dessen sachlichrechtlichen Voraussetzungen zu prüfen (Celle FamRZ 10, 1273). Das Gericht kann, muss aber nicht über die Haftungsbesschränkung entscheiden, ausreichend ist die Aufnahme des Vorbehalts.
Rn 3
Der Erbe kann ggü bestimmten nachlassbeteiligten Gläubigern auch die Überschwerungseinrede des § 1992 erheben (s § 1992 Rn 4 ff).
Rn 4
Für die Haftungsbeschränkung ist die ausdrückliche Berufung auf § 1990 nicht erforderlich; es reicht aus, dass der Erbe unter dem Vorbehalt des § 780 ZPO verurteilt wurde (BGH NJW 93, 850 [BGH 25.11.1992 - IV ZR 147/91]). Eine Beschränkung der Erbenhaftung durch die Einrede der Dürftigkeit oder der Unzulänglichkeit des Nachlasses ist nicht im Verfahren gegen ein verwaltungsrechtliches Leistungsgebot geltend zu machen, sondern allein im Zwangsvollstreckungsverfahren (VG Köln ZEV 11, 93 [VG Köln 24.08.2010 - 14 K 1654/09]).
B. Unzulänglichkeit des Nachlasses.
Rn 5
Der Nachlass ist unzulänglich, wenn eine die Kosten der Nachlassverwaltung bzw des Nachlassinsolvenzverfahrens deckende Masse fehlt und deshalb die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht tunlich ist, § 1982, § 26 I InsO. Die Überschuldung des Nachlasses kann aber gegeben sein (Lange/Kuchinke § 49 VIII). Der Nachweis der Dürftigkeit ist vom Erben zu führen (MüKo/Küpper § 1990 Rz 3). Der Nachweis der Unzulänglichkeit ist geführt, wenn eine ablehnende Entscheidung der Verfahrensanträge gem § 1982, § 26 InsO vorliegt; er kann aber auch durch Inventarerrichtung, § 2009, durch Auskunftserteilung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem § 260 (KG WM 03, 1996) oder wenn der Nachlass aus nur einem Gegenstand besteht, der nicht oder nicht sinnvoll verwertet werden kann (BGHZ 85, 274), geführt werden. Wird das Verfahren mangels Masse aufgehoben oder eingestellt, ist für das Prozessgericht, welches über die Einrede zu entscheiden hat, bindend festgestellt, dass es an einer zureichenden Masse fehlt. Nach Ansicht des BGH ...