Prof. Dr. Maximilian Zimmer
Gesetzestext
1Gehört ein Anspruch zum Nachlass, so kann der Verpflichtete nur an alle Erben gemeinschaftlich leisten und jeder Miterbe nur die Leistung an alle Erben fordern. 2Jeder Miterbe kann verlangen, dass der Verpflichtete die zu leistende Sache für alle Erben hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift erlaubt es dem einzelnen Miterben, die Durchsetzung von Nachlassforderungen zu bewirken, allerdings allein in der Weise, dass der zur Leistung verpflichtete Dritte nur an alle Erben gemeinsam, dh an die noch ungeteilte Erbengemeinschaft, leisten kann; die Erfüllungswirkung tritt bei einer Leistung an nur einen Miterben nicht ein (BGH NJW 01, 2396 [BGH 24.01.2001 - IV ZB 24/00]). Klagt nur ein Miterbe eine Nachlassforderung ein, muss der Klageantrag auf Leistung an alle Erben lauten. Die Vorschrift wird eingeschränkt für den Fall der Testamentsvollstreckung durch § 2205.
Rn 2
Die Vorschrift kann auf andere Gesamthandsgemeinschaften analog angewendet werden, wie zB für die Gütergemeinschaft (RGZ 158, 40), sofern das Zustimmungsverfahren wegen Gefahr im Verzug nicht eingehalten werden kann und mangels Abwesenheit oder Krankheit ein Notverwaltungsrecht gem § 1429 nicht gegeben ist. Dagegen ist § 2039 auf Gesellschaften nur bei Vorliegen besonderer Gründe analog anwendbar (BGHZ 39, 14).
B. Nachlassansprüche.
Rn 3
Erfasst werden alle schuldrechtlichen, dinglichen (BGH NJW 54, 1523), erbrechtlichen (zB Auskunftsanspruch Ddorf FamRZ 15, 163) und öffentlich-rechtlichen Nachlassansprüche (zB Pflegegeld BSG SozR 4–1500 § 75 Nr 18), nicht aber die Ausübung von Gestaltungsrechten, wie Testamentsanfechtung, der Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen oder der Anspruch gegen den Testamentsvollstrecker auf ordnungsgemäße Verwaltung (MüKo/Gergen § 20239 Rz 10). Zu den Nachlassansprüchen gehören insb der Erbschaftsanspruch nach §§ 2018 ff (Olzen JuS 89, 374), die Nachlassforderung gegen Miterben, allerdings unter Berücksichtigung, dass derartige Forderungen meist iRd Erbauseinandersetzung berichtigt werden können und daher den in Anspruch genommenen Miterben unbillig belasten können (NK-BGB/Ann § 2039 Rz 7; vgl auch § 2040 Rn 17). Ein allg Auskunftsanspruch unter Miterben kann aus der Vorschrift nicht abgeleitet werden (Kobl ZEV 13, 453 [OLG Koblenz 20.08.2012 - 5 U 821/12]). Sollen Ansprüche aus dem Handeln eines postmortal Bevollmächtigten durchgesetzt werden, folgt der Anspruch aus § 662 ff, dieser Anspruch kann aber nach § 2039 durchgesetzt werden (Saarbr NotBZ 23, 389 [OLG Saarbrücken 10.05.2023 - 5 U 57/22]).
Rn 4
Nach §§ 994 ff muss die Leistung allen ggü angeboten werden, es genügt aber, wenn an ein zur Entgegennahme bevollmächtigtes Mitglied der Erbengemeinschaft bzw deren Verwalter geleistet wird (BGH NJW 13, 166 [BGH 19.09.2012 - XII ZR 151/10], aA LG Heidelberg ZEV 15, 634). Jeder Miterbe für sich und unabhängig von den anderen berechtigt, die geschuldete Leistung an alle zu fordern, um drohende Nachteile von der Erbgemeinschaft abzuwenden, die durch Nachlässigkeit einzelner ihrer Mitglieder drohen (MüKo/Gergen§ 2039 Rz 15).
Rn 5
Die Verjährung beginnt bei Ansprüchen der Erbengemeinschaft aus Delikt nach § 199 I Nr 2 ab Kenntnis bzw grob fahrlässiger Unkenntnis des Erblassers vom Schadenseintritt und der Person des Ersatzpflichtigen, wenn diese Voraussetzungen in der Person jedes Miterben vorliegen, § 432 II analog (Celle 64, 869).
Rn 6
Gestaltungsrechte sind, da sie die Rechtsfolgen unmittelbar herbeiführen, keine Ansprüche (BGH NJW 51, 308). Daher fallen nicht unter § 2039 die Anfechtungs-, Minderungs-, Rücktritts- und Widerrufserklärung (BGH NJW 89, 2694), die Ausübung von Wahl-, Vorkaufs- und Wiederkaufsrechten (BGHZ 14, 251), die Erhebung der Nichtigkeitsklage oder die Nachfristsetzung (BGH NJW 00, 506). Auch die Kündigung einer Forderung kann, da sie eine Verfügung enthält, nur gemeinschaftlich erfolgen (RGZ 65, 5).
Rn 7
Die Vorschrift ist, wenn sich die Anfechtungsklage gegen einen belastenden oder die Erbengemeinschaft verpflichtenden Verwaltungsakt richtet, nicht entsprechend anwendbar, da sie mit dem Ziel einer materiellen Rechtsgestaltung erhoben wurde (MüKo/Gergen § 2039 Rz 35). Hier können die Miterben nur gemeinsam in notwendiger Streitgenossenschaft klagen (BVerwG NJW 56, 1295 [BVerwG 19.03.1956 - BVerwG V C 265/54]).
Rn 8
Da Mahnungen keine Gestaltungsrechte sind, fallen sie unter den Anwendungsbereich des § 2039 (NK-BGB/Ann § 2039 Rz 5). Die Ausübung der Gestaltungsrechte ist Teil der Nachlassverwaltung und folgt deren Regeln, §§ 2038, 2040 (NK-BGB/Ann § 2039 Rz 5).
Rn 9
Der einzelne Erbe kann nicht die Leistung an ihn verlangen, auch wenn es von dem geltend gemachten Anspruch nur den Teil betrifft, der seiner Quote am Nachlass entspricht (MüKo/Gergen § 2039 Rz 15). Sind die Miterben zur Annahme nicht bereit, muss er die Hinterlegung für alle erwirken; iÜ kann jeder Miterbe fordern, dass die Hinterlegung oder bei Ungeeignetheit ...