Prof. Dr. Maximilian Zimmer
Gesetzestext
(1) Hat der Erblasser angeordnet, dass einer der Miterben das Recht haben soll, ein zum Nachlass gehörendes Landgut zu übernehmen, so ist im Zweifel anzunehmen, dass das Landgut zu dem Ertragswert angesetzt werden soll.
(2) Der Ertragswert bestimmt sich nach dem Reinertrag, den das Landgut nach seiner bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig gewähren kann.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift enthält eine reine Auslegungsregel für den Fall, dass der Wille des Erblassers nicht feststellbar ist. Sie soll die Zerschlagung landwirtschaftlichen Grundbesitzes verhindern.
Rn 2
Ist der Verkehrswert niedriger als der Ertragswert, ist die Vorschrift nicht anwendbar, da sie eine Begünstigung des Miterben, der das Landgut als Ganzes übernimmt, beabsichtigt. Sie gilt aber bei Übergabeverträgen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (BGH NJW 64, 1223 [BGH 19.02.1964 - Ib ZR 203/62]), wenn das Landgut einem Miterben in der Erbauseinandersetzungsvereinbarung zugewiesen wird, sofern die Anwendung der Vorschrift nicht vereinbart worden ist (NK-BGB/Eberl-Borges § 2049 Rz 1).
B. Landgut.
Rn 3
Landgut ist die wirtschaftliche Einheit, die zum selbstständigen und dauernden, auch nebenberuflichen Betrieb geeignet ist, sowie die dazugehörenden land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke, die Hofstelle einschl Wohn- und Wirtschaftsgebäude und das Zubehör iSd § 98 Nr 2 (BGH NJW 64, 1414 [BGH 04.05.1964 - III ZR 159/63]; München ZEV 09, 301 [OLG München 18.03.2009 - 20 U 2160/06]). Der Begriff ›Landgut‹ entspricht dem des landwirtschaftlichen Betriebs iSd § 1374 IV (zu Einzelheiten vgl § 1374 Rn 26) Maßgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erbfalls (BGH NJW-RR 92, 770 [BGH 11.03.1992 - IV ZR 62/91]; Hamm RdL 2014, 276 dazu Wolter AUR 2014, 391). Daher kann ein Landgut auch eine Nebenerwerbsstelle sein, sofern ein leistungsfähiger Betrieb zur Zeit des Erbfalls in der Hand einer vom Gesetz begünstigten Person bestand (München ZEV 09, 301 [OLG München 18.03.2009 - 20 U 2160/06]). Ist der ›landwirtschaftliche Betrieb‹ bereits einem anderen Landwirtschaftsbetrieb zugeordnet und wird er von dort aus betrieben, fehlt es an der Landguteigenschaft (Hamm RdL 2014, 276). War schon im Zeitpunkt des Erbfalls die Hofeigenschaft außerhalb des Grundbuchs entfallen, ist regelmäßig auch die Landguteigenschaft entfallen, sodass testamentarische Regelungen dann nicht als Übernahmeanordnung nach § 2049 ausgelegt werden können (Celle RdL 12, 50); anders bei begründeter Erwartung, der Abkömmling werde den stillgelegten Betrieb wieder aufnehmen.
C. Ertragswert.
Rn 4
Der Ertragswert ist ein bestimmtes Vielfaches des Reinertrages, der sich wegen der Besonderheiten des Einzelfalls nach betriebswirtschaftlichen Jahresabschlüssen (Ddorf FamRZ 86, 168) und nach den steuerrechtlichen Vorschriften bestimmt, wobei auch landesrechtliche Besonderheiten zu beachten sind, Art 137 EGBGB, BStBl 1993 I 62 (MüKo/Fest § 2049 Rz 9). Der Reinertrag ist der Überschuss des Rohertrages über den Aufwand (MüKo/Fest § 2049 Rz 10: näher Müller-Feldhammer ZEV 95, 161). Er beträgt in Baden-Württemberg (Art 48 II AGBGB) und Bayern (Art 68 AGBGB) den 18-fachen Betrag des jährlichen Reinertrages, wohingegen es sich in Hessen (§ 30 AGBGB) und Rheinland-Pfalz (§ 24 AGBGB) um den 25-fachen Betrag handelt.
D. Übernahme.
Rn 5
Wird das Landgut nicht nach den Sondervorschriften der landesrechtlichen Anerbengesetze, sondern nach erbrechtlichen Grundsätzen des BGB an eine Erbengemeinschaft vererbt, so kann der Erblasser einem Miterben das Recht einräumen, das Landgut allein zu übernehmen. Dann ist das Landgut bei der Auseinandersetzung nach I nur mit dem ggü dem Verkehrswert geringeren Ertragswert anzusetzen (BVerfG NJW 85, 1329). Ein Verstoß gegen Art 3 GG ist darin nicht zu sehen (BVerfGE 67, 348). Eine entspr Privilegierung des übernehmenden Miterben gilt nach § 2312 für die Pflichtteilsberechnung und nach § 1376 IV für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens bei der Zugewinngemeinschaft (BVerfG NJW 85, 1329 [BVerfG 16.10.1984 - 1 BvL 17/80]).
Rn 6
Bei der Übernahme nur eines Bruchteils des Eigentums an einem Landgut ist im Zweifel davon auszugehen, dass der Bruchteil zum Verkehrswert angesetzt werden soll (BGH NJW 73, 995 [BGH 21.03.1973 - IV ZR 157/71]). § 2049 findet dann keine Anwendung.