I. Anwartschaftsrecht.
Rn 50
Vor dem Erbfall hat der Nacherbe wie jeder Erbe keine Rechte, insb auch kein Anwartschaftsrecht und auch keine sonstige gesicherte Rechtsposition (BGH NJW 96, 1062, 1063; RGZ 49, 372), sondern allenfalls eine rein tatsächliche Erwerbsaussicht. Eine Feststellungsklage mit Bezug auf sein künftiges Nacherbenrecht wäre unzulässig, weil es an einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis fehlt (BGHZ 37, 137). Ein Vertrag über sein Nacherbenrecht wäre nichtig (§ 311b IV; BGHZ 37, 319 für das Anwartschaftsrecht des Schlusserben beim Berliner Testament).
Rn 51
Mit dem Erbfall erwirbt der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht (BGHZ 87, 367, 369). Es handelt sich um eine unentziehbare und unbeschränkbare Rechtsstellung und um einen gegenwärtigen Vermögenswert in der Hand des Nacherben (BGH aaO). Es wirkt absolut und ist deliktisch geschützt.
II. Sicherung des Anwartschaftsrechts.
Rn 52
Zu den Sicherungs-, Auskunfts- und Kontrollrechten des Nacherben s Rn 8. Ob der Nacherbe gegen den Vorerben eine Feststellungsklage bezüglich seines Nacherbenrechts erheben kann, ist umstr (Staud/Avenarius § 2100 Rz 91). Dasselbe gilt für eine Klage gegen den Vorerben auf Feststellung, dass eine von diesem getroffene Verfügung dem Nacherben ggü unwirksam ist (Staud/Avenarius § 2113 Rz 42).
Rn 53
Keine Rechte stehen dem Nacherben in diesem Stadium gegen Dritte zu. Er kann also weder den Erbschaftsanspruch (§ 2018) erheben noch die Auskunftsrechte aus §§ 2027, 2028 geltend machen.
III. Übertragbarkeit des Anwartschaftsrechts.
Rn 54
Sie ist grds gegeben; der Erblasser kann sie jedoch ausschließen (hM im Anschl an RGZ 170, 163, 168). Der Nacherbe erklärt mit der Veräußerung oder Verpfändung der Nacherbschaft deren Annahme. Einzelne Befugnisse des Nacherben, etwa der Herausgabeanspruch aus § 2130, sind vor dem Nacherbfall nicht übertragbar und demgemäß auch nicht pfändbar (Staud/Avenarius § 2100 Rz 79).
Rn 55
Für Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte zur Abtretung des Anwartschaftsrechts gelten die §§ 2033, 2371, 2385 (notarielle Beurkundung). Mitnacherben steht ein Vorkaufsrecht zu. Sind keine Mitnacherben vorhanden oder üben sie ihr Vorkaufsrecht nicht aus, so ist analog § 2034 auch der Vorerbe zum Vorkauf berechtigt. Der Erwerber des Anwartschaftsrechts erhält die volle Rechtsstellung des Nacherben, also alle Sicherungs-, Kontroll- und Auskunftsrechte vor dem Nacherbfall. Mit dem Nacherbfall erwirbt er den Nachlass unmittelbar vom Erblasser.
Rn 56
Zur Übertragung des Anwartschaftsrechts auf den Vorerben s § 2139 Rn 7.
Rn 57
Das Anwartschaftsrecht kann verpfändet werden. Auch insoweit ist notarielle Beurkundung erforderlich (§§ 1274 I 1, 2033, 2371, 2385). Die Verpfändung kann im Grundbuch eingetragen werden.
Rn 58
Das Anwartschaftsrecht ist vererblich. Dies ist in § 2108 II ausdrücklich vorgesehen, aber mit der Maßgabe, dass der Erblasser die Vererblichkeit ausschließen kann. Der Fall tritt insb dann ein, wenn der Nacherbe vor dem Nacherbfall verstirbt und kein Ersatznacherbe eingesetzt ist.
Rn 59
Das Anwartschaftsrecht kann nach § 857 ZPO gepfändet werden. Sind Mitnacherben vorhanden, so muss der Pfändungsbeschluss auch ihnen zugestellt werden. Dagegen ist eine Zustellung an den Vorerben nach hM nicht erforderlich; er wird nicht als Drittschuldner angesehen, weil der Nacherbe nicht sein Erbe ist.
IV. Testamentsvollstreckung für den Nacherben.
Rn 60
Dem Nacherben kann ein Testamentsvollstrecker mit der Maßgabe ernannt werden, dass er nur bis zum Nacherbfall dessen Rechte ausübt und dessen Pflichten erfüllt; dies dient idR einer wirksamen Beaufsichtigung des Vorerben und ist in § 2222 geregelt. Der Testamentsvollstrecker kann dem Nacherben aber auch für die Zeit ab dem Nacherbfall ernannt werden; Besonderheiten ergeben sich dabei nicht. Natürlich kann er auch für die Zeit vor und nach dem Nacherbfall ernannt werden.