I. Geltungsbereich.
Rn 14
Diese Verfügungsbeschränkung betrifft Nachlassgegenstände aller Art, insb auch Grundstücke und Rechte daran, nicht aber Nutzungen. Über letztere kann der Vorerbe grds frei verfügen. Nicht betroffen ist die Erfüllung von Schenkungsversprechen des Erblassers.
Rn 15
Auch ein befreiter Vorerbe unterliegt ihr (vgl § 2136); er kann also über ein Grundstück zwar entgeltlich verfügen, nicht aber unentgeltlich. Der Erblasser kann den Vorerben auch nicht ad hoc in der letztwilligen Verfügung befreien (RGZ 133, 267). Keine Befreiung bewirkt insb auch eine Testamentsklausel, wonach der Vorerbe (konkret: die Ehefrau) über den gesamten Nachlass frei nach seinem Willen solle verfügen können (BGHZ 7, 275). Ein Ausweg kann in einem Vorausvermächtnis zugunsten des Vorerben bestehen (§ 2110 II). Zum Schutz des Erwerbers s Kollmeyer NJW 22, 3543.
Rn 16
Die Unwirksamkeit der unentgeltlichen Verfügung tritt erst mit dem Nacherbfall ein und nur insoweit, als das Recht des Nacherben beeinträchtigt ist. Das schuldrechtliche Grundgeschäft des Vorerben, das zur unentgeltlichen Verfügung verpflichtet, bleibt stets wirksam (BGHZ 98, 130; s § 2112 Rn 6).
II. Unentgeltlichkeit.
Rn 17
Diese ist – anders als nach I die Verfügung über ein Grundstück (s Rn 8) – nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen (Soergel/Harder/Wegmann § 2113 Rz 18 und 19; Staud/Avenarius § 2113 Rz 22; zum Schutz des Käufers und zur Prüfungspflicht des Grundbuchamts Kollmeyer NJW 22, 3543).
Rn 18
Anders als bei §§ 516 ff ist auch unerheblich, ob sich die Parteien über die Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts geeinigt haben (BGH NJW 91, 842 [BGH 24.10.1990 - IV ZR 296/89]); die Vorschrift betrifft auch nicht nur Schenkungen. Für die Frage, ob die Gegenleistung ausreicht, entscheiden die Verhältnisse bei Vornahme des Rechtsgeschäfts (BayObLGZ 57, 285); unerheblich ist, wann die Gegenleistung zu erbringen ist.
Rn 19
Unentgeltlich ist eine Verfügung dann, wenn sie ein bestimmtes objektives und ein bestimmtes subjektives Moment aufweist. Ersteres besteht darin, dass für das vom Vorerben Weggegebene keine objektiv gleichwertige Gegenleistung in den Nachlass fließt. Das subjektive Moment ist wiederum in zwei Fällen gegeben. Der Vorerbe muss entweder wissen, dass der Weggabe keine gleichwertige Gegenleistung an den Nachlass gegenübersteht, oder er muss bei ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses (§ 2130) unter Berücksichtigung seiner künftigen Pflicht, die Erbschaft dem Nacherben herauszugeben, das Fehlen oder die Unzulänglichkeit der Gegenleistung erkennen (BGH NJW 84, 366 [BGH 23.11.1983 - IVa ZR 147/81]; Staud/Avenarius § 2113 Rz 62). Nicht berufen kann sich der Vorerbe auf einen Irrtum darüber, dass überhaupt eine Gegenleistung erbracht worden ist (RGZ 105, 246).
Rn 20
Unentgeltlich sind auch unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten (MüKo/Lieder § 2113 Rz 59). Keine unentgeltliche Leistung ist die Anerkennung oder Erfüllung einer verjährten Pflichtteilsforderung (BGH NJW 73, 1690 [BGH 04.07.1973 - IV ZR 185/72]); evtl besteht aber eine Ersatzpflicht des Vorerben aus § 2130.
Rn 21
Keine (teilweise) unentgeltliche Verfügung liegt in der Veräußerung eines Grundstücks gegen Einräumung oder unter Zurückbehaltung eines Nießbrauchs; dieser stellt kein Entgelt dar, sondern nur ein Minus hinsichtlich der Gegenleistung (Braunschw FamRZ 95, 443, 445).
Rn 22
Als Gegenleistungen zu berücksichtigen sind nur solche, die in den Nachlass fließen, so dass Surrogation gem § 2111 eintritt (BGHZ 7, 274, 277), etwa auch die Beteiligung an einer Personengesellschaft gegen Einbringung eines Nachlassgrundstücks (Everts ZErb 09, 255). Unentgeltlichkeit liegt mithin grds vor, wenn die Gegenleistung in das Eigenvermögen des nicht befreiten Vorerben fließt (BGHZ 69, 47) oder in das Eigenvermögen eines von mehreren Nacherben (RGZ 125, 246: Belastung eines Nachlassgrundstücks zur Sicherung eines Darlehens, das nur einem von ihnen gewährt ist) oder in das Vermögen eines Dritten (etwa bei Absicherung der Darlehensschuld eines Dritten durch ein Grundpfandrecht auf dem Nachlassgrundstück, Staud/Avenarius § 2113 Rz 76). Unentgeltlich sind auch rechtsgrundlose Verfügungen (RGZ 105, 246 u 163, 348, 357).
III. Entgelte an den Vorerben.
Rn 23
Soweit ein Rechtserwerb des Vorerben trotz § 2111 überhaupt in Betracht kommen kann (s Rn 22), kann die Unentgeltlichkeit ausgeschlossen sein, wenn ihm die Gegenleistung zur Sicherung seines Lebensunterhalts dienen soll (BGH LM Nr 2 zu § 2136), so bei Veräußerung eines Nachlassgrundstücks gegen Gewährung eines Altenteils oder einer Leibrente.
IV. Unwirksamkeit.
Rn 24
Die unentgeltliche Verfügung wird beim Nacherbfall nur insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde (BGHZ 7, 274, 279; s.a. oben Rn 8). Neben der Unentgeltlichkeit muss also die Beeinträchtigung des Nacherbenrechts selbstständig geprüft werden (Staud/Avenarius § 2113 Rz 67). Dies geschieht nach rein objektiven Gesichtspunkten (BGHZ 7, 274, 279) und nach den beim Nacherbfall bestehenden Verhältnissen (RGZ 159, 393; BGHZ 7, 274, 279)...