Prof. Dr. Gottfried Schiemann
Gesetzestext
(1) 1Ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, kann sowohl gegen den Erben als gegen den Testamentsvollstrecker gerichtlich geltend gemacht werden. 2Steht dem Testamentsvollstrecker nicht die Verwaltung des Nachlasses zu, so ist die Geltendmachung nur gegen den Erben zulässig. 3Ein Pflichtteilsanspruch kann, auch wenn dem Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses zusteht, nur gegen den Erben geltend gemacht werden.
(2) Die Vorschrift des § 1958 findet auf den Testamentsvollstrecker keine Anwendung.
(3) Ein Nachlassgläubiger, der seinen Anspruch gegen den Erben geltend macht, kann den Anspruch auch gegen den Testamentsvollstrecker dahin geltend machen, dass dieser die Zwangsvollstreckung in die seiner Verwaltung unterliegenden Nachlassgegenstände dulde.
Rn 1
Im Umfang der Verwaltungsbefugnis (§§ 2205 1, 2208) und der aktiven Prozessführungsbefugnis nach § 2212 kann der Testamentsvollstrecker nach § 2213 konsequenterweise idR auch verklagt werden. § 2213 ermöglicht den Gläubigern zusätzlich die Klage gegen die Erben, da nach §§ 1967, 2058 f die Erben persönlich mit ihrem sonstigen Vermögen den Gläubigern haften (können). Will der Gläubiger sowohl in das Eigenvermögen des Erben als auch in den Nachlass vollstrecken, muss er Erbe und Testamentsvollstrecker gemeinsam verklagen. Dies gilt auch dann, wenn der Testamentsvollstrecker zugleich selbst Erbe ist. Der Erbe kann allerdings uU den Vorbehalt der auf den Nachlass beschränkten Haftung nach §§ 780, 781 ZPO geltend machen, und bei der Klage gegen den Testamentsvollstrecker trägt der Gläubiger das Risiko etwaiger Beschränkungen der Testamentsvollstreckung. Liegt eine solche Beschränkung vor, ist nach I 2 nur der Erbe passiv prozessführungsbefugt. In Hinblick auf solche Fälle empfiehlt sich die Verknüpfung der Klage gegen den Erben mit derjenigen nach III gegen den Testamentsvollstrecker auf Duldung der Zwangsvollstreckung in die von ihm verwalteten Gegenstände. Dann kann bei Erfolg der Klage in die Gegenstände nach § 748 II ZPO vollstreckt werden. Dasselbe Modell der Verknüpfung von Leistungsklage gegen den Erben und Duldungstitel gegen den Testamentsvollstrecker ist für Pflichtteilsansprüche nach I 3 iVm § 748 III ZPO vorgesehen (BGH NJW 21,2115 [BGH 26.05.2021 - IV ZR 174/20] Rz 9). Dingliche Ansprüche wegen Sachen, die der Testamentsvollstrecker in Besitz hat (vgl § 2205 2), können überhaupt nur durch Herausgabesprüche gegen die Erben nach I 2 und Duldungstitel gegen den Testamentsvollstrecker nach III (analog) verwirklicht werden (vgl Staud/Dutta Rz 14 mwN). In anderen Fällen, in denen der Testamentsvollstrecker überhaupt keine Verwaltungsbefugnis hat, kann gegen ihn hingegen nicht einmal auf Duldung geklagt werden.
Rn 2
Obwohl der Erbe demnach immer und in erster Linie verklagt werden kann, sind seine Verteidigungsmöglichkeiten begrenzt: Aufrechnungen mit Nachlassforderungen sind ihm wegen §§ 2211, 2212 ebenso verwehrt wie die Geltendmachung von (anderen) Einwendungen und Einreden oder die Erhebung der Widerklage wegen Forderungen und Rechten, die zum Nachlass gehören. Allerdings kann in das Eigenvermögen des Erben nach § 778 I ZPO nicht vor der Annahme der Erbschaft vollstreckt werden. Deshalb kann gegen den Erben nach § 1958 vorher auch nicht geklagt werden.
Rn 3
Obwohl der Testamentsvollstrecker auf Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen demnach nicht allein verklagt werden kann (oder Rn 1), ist ihm die Möglichkeit einzuräumen, bei unstr bestehendem Pflichtteilsrecht die Auskunfts- und Leistungsansprüche nach §§ 2314, 2303 zu erfüllen. In Fällen, in denen nur der Testamentsvollstrecker die nötigen Informationen hat, ist er dazu und zur Auskunftserteilung ggü dem Erben nach § 2216 I sogar verpflichtet (Staud/Dutta Rz 19). Hingegen kann er den Pflichtteilsanspruch gegen den Willen des Erben nicht anerkennen (BGHZ 51, 125).
Rn 4
Das Urt gegen den Testamentsvollstrecker aufgrund § 2213 wirkt auch für und gegen den Erben, § 327 II ZPO. Das Urt gegen den Erben wirkt im Falle des Unterliegens nur gegen diesen selbst, bei Obsiegen hingegen auch für den Testamentsvollstrecker, weil er ja einen Teil des Vermögens des Erben verwaltet, der nach der rechtskräftigen Feststellung gerade nicht haften soll (Stein/Jonas/Roth § 327 ZPO Rz 8).
Rn 5
Für Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker persönlich, zB der Erben nach § 2219 (BGH NJW-RR 88, 386 [BGH 04.11.1987 - IVa ZR 118/86]) oder Dritter nach § 311 III (weitere Fälle bei NK/Kroiß Rz 19 mwN), gilt § 2213 nicht. Für solche ›Privatklagen‹ (zur Abgrenzung NK/Kroiß Rz 17, 18 mwN) ist allein der Testamentsvollstrecker zuständig.