Prof. Dr. Martin Avenarius
I. Voraussetzungen.
Rn 2
I erfordert die Besorgnis, dass der Erblasser versterben werde, bevor ihm möglich ist, vor einem Notar zu testieren. Gleiches gilt, wenn der Eintritt einer bis zum Tod fortdauernden Testierunfähigkeit des Erblassers zu besorgen ist (BGHZ 3, 377). Die Vorschrift findet auch Anwendung, wenn ein Notar zwar erreichbar ist, aber an der Testamentserrichtung nicht mitwirken will (Soergel/Deuschl Rz 4). Der Bürgermeister selbst muss die Besorgnis hegen; auf die Vorstellung des Erblassers oder der Zeugen kommt es nicht an. Ob die Besorgnis des Bürgermeisters berechtigt ist, ist dagegen unerheblich (II). Ausnahmsweise ist das Nottestament auch dann gültig, wenn zwar der Bürgermeister nicht von der Notlage ausging, dieselbe aber tatsächlich gegeben war (RGZ 171, 29). Nach § 2250 I kann ein Bürgermeistertestament auch errichtet werden, wenn der Erblasser infolge Abgesperrtseins nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten vor einem Notar testieren kann. Hier kann auch die Form des Dreizeugentestaments (§ 2250) gewählt werden.
II. Mitwirkende Personen.
Rn 3
Urkundsperson ist der Bürgermeister des Aufenthaltsorts bzw dessen gesetzlich bestimmter Vertreter (V). Beurkundung außerhalb des Amtsbezirks (Gemeindegebiets) ist unschädlich (I 4 iVm § 2 BeurkG). Der Bürgermeister muss anwesend sein und den letzten Willen des Erblassers selbst entgegennehmen. Daneben sind zwei Zeugen zur Beurkundung hinzuzuziehen (I 2). Wer im Testament bedacht oder zum Testamentsvollstrecker ernannt wird, kann nicht Zeuge sein (I 3); ein Verstoß macht das Testament allerdings nicht in vollem Umfang unwirksam (§§ 7 u 27 BeurkG). IÜ ergeben sich Mitwirkungsverbote aus § 26 BeurkG.
III. Testamentserrichtung.
1. Mitwirkung.
Rn 4
Während der Errichtung des Testaments müssen der Bürgermeister und die beiden Zeugen anwesend sein (BGHZ 37, 87; 54, 93). Als erstes muss der Erblasser seinen letzten Willen erklären, und zwar mündlich oder durch anderweitige Verständigung. Die Erklärung wird in eine Niederschrift aufgenommen. Möglich ist auch die Übergabe einer (offenen oder verschlossenen) Schrift mit der Erklärung, dass sie seinen letzten Willen enthalte (I 4; § 2232). Minderjährige können nur durch Übergabe einer offenen Schrift testieren, Lesensunfähige auf diesem Wege gar nicht (§ 2233). Der Bürgermeister muss eine Niederschrift über die Testamentserrichtung fertigen. Sie muss in Anwesenheit aller Mitwirkenden dem Erblasser vorgelesen und anschließend von diesem genehmigt werden. Die genehmigte Niederschrift ist schließlich von Erblasser, Bürgermeister und beiden Zeugen zu unterschreiben. Kann der Erblasser nach seinen Angaben oder nach der Überzeugung des Bürgermeisters seinen Namen nicht schreiben, ersetzt die entspr Feststellung seine Unterschrift (I 6).
2. Niederschrift.
Rn 5
Die Niederschrift verkörpert den erklärten Willen des Erblassers und ist daher Voraussetzung für die Wirksamkeit des Testaments. Für die vollständige Errichtung des Testaments zu Lebzeiten ist erforderlich, dass die Niederschrift beim Tod des Erblassers bereits fertiggestellt ist (BayObLG NJW-RR 96, 712 [BayObLG 08.12.1995 - 1Z BR 80/95]). Für sie gelten Vorschriften des BeurkG (s.u. Rn 6), bei deren Nichteinhaltung zwischen ggf unschädlichen Formfehlern (VI) und unverzichtbaren Mindestanforderungen zu unterscheiden ist. Bei der Unterscheidung zwischen beiden Kategorien ist unnötige Formstrenge zu vermeiden (BGHZ 37, 88). Es genügt, wenn sich aus der Urkunde die rechtserheblichen Umstände und Erklärungen ergeben, falls deren Wahrnehmung durch alle mitwirkenden Personen erfolgte und durch ihre Unterschrift bezeugt ist (BGH 37, 88). Der ordnungsgemäßen Niederschrift kommt die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde zu (§ 415 ZPO).
3. Einzelne Verfahrensvorschriften.
Rn 6
Mit der Maßgabe, dass der Bürgermeister an die Stelle des Notars tritt, gelten gem I 4 folgende Vorschriften des BeurkG: § 5 I (Errichtung der Urkunde in deutscher Sprache), §§ 8 u 9 (Niederschrift und deren Inhalt), § 10 (Feststellung der Person des Erblassers), § 11 I 2 u II (Feststellungen über Zweifel an seiner Geschäftsfähigkeit), § 13 I u III (Vorlesen, Genehmigen, Unterschreiben der Niederschrift), § 16 (Übersetzung der Niederschrift bei unzureichenden Deutschkenntnissen des Erblassers), § 17 (Prüfungs- und Belehrungspflicht des Bürgermeisters), § 23 (Vorlage der Niederschrift zur Durchsicht an hörbehinderten Erblasser), § 24 (Zuziehung einer verständigungsfähigen Person bei hör- und sprachbehindertem Erblasser, mit dem eine schriftliche Verständigung nicht möglich ist), § 28 (Feststellung der Geschäftsfähigkeit des Erblassers), § 30 (Übergabe einer Schrift), § 32 (Anfügung einer Übersetzung bei Sprachunkundigkeit des Erblassers), § 35 (Niederschrift ohne Unterschrift des Bürgermeisters).
Rn 7
Die Niederschrift ist vom Bürgermeister nach Testamentserrichtung in einen Umschlag zu nehmen, der mit dem Amtssiegel zu verschließen, zu beschriften und zu unterschreiben ist. Anschließend ist das Testament unverzüglich in die besondere amtliche Verwahrung des örtlich zuständigen Amtsgerichts zu geben (I 4; § 34 BeurkG; § 344 I Nr 2 F...