Prof. Dr. Martin Avenarius
I. Absperrung oder Todesgefahr.
Rn 2
Die Absperrung muss auf außergewöhnliche Umstände (zB Flut- oder Schneekatastrophe) zurückgehen. Auch rechtliche Hindernisse, zB Kontaktverbot oder Quarantäne bei Pandemie, kommen in Betracht (Krätzschel ZEV 20, 268; Kroiß ErbR 20, 458). Ist der Erblasser durch ein lediglich psychisches Hindernis an der Errichtung eines eigenhändigen Testaments gehindert, ist I nicht anwendbar (vgl KG Rpfleger 68, 392). II setzt nahe Todesgefahr (KG FGPrax 22, 217; Hamm FGPrax 17, 131) voraus, ohne dass es auf den Grund derselben oder den Ort ankäme, an dem sich der Erblasser befindet (vgl BayObLGZ 90, 297). Sie kann gegeben sein, wenn der Erblasser tatsächlich zwei Tage später verstirbt (LG München I FamRZ 00, 855). Der Gefahr nahenden Todes steht die des Eintritts dauernder Testierunfähigkeit gleich (BGHZ 3, 377).
Rn 3
Wenn die Voraussetzungen des Nottestaments bei Testamentserrichtung objektiv vorliegen, kommt es auf die Einschätzung der Lage durch die Zeugen nicht an (BGHZ 3, 380; LG Freiburg ZEV 03, 371 m Anm Dümig). Gingen umgekehrt die Zeugen von der nahen Todesgefahr aus, während diese in Wahrheit nicht bestand, ist das Nottestament ebenso wirksam, sofern die Vorstellung der Zeugen auf konkreten Anhaltspunkten beruhte (München ZEV 09, 468). Ob der Testator selbst von der Gefahr überzeugt war, ist unerheblich (BGHZ 3, 378).
II. Zeugen.
Rn 4
Die Zeugen übernehmen die Beurkundungsfunktion, da eine amtliche Urkundsperson fehlt. Sie müssen während der Erklärung des Erblassers, des Verlesens der Niederschrift sowie ihrer Genehmigung und Unterzeichnung durch den Erblasser anwesend sein; nur während der Anfertigung der Niederschrift ist dies nicht erforderlich. Pandemiebedingte Kontaktbeschränkungen befreien nicht vom Erfordernis gleichzeitiger Anwesenheit (Ddorf ZEV 22, 151). Wenn auch nur einer der Zeugen bei einem dieser Teilakte fehlt, ist das Nottestament unheilbar nichtig (BGHZ 54, 93). Gleiches gilt im Fall eines anderweitigen Verstoßes gegen die zwingenden Erfordernisse des Errichtungsakts. Jeder Zeuge muss von Anfang an zur Mitwirkung bereit sein (BGH FamRZ 71, 162; KG ErbR 16, 389).
Rn 5
Als Zeugen ausgeschlossen sind gem III 2 iVm § 6 I Nr 1–2a BeurkG der Testator selbst sowie sein Ehegatte bzw Lebenspartner; diese können allerdings mittestieren (§ 2266). Ausgeschlossen sind ferner die Verwandten des Testators in gerader Linie (§ 6 I Nr 3 BeurkG). Untereinander dürfen die Zeugen aber verwandt oder verschwägert sein. Die Mitwirkung eines durch § 6 I Nr 1–3 BeurkG ausgeschlossenen Zeugen führt zur Unwirksamkeit der Beurkundung. Wirken allerdings außer dem ausgeschlossenen Zeugen noch drei rechtlich geeignete mit, ist seine Beteiligung unschädlich (BGHZ 115, 176). Minderjährige, Geisteskranke und -schwache, Gehörlose, Stumme, Blinde und Schreibunfähige sollen nicht als Zeugen herangezogen werden (§ 26 II Nr 2–5 BeurkG); die Mitwirkung eines geistesschwachen Zeugen bewirkt jedoch keine Unwirksamkeit (Hamm OLGZ 92, 32).
Rn 6
Wird in dem Testament dem Ehegatten oder einem nahen Angehörigen iSv § 7 Nr 3 BeurkG eines Zeugen ein rechtlicher Vorteil verschafft oder wird er selbst bedacht oder als Testamentsvollstrecker ernannt, so bewirkt dieser Verstoß gegen die zwingenden Vorschriften von § 7, 27 BeurkG zwar nicht die Unwirksamkeit des gesamten Testaments, wohl aber die der betreffenden Einzelverfügung oder Zuwendung. Es handelt sich nicht nur um einen heilbaren Formmangel (BayObLG NJW-RR 96, 9). Beschränkt sich der Erblasser dagegen auf die Begünstigung des Angehörigen des Zeugen, dann ist dieser im Hinblick auf das gesamte Testament ausgeschlossen (Köln FamRZ 18, 393).
III. Verfahren.
1. Mündliche Erklärung.
Rn 7
Zunächst muss der Erblasser vor den drei Zeugen mündlich seinen letzten Willen erklären. Die Übergabe einer Schrift genügt nicht. Sprechunfähige sind also (im Unterschied zu § 2232) vom Dreizeugentestament ausgeschlossen. Bloße Zeichen oder Gebärden reichen als Ausdrucksmittel allein nicht aus, sofern der Erblasser seine sprachliche Erklärung nicht nur zu einzelnen Punkten durch Zeichen oder Gebärden ergänzt (BGH NJW 62, 1150 [BGH 04.04.1962 - V ZR 110/60]; BayObLGZ 68, 272).
2. Niederschrift.
Rn 8
Anschließend muss eine Niederschrift über den letzten Willen des Erblassers angefertigt werden. Verstirbt der Erblasser, bevor die Niederschrift vorgelesen, genehmigt und unterschrieben worden ist, ist das Testament unwirksam (Hamm JMBl NRW 62, 212; Köln JMBl NRW 74, 221). Kurzschrift ist zulässig (BayObLGZ 79, 239). Die Abfassung in einer anderen Sprache als der deutschen ist nur zulässig, wenn der Erblasser und alle Zeugen die Fremdsprache hinreichend verstehen (III 3 u 4); andernfalls ist das Testament nichtig. Über den letzten Willen hinaus umfasst die Niederschrift gem III 2 Angaben über Erblasser und Zeugen sowie Tag und Ort der Errichtung (§§ 9 u 10 BeurkG). Ferner sollen Feststellungen getroffen werden über die Testierfähigkeit des Erblassers (§ 11 I 2 BeurkG), ggf die Schwere seiner Erkrankung, die nahe Todesgefahr oder drohende Testierunfähigkeit, die Absperrung (I) sowie ggf ...