Prof. Dr. Martin Avenarius
I. Objektive Merkmale.
Rn 2
Die Formerleichterung besteht insoweit, als nur ein Ehegatte die Verfügungen beider niederschreiben muss, die dann beide unterzeichnen (vgl KG FamRZ 17, 1786; Hamm OLGZ 72, 143). Der Mitunterzeichnende kann auch zu einem späteren Zeitpunkt unterschreiben, aber nicht mehr nach dem Tod seines Ehegatten. Eine besondere Beitrittserklärung ist nicht nötig; steht die Beziehung zur Haupterklärung fest, kann sie sich auch auf einem unterzeichneten besonderen Blatt befinden (BayObLGZ 93, 243). Auf die Reihenfolge der Unterschriften kommt es nicht an (Staud/Raff Rz 25). Beide Unterschriften müssen so angebracht sein, dass sie den gesamten Text der Verfügungen abschließen. Entspr müssen Nachträge zum Ursprungstext durch die ursprüngliche Unterschrift beider Ehegatten gedeckt sein. Es genügt dann, wenn der eine Ehegatte sie mit Billigung des anderen beifügt (BGH NJW 74, 1083). Deckt die ursprüngliche Unterschrift die Nachträge nicht, dann müssen beide Ehegatten sie gesondert unterschreiben (RGRK/Johannsen Rz 14).
Rn 3
Leistet ein Ehegatte eine Blankounterschrift, bevor der andere den Text der Verfügungen darüber setzt, ist § 2267 nicht erfüllt. Entspricht indessen die Testamentsurkunde nach ihrem äußerlichen Bild einem formgerechten gemeinschaftlichen Testament, dann folgt daraus eine tatsächliche Vermutung, dass die gesetzlich vorgeschriebene Reihenfolge eingehalten wurde (Hamm OLGZ 93, 146).
Rn 4
Ehegatten müssen die Formerleichterung des 1 bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments nicht in Anspruch nehmen. Legt jeder seine jeweils eigenen Verfügungen eigenhändig nieder und unterschreiben jeweils beide, dann ergibt sich daraus der Errichtungszusammenhang. IÜ genügt nicht, dass Ehegatten am selben Tag und Ort zwei Urkunden errichten, die im Wesentlichen gleich lauten (stRspr; vgl BGHZ 9, 113; Hamm FGPrax 21, 226). Unterschreibt also jeder nur seine eigenen Verfügungen, dann muss sich, soll es sich um ein gemeinschaftliches Testament handeln, der Errichtungszusammenhang anderweitig ergeben. Dies ist ua dann der Fall, wenn jeder Ehegatte seine Verfügungen am selben Tag auf demselben Bogen niedergeschrieben hat und deren Text bis auf den Namen der jeweils eingesetzten Erben wörtlich übereinstimmt (Zweibr FGPrax 00, 244).
II. Verfügungswille des Mitunterzeichnenden.
Rn 5
Der Mitunterzeichnende muss die Erklärungen als eigene letztwillige Verfügungen gewollt haben (Ddorf FGPrax 17, 128 [OLG Düsseldorf 03.01.2017 - I-3 Wx 55/16]). Dies kann idR angenommen werden, wenn die Verfügungen in Wir-Form gehalten sind und auf gemeinsame Interessen beider Teile Rücksicht nehmen. Die Auslegung kann aber auch ergeben, dass der Mitunterzeichnende mit seiner Unterschrift lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass er die Verfügungen des anderen Ehegatten zur Kenntnis nehme und billige (vgl BayObLGZ 59, 207). Verfügt er nicht selbst, dann kommt kein gemeinschaftliches Testament zustande (Ddorf NJW-RR 21, 662 [BGH 24.03.2021 - IV ZR 269/20]). Sind verschiedene plausible Erklärungen für die Mitunterzeichnung denkbar, dann muss sich das Nachlassgericht für die nach Wortlaut und Umständen näher liegende Deutung entscheiden (BayObLG FGPrax 04, 34 [BayObLG 14.11.2003 - 1Z BR 106/02]).
III. Zeit- und Ortsangabe.
Rn 6
Der Mitunterzeichnende soll Zeit und Ort seiner Unterschriftsleistung angeben (2). Dadurch sollen ggf die Rechtsfolgen von § 2247 V vermieden werden; iÜ ist das Fehlen der Angaben unschädlich.
IV. Umdeutung.
Rn 7
Ist die von einem Ehegatten handschriftlich verfasste und unterschriebene gemeinschaftliche Erklärung vom anderen nicht unterschrieben worden, dann ist sie als gemeinschaftliches Testament formunwirksam. Das Schriftstück kann aber uU als eigenhändiges Testament des Verfassers gem § 2247 aufrechterhalten werden, wenn dieser seine Erklärung vollständig abgegeben hat und wollte, dass seine Verfügung ggf auch unabhängig von dem Beitritt des anderen gelten sollte. Bei dieser Ermittlung ist § 2084 unanwendbar (BayObLG FamRZ 92, 355). Waren wechselbezügliche Verfügungen (§ 2270 I) oder die Einsetzung eines Schlusserben (§ 2269) gewollt, kommt eine Umdeutung regelmäßig nicht in Betracht (BGH NJW-RR 87, 1410 [BGH 16.06.1987 - IVa ZR 74/86]; BayObLG NJW-RR 00, 1534 [BayObLG 29.06.2000 - 1 Z BR 40/2000]).