I. Gestaltungsmöglichkeiten.
Rn 6
Durch Vorbehalt kann der Erblasser dem Umfang der bindenden Wirkung seiner vertragsmäßigen Verfügung Grenzen setzen und sich teilweise seine Freiheit, abw einseitig zu testieren, bewahren (BGH NJW 82, 441 [BGH 02.12.1981 - IVa ZR 252/80]; Stuttg ZEV 03, 79 [OLG Stuttgart 29.08.2002 - 19 U 39/02]; zur Gestaltung Keim ZEV 05, 365 ff; NJW 09, 818f). Der Gesetzgeber (Mot V, 332) hat vertragsmäßigen Vorbehalten grds keine Schranken gesetzt und so einem praktischen Bedürfnis entsprochen.
II. Grenzen.
Rn 7
Ein Vorbehalt, der dem Erblasser die Beseitigung sämtlicher vertragsmäßigen Verfügungen eröffnet, widerspricht als Totalvorbehalt dem Wesen des Erbvertrags, der ohne Bindungswirkung (Vor § 2274 Rn 1) inhaltslos wäre (Hamm 1.4.20 – I-15 W 479/19 Rz 20). Der Erbvertrag muss iRe ganzheitlichen Betrachtung wenigstens eine den Erblasser bindende Verfügung iSv § 2278 II enthalten (BGH NJW 82, 441, 442; BayObLG FamRZ 97, 1430; Stuttg FamRZ 04, 407; aA v Lübtow I, 426f). Diese Bindungswirkung unterscheidet ihn vom Testament. Daher ist ein – ggf bedingter (Ddorf 2.6.20 – I-3 Wx 79/20) – Änderungsvorbehalt nur zulässig, wenn seine Ausübung nur unter genau bestimmten Voraussetzungen möglich oder inhaltlich beschränkt ist, so dass Willkür des Erblassers ausgeschlossen und er insoweit in seiner Testierfreiheit beschnitten ist (München ZEV 07, 33 [OLG München 10.10.2006 - 31 Wx 29/06] m Anm Musielak aaO 245; FGPrax 08, 254, 256 [OLG München 18.09.2008 - 31 Wx 8/08]). Die weitergehende Einschränkung, eine vorbehaltslose, bindende Anordnung müsse zum Inhalt einer vertragsmäßigen Verfügung iSv § 2278 II gemacht werden können (MüKo/Musielak § 2278 Rz 18, 20), hat die Rspr nicht aufgenommen. Neben Abgrenzungsproblemen im Einzelfall (Herlitz MittRhNotK 96, 153, 157) wird eingewandt, § 2278 II bestimme nur die Art möglicher Verfügungen, nicht ihren Umfang (Mayer DNotZ 90, 755, 765 Fn 62). § 2065 steht einem Änderungsvorbehalt zu Gunsten des Längstlebenden nicht entgegen, da dieser nicht Dritter ist. Soll die Bindungswirkung vermieden werden, bietet sich ein Rücktrittsvorbehalt (§ 2293) an (s Rn 8).
Rn 8
Der Totalvorbehalt, der die erbvertragliche Bindung unzulässig einschränkt, lasse nach Einigen die erbvertragliche Bindung bestehen und könne in einen Rücktrittsvorbehalt umgedeutet werden (BayObLG FamRZ 89, 1353, 1354; Lange/Kuchinke § 25 IV 4). Dann wäre § 2296 zu beachten. Es wird aber idR eine falsch bezeichnete einseitige, testamentarische Verfügung iSv § 2299 vorliegen (DErbK/Burandt § 2278 Rz 17). Für einen sonstigen Änderungsvorbehalt richtet sich nach §§ 2085 iVm 2279 I, ob die Verfügung, auf die er sich bezieht, wirksam bleibt. Bei nichtigen vertragsmäßigen Verfügungen ist § 2298 zu beachten (MüKo/Musielak § 2278 Rz 24).
III. Form.
Rn 9
Der Vorbehalt bedarf der Form des Erbvertrags (§ 2276), da er die vereinbarte Bindung der Verfügung vTw bestimmt (BGH NJW 58, 498, 499; Köln NJW-RR 94, 661, 663; Hamm FamRZ 96, 636, 637). Ausnahmsweise kann die Auslegung (§§ 133, 157) des Erbvertrags einen stillschweigend vereinbarten Vorbehalt ergeben (BGH NJW 58, 498, 499; 89, 2618; BayObLGZ 99, 46, 52f), wenn dieser im Wortlaut des Vertrags angedeutet ist (BayObLG FamRZ 95, 889; Hamm FamRZ 96, 636, 637). Die Ausübung ist formlos möglich (BayObLG aaO; s.a. Keim ZEV 05, 365, 369).
IV. Einzelfälle.
Rn 10
Vorbehalten kann werden bei einem Ehegattenvertrag in Form des Berliner Testaments (vgl § 2280) die Änderung der Schlusserbeneinsetzung, wenn die gegenseitige Einsetzung der Ehegatten unbedingt ist (BGH WM 86, 1221 f; BayObLG FamRZ 00, 1252, 1253), ansonsten, dass ein überlebender Ehegatte das Vermögen zwischen gemeinsamen Kindern, auch unter Änderung der Erbquote, umverteilen kann (BayObLG FamRZ 89, 666; 92, 724; 96, 898; Kobl FamRZ 97, 1247), soweit er nicht einen Erben mit der Quote null bedenkt (Ddorf ZEV 07, 275), dass ein Erblasser zu einer bestimmten Quote noch weitere Erben berufen (BGH NJW 58, 498f), dass er trotz Einsetzung einer Person als Erbe über einzelne Gegenstände durch Anordnung von Vermächtnissen verfügen darf (Ddorf OLGZ 66, 68, 70), soweit die Erbeinsetzung dadurch nicht ausgehöhlt wird (vgl Stuttg FamRZ 04, 407), dass er Testamentsvollstreckung anordnen (Stuttg OLGZ 79, 49, 51) oder beim Eintritt genau bestimmter, gerichtlich nachprüfbarer sachlicher Voraussetzungen Änderungen vornehmen kann (Kobl DNotZ 98, 218, 219), dass der Überlebende den bindend eingesetzten Schlusserben mit einem Wohnungs- oder Nießbrauchsvermächtnis zugunsten eines neuen Ehegatten belasten oder bestimmte Personen nicht bedenken darf (BGH WM 86, 1222; aA MüKo/Musielak § 2278 Rz 18). Allein, dass dem überlebenden Ehepartner eingeräumt wird, über das Erbe frei zu verfügen, rechtfertigt noch nicht die Annahme eines Änderungsvorbehalts (Hambg 13.2.18 – 2 W 22/17).