Rn 10
II bezieht sich auf die unter der Überlebensbedingung stehenden Schenkung iSv I. IdR werden Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft, ohne dass dies zwingend ist, unter derselben Bedingung stehen. Regelmäßig steht die vollzogene Schenkung unter einer auflösenden Bedingung (§ 158 II). Überlebt der Beschenkte den Schenker nicht, soll das Geschenk zurückfallen. Ist die Schenkung durch das Überleben des Beschenkten aufschiebend bedingt, ist sie vollzogen, wenn alle Voraussetzungen für den Rechtserwerb erfüllt sind (BGH NJW 53, 182 f; Ddorf FamRZ 97, 61). Ob eine Schenkung trotz bedingter Erfüllung durch den Schenker vollzogen ist, entscheidet über das anzuwendende Normenprogramm (MüKo/Musielak Rz 16). Denn ›Vollzug‹ ist die Weichenstellung, die die Vorschriften über Schenkungen unter Lebenden anwendbar macht (II). Dabei stellt der Gesetzgeber darauf ab, ob der Schenker trotz der Überlebensbedingung (I) ›sein Vermögen sofort und unmittelbar‹ mindert (Mot V, 352), das Opfer also bereits ihn und nicht erst seinen Erben trifft (Brox/Walker ErbR Rz 744). II greift sowohl bei Handschenkungen, bei denen die Schenkung ohne vorheriges Versprechen unmittelbar vollzogen wird (§ 516 Rn 1), als auch bei Leistungen auf ein Schenkungsversprechen iSv I (hM, RG WarnR 13, Nr 249; Stuttg OLGR 09, 853, 856; MüKo/Musielak Rz 16, aA Harder 112 ff). Das formnichtige Schenkungsversprechen wird durch die Leistung des zugewendeten Gegenstandes wirksam (II iVm § 518 II), wobei beim Versprechen unter Überlebensbedingung für § 2301 Voraussetzung ist, dass die Zuwendung noch zu Lebzeiten vollzogen wird (Rn 8).
Rn 11
Die Leistung ist demnach vollzogen, wenn der Schenker dem Beschenkten den Gegenstand (ggf befristet oder auflösend bedingt; BGH NJW 20, 2396 [BGH 03.06.2020 - IV ZR 16/19] Rz 27) dinglich überträgt (zB nach §§ 929 ff, § 398) und somit den Leistungserfolg herbeigeführt hat. Dabei schadet nicht, dass sich der Schenker den jederzeitigen Widerruf oder das Recht, von einem schenkweise übertragenen Sparbuch noch Beträge abheben zu dürfen (BGH NJW-RR 89, 1282; einschr Erman/Kappler/Kappler Rz 10), vorbehalten hat.
Rn 12
Bei zur Zeit des Erbfalls noch ausstehender Erfüllung setzt Vollzug voraus, dass der Schenker zu Lebzeiten alles von seiner Seite objektiv Erforderliche getan hat, damit das Zugewendete ohne sein weiteres Zutun in das Vermögen des Beschenkten gelangt (BGH NJW 70, 1638, 1639 [BGH 25.05.1970 - III ZR 141/68]; 83, 1487 [BGH 23.02.1983 - IVa ZR 186/81]; 94, 931, 932 [BGH 02.02.1994 - IV ZR 51/93]). So genügt, dass der Beschenkte ein Erwerbs- oder Anwartschaftsrecht (BGH NJW 71, 1338, 1339) erlangt, das ohne weitere Handlung des Schenkers mit Eintritt einer (aufschiebenden) Bedingung zwangsläufig zum Vollrecht erstarkt (BGH NJW-RR 86, 1133, 1134 [BGH 16.04.1986 - IVa ZR 198/84]; BGH 29.11.11 – II ZR 306/09: bej zur Schenkung einer Unterbeteiligung, wenn mitgliedschaftliche Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung der Innengesellschaft eingeräumt werden; MüKo/Musielak Rz 19).
Rn 13
Stirbt der Schenker, bevor seine Willenserklärung dem Beschenkten zugeht, ist nach dem Zweck der §§ 130 II, 158 Vollzug nicht dadurch ausgeschlossen, dass dessen Rechtserwerb nicht mehr zu Lebzeiten des Schenkers eintrat, wenn dieser den Zugang nicht bewusst (s aber BGH NJW 75, 382, 383) verzögerte (Ddorf FamRZ 97, 61; NK/Müßig Rz 46 ff; aA Erman/Kappler/Kappler Rz 7). Entsprechendes gilt bei Einschaltung eines Erklärungsboten (RGZ 83, 223; Soergel/Wolf Rz 18). Die Annahme kann ggf nach § 151 1 oder ggü den Erben erfolgen. Diese können den Vollzug durch Widerruf der dinglichen Erklärung vor ihrem Zugang beim Beschenkten gem § 130 I 2 verhindern.
Rn 14
Kein Vollzug zB liegt vor, wenn Handlungen nur vorbereiten oder sichern sollen, zB die bloße Ermächtigung, beim Todesfall vorhandene Forderungen abheben zu dürfen.
Rn 15
Vollzug ist auch nicht erfolgt, wenn der Erblasser eine (transmortale oder postmortale) Vollmacht unwiderruflich erteilt (Brandbg 21.3.23 – 3 U 34/22 Rz 20), dass Erfüllungsgeschäft aber erst nach seinem Tod durchgeführt werden soll, oder wenn der Schenker nur zufällig stirbt, bevor sein Vertreter (vgl §§ 168 1, 672 1) für den Leistungserfolg erforderliche Handlungen tätigte und die Erben nicht zuvor den Auftrag oder die Vollmacht widerriefen (aA MüKo/Musielak Rz 24). Die bloße unwiderrufliche Bevollmächtigung bewirkt keinen Vollzug. Der Schenker kann weiter über das Geschenk verfügen. Mit seinem Tod fällt es in den Nachlass (BGH NJW 83, 1487 [BGH 23.02.1983 - IVa ZR 186/81]; 87, 840 [BGH 12.11.1986 - IVa ZR 77/85]; 95, 953 [BGH 29.11.1994 - XI ZR 175/93]; Damrau/Krüger Rz 7; aA HP/Litzenburger Rz 15; Schlüter ErbR Rz 1252). Nach dem Tod des Schenkers vertritt der Vertreter die Erben. Seine Handlungen sind ihre Leistungen (BGH NJW 88, 2731, 2732 [BGH 18.05.1988 - IVa ZR 36/87]; aA MüKo/Musielak Rz 28; Grünewald/Weidlich Rz 10, 14). Wegen § 2065 ist die Einschaltung des Vertreters nicht mit der des Boten vergleichbar (NK/Müßig Rz 53).
...