Rn 9
Hier ist der Güterstand zu berücksichtigen, von dem das Ehegattenerbrecht abhängt: Bei Zugewinngemeinschaft ist zwischen der erb- und güterrechtlichen Lösung (§ 2303 II 2) zu unterscheiden (Einzelheiten: § 1371 Rn 8–22).
Rn 10
Bei der güterrechtlichen Lösung (sog kleiner Pflichtteil) ist der überlebende Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer (§ 1371 Rn 14). Ihm steht als Nachlassverbindlichkeit der rechnerisch genau ermittelte Zugewinnausgleich (§§ 1373 ff) sowie als Pflichtteil die Hälfte des nicht erhöhten gesetzlichen Erbteils des Ehegatten (§ 1931 I, II) zu (§ 1371 II Hs 2). Neben Abkömmlingen beträgt der Pflichtteil des Ehegatten 1/8, neben Verwandten der zweiten Ordnung ¼. Der Pflichtteil eines Kindes eines beim Erbfall noch verheirateten Erblassers geht auf ⅜, bei zwei Kindern auf jeweils 3/16. Ein Wahlrecht, den großen Pflichtteil zu fordern, hat der überlebende, von der Erbfolge ausgeschlossene Ehegatte nicht (hM, BGH NJW 82, 2497 [BGH 17.03.1982 - IVa ZR 27/81]). Er ist nicht dinglich am Nachlass beteiligt, trägt aber auch keine Verwaltungs- und Abwicklungslast und haftet nicht für Nachlassschulden.
Rn 11
Bei der erbrechtlichen Lösung steht dem überlebenden Ehegatten, der Erbe oder Vermächtnisnehmer mit Pflichtteils- oder Ergänzungsansprüchen geworden ist, der große Pflichtteil als nach § 1371 I erhöhter gesetzlicher Erbteil zu (BGH NJW 62, 1719 [BGH 21.03.1962 - IV ZR 251/61]). Der Zugewinnausgleich verwirklicht sich, indem der gesetzliche Erbteil unabhängig von einem Zugewinn im Einzelnen pauschal um ¼ und damit der Pflichtteil um 1/8 erhöht wird (BGH NJW 88, 388, 389). Der Ehegatte ist neben Verwandten 1. Ordnung zu ½, neben Verwandten 2. Ordnung oder Großeltern zu ¾ der Erbschaft zum gesetzlichen Erben berufen (§§ 1931 I, III, 1371 I); die Pflichtteilsquote geht jeweils auf die Hälfte (I 2); nach § 1931 I 2 ggf noch höher. Der Anspruch auf den kleinen Pflichtteil und Zugewinn (Rn 10) bleibt auch bei Ausschlagung bestehen (§ 1371 III Hs 1). Die durch Ausschlagung herbeigeführte güterrechtliche Lösung kann für den überlebenden Ehegatten wirtschaftlich günstiger als der große Pflichtteil sein, wenn der Erblasser Abkömmlinge hat und der Nachlass ganz überwiegend aus dem Zugewinn des Verstorbenen besteht. Der große Pflichtteil hat für den Ehegatten weitere Auswirkungen, zB auf Pflichtteilsansprüche (§§ 2305–2307) oder Pflichtteilsergänzungsansprüche (§§ 2325, 2329) sowie in den Fällen der §§ 2318 f, 2328. Auch auf die Quote dritter Erb- und Pflichtteilsberechtigter wirkt sich der Anspruch des Ehegatten aus (§ 1371 II Hs 2): Der Pflichtteil eines Kindes geht auf ¼, bei zwei Kindern je auf 1/8.
Rn 12
Bei Gütertrennung (§ 1414) erhöht § 1931 IV den gesetzlichen Erbteil des Ehegatten neben einem Kind auf ½, neben zwei Kindern auf ⅓ und neben 3 oder mehr Kindern auf ¼. Der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten beträgt davon je die Hälfte. Ein Kind ist zu ¼, zwei Kinder sind zu jeweils 1/6 pflichtteilsberechtigt, wenn der Erblasser im Erbfall noch verheiratet war.
Rn 13
Bei Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff) sind die Ehegatten am Gesamtgut (§ 1416) wirtschaftlich je zur Hälfte, am Sonder- und Vorbehaltsgut (§§ 1417, 1418) jeder allein beteiligt. Es beträgt der Ehegattenpflichtteil neben Abkömmlingen 1/8 (§ 1931 I 1) und neben Abkömmlingen der 2. Ordnung oder Großeltern ¼. Der Pflichtteil eines Kindes geht, wenn der Erblasser im Erbfall noch verheiratet war, auf ⅜, bei zwei Kindern auf je 3/6.