Gesetzestext
Entferntere Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers sind insoweit nicht pflichtteilsberechtigt, als ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt.
A. Zweck.
Rn 1
Es soll eine Vervielfältigung der Pflichtteilslasten durch Einschränkung der an sich nach § 2303 gegebenen Pflichtteilsberechtigung entgegengewirkt werden, indem einem Stamm nicht zweimal ein Pflichtteil gewährt wird (BGH NJW 11, 1878, 1881, 12, 3097, 3098; Wendt ErbR 13, 366, 367). Die Norm bezieht sich nur auf das Pflichtteilrecht der Abkömmlinge oder Eltern, nicht des Ehegatten.
B. Pflichtteilsberechtigung.
Rn 2
Der entfernte Berechtigte müsste bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge abstrakt nach §§ 1924 ff als Erbe berufen sein (BGH NJW 12, 3097, 3098 [BGH 27.06.2012 - IV ZR 239/10]). Lebt ein näher Berechtigter, ist das nur möglich, wenn dieser die Erbschaft ausgeschlagen (§§ 1942 I, 1953 I) oder auf sein Erbrecht verzichtet (§ 2346 I [s BGH aaO]; zum Pflichtteilsverzicht s § 2349) hat oder für erbunwürdig erklärt (§§ 2339 f, 2344) oder enterbt wurde (dazu BGH NJW 11, 1878, 1880 [BGH 13.04.2011 - IV ZR 204/09]); dieses kann im Rechtsstreit zw dem entfernterem Abkömmling und Erben festgestellt werden (BGH aaO). Ferner müsste der entferntere Berechtigte nach §§ 2303 ff an sich pflichtteilsberechtigt sein, er also durch Verfügung vTw von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen (§ 2303) oder ihm ein zu geringer Erbteil oder Vermächtnis zugewendet (§§ 2305, 2307 I 2) sein, oder er den hinterlassenen, aber beschwerten oder beschränkten Erbteil oder Vermächtnis ausgeschlagen haben (§§ 2306 I, 2307 I 1).
C. Ausschluss.
Rn 3
Die an sich bestehende Pflichtteilsberechtigung ist nach § 2309 ausgeschlossen, insoweit ein näher Berechtigter den Pflichtteil verlangen kann (Alt 1). Bsp: Der verwitwete G hat einen Sohn S und einen Enkel E. G enterbt S und E. S ist vor seinem Kind E pflichtteilsberechtigt. E ist wegen des Rangverhältnisses ausgeschlossen. Ob der näher Berechtigte den Pflichtteil tatsächlich verlangt, ist unerheblich (RGZ 91, 193, 195), auch wenn der Pflichtteil verjährt ist. Auch im Erlass des Pflichtteils ggü dem Erblasser zu dessen Lebzeiten liegt ein Verlangen (Celle OLGR 04, 93). Der Ausschluss greift ferner, soweit der Berechtigte das ihm Hinterlassene, dh das durch Verfügung vTw Zugewandte (Staud/Otte Rz 10), tatsächlich annimmt (Alt 2), zB ein Vermächtnis, das an Stelle des Pflichtteilsanspruchs zugewandt wird, sowie anrechnungs- und ausgleichungspflichtige Zuwendungen unter Lebenden, die den Pflichtteil des unmittelbar Bedachten gemindert hätten, wäre er pflichtteilsberechtigt geworden (Celle NJW 99, 1874), sowie das auf Grund entgeltlichen Erb- oder Pflichtteilsverzichts Erlangte (Celle aaO m abl Anm Pentz NJW 99, 1835 ff [OLG Celle 15.01.1998 - 22 W 115/97]; Staud/Otte Rz 22), es sei denn, die Gefahr einer Doppelbegünstigung (Rn 1) stellt sich nicht, weil der Verzichtende als entfernterer Abkömmling demselben, allein bedachten Stamm gesetzlicher Erben angehörte (BGH NJW 12, 3097, 3099; Wendt ErbR 13, 366, 370f); Begünstigungen und Auflagen sind nicht anzurechnen (Soergel/Dieckmann Rz 21).